Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Unternehmen mieten Covid-19-Teststation
50 Tests pro Stunde – Buchende Firmen wollen unerkannt bleiben
RAVENSBURG – Unauffällig vor dem Restaurant „Kantine“am Rand des Parkplatzes hinter dem Schweinchenpalast steht ein blauer Überlandbus. Er trägt den Schriftzug „Mobile Covid-19 Teststation“. Davor warten Menschen mit Mund-Nasen-Maske auf Einlass. Gebucht hatte den Bus am Dienstag eine Ravensburger Firma, um ihre Mitarbeiter testen zu lassen. Die neue mobile Teststation ist diese Woche zum ersten Mal unterwegs.
Wer sich im Bus testen lassen will, hat vorher bereits online seine Daten eingegeben. Jetzt meldet er oder sie sich mit einem QR-Code am Empfang, zeigt den Personalausweis und bekommt ein Schildchen mit einem Laufcode auf den Handrücken geklebt. Einen Meter weiter im Bus-Inneren heißt es bereits: Kräftig einatmen, dann Mund auf. Eine Krankenschwester im weißen Schutzanzug mit Plastikvisier vor dem Gesicht nimmt einen Abstrich aus dem Rachen.
Das Röhrchen für den Abstrich ist bereits mit einer Seriennummer beklebt, die nur noch gescannt und automatisch der getesteten Person zugeordnet wird. Die Krankenschwester lässt das Röhrchen in einem Schacht verschwinden und wendet sich dem nächsten Testkandidaten zu. Thomas Görtler, Projektleiter für den Testbus bei der Firma HuberGroup, ist stolz auf das durchstrukturierte und papierlose Vorgehen. Eine bis anderthalb Minuten, dann ist der Testkandidat schon wieder draußen. 50 Personen können so pro Stunde im Bus getestet werden, sagt Görtler.
„Jetzt müssen wir nur noch das Röhrchen ins Labor bringen, und wenn da der Befund vorliegt, wird er sofort freigegeben“, berichtet der Projektmanager. „Die getestete Person wird sofort per E-Mail informiert, dass ihr Test fertig ist.“Wer einen Authentifizierungs-Code anfordert, kann sein Ergebnis gleich abrufen. Und sich bei Bedarf ein Dokument ausdrucken, zum Beispiel für eine Dienstreise, erklärt Görtler. Wer sich öfter testen lässt, kann auch seine Testhistorie abrufen.
Wenn alles optimal läuft, ist nach zwölf Stunden klar, ob das Testergebnis positiv oder negativ ist. Angesichts des Andrangs im Labor seien derzeit aber eher 20 bis 25 Stunden realistisch, sagt Projektmanager Görtler. Die Firma Huber-Group arbeitet mit dem Diagnostikzentrum Ulm zusammen – zugleich ihr Kooperationspartner bei der Entwicklung der mobilen Teststation.
Die Firma Huber-Group aus
Mühlhausen im Täle im Landkreis Göppingen ist eigentlich ein Zulieferer der Automobilindustrie mit Schwerpunkt Antriebssysteme und Steuergeräte für Fahrzeuge. Im Frühjahr mit dem Beginn der CoronaPandemie und dem ersten Lockdown hatte das Unternehmen Kapazitäten frei, berichtet Firmensprecherin Nadine Konstanty. Zur selben Zeit gab es bei den Covid-19-Tests, bei denen die Daten damals noch weitgehend von Hand aufgenommen und weitergeleitet wurden, vielfach lange Wartezeiten, Fehler und Verwechslungen. „Wir haben die Teststationen durch die Brille des Industrieunternehmens gesehen und gedacht: Da können wir einiges verbessern“, erinnert sich Projektmanager Görtler. Oder mit den Worten der Firmensprecherin: „Die Huber-Group hat ihr Know-how in Sachen ProzessAutomatisierung in den Gesundheitsbereich übertragen.“Zunächst hat die Firma ihren Mitarbeitern am Hauptsitz Mühlhausen kostenlose Corona-Tests angeboten. Dann hat sich daraus ein neuer Geschäftszweig entwickelt.
Seit dem Sommer betreibt die Huber-Group für den Landkreis NeuUlm eine Drive-Through-Teststation in Senden. Die erhobenen Daten werden in einer überregionalen Datenbank verschlüsselt gespeichert, berichtet Sprecherin Konstanty. Die digitale Vernetzung sorge nach Angaben des Unternehmens für eine „schnelle, fälschungsgeschützte und verwechslungssichere Testung“. Der Datenaustausch mit dem beteiligten Labor erfolge über digitale Schnittstellen. Diese direkte Anbindung sei auch beim Datenaustausch mit den
Gesundheitsämtern möglich, sagt Konstanty. Aber die Gesundheitsämter würden darauf bestehen, Daten per Fax zu erhalten.
Ursprungsgedanke für die neue mobile Teststation im Überlandbus waren Tests vor Schulen, Altersoder Pflegeheimen, berichtet Konstanty. Mit dem Ziel, auf das lokale Corona-Geschehen noch schneller zu reagieren. Inzwischen habe sich jedoch gezeigt, dass die Hauptnachfrage von mittelständischen Unternehmen komme, die ihre Mitarbeiter testen lassen wollten. Welche sich bereits angemeldet haben, darf die Sprecherin der Huber-Group nicht verraten: „Die Firmen wollen nicht an die Öffentlichkeit“, sagt sie. „Aus Angst, dass ihr Name mit Corona in Verbindung gebracht wird.“Das ist auch in Ravensburg nicht anders. Deshalb wartet der Bus wohl so unauffällig am Parkplatzrand.
Für die Firmen kostet ein PCRTest im Bus 60 bis 80 Euro pro Person, je nach Größe der getesteten Belegschaft. Das Ergebnis ist nach Angaben von Huber-Group-Sprecherin Konstanty ein offizieller Nachweis, der überall anerkannt wird. Und wie kommt die Betreiberfirma an die Tests? Immerhin haben Labore in der Region schon gemeldet, dass bei ihnen die Tests knapp werden. Solche Probleme hat das Diagnostikzentrum Ulm offenbar nicht, berichtet Konstanty. In der Vergangenheit war fehlerhafte Probenahme oft Ursache für falsche Ergebnisse. Diese Gefahr bestehe bei der Huber-Group nicht: Die Proben würden ausschließlich von medizinischem Fachpersonal genommen. Privatpersonen haben derzeit keinen Zugang zum Testbus.