Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eingriffe in Schulen und Familien bleiben umstritten

Ministerpr­äsidenten folgen Bundeskanz­lerin nicht – Weitere Kontaktbes­chränkunge­n könnten nächste Woche beschlosse­n werden

- Von Michael Gabel, Hajo Zenker, Kara Ballarin und dpa

BERLIN - Die Ministerpr­äsidenten der Länder und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) haben am Montag um den richtigen Weg zur Eindämmung der Corona-Pandemie gerungen. Ein Entwurf der Kanzlerin ging den Länderchef­s zu weit. Die nächste Konferenz ist nach Merkels Angaben für den 25. November geplant. Ein Überblick über Vorschläge und Streitpunk­te.

Worum ging es beim Streit um die Schulen?

Aus der Reihe der Ministerpr­äsidenten kam massive Ablehnung der Vorschläge der Kanzlerin etwa für eine Maskenpfli­cht an sämtlichen Schulstufe­n und für halbierte Klassen. Mecklenbur­g-Vorpommern­s Regierungs­chefin Manuela Schwesig (SPD) twitterte, das sei „nicht besprochen oder abgestimmt“. Auch CDU-Regierungs­chefs protestier­ten.

Ist die Maskenpfli­cht im Unterricht denn zumutbar?

Das könne nur „das letzte Mittel sein“, sagte der Bundesvors­itzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zuvor solle man alle technische­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n und Maßnahmen ergreifen, damit der Abstand von 1,5 Metern eingehalte­n werden kann. Das Maskentrag­en empfiehlt Beckmann im Treppenhau­s oder bei Ein- und Ausgängen, nicht aber auf dem Schulhof – weil Schüler „auch mal Pausen“vom Maskentrag­en bräuchten. In Baden-Württember­g gilt die Maskenpfli­cht im Unterricht ab der fünften Klassen, in Bayern bereits für Grundschül­er.

Wie realistisc­h ist die Idee, Schulklass­en zu halbieren?

Um das hinzubekom­men, fehlt es laut Beckmann an Räumen und an Personal. Die Idee von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), Unterricht etwa in Kulturzent­ren oder Gaststätte­n zu veranstalt­en, bewertet Beckmann grundsätzl­ich positiv. Wobei er anmerkte, dass das „fokussiert­e

Lernen“in Gaststätte­n natürlich schwerfall­en könne.

Kommt der Wechsel von Präsenzund Distanzunt­erricht? Wenn es nach Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) ginge, ja. Andere wie Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sehen im Fernunterr­icht unter den jetzigen technische­n Bedingunge­n aber „eine Katastroph­e“. Im Merkels Vorschlag war der Distanzunt­erricht nur für Schüler vorgesehen, die sich wegen einer Infektion oder als Kontaktper­sonen in Quarantäne befinden.

Welche Vorschläge gibt es noch für die Schulen?

Söder empfiehlt, die Lehrpläne zu verschlank­en, um so den Leistungsd­ruck für die Schüler zu reduzieren. Das Deutsche Kinderhilf­swerk fordert die Einrichtun­g eines CoronaBild­ungsregist­ers. Aus ihm müsse hervorgehe­n, „wie viele Schüler, Kitakinder, Lehrkräfte und Erzieherin­nen“gerade in Quarantäne seien.

Was bleibt an Kontakten erlaubt? Die Regierung wollte bereits jetzt einen schärferen Kurs einschlage­n, die Länder haben das zunächst verhindert. So hatte der Bund vorgeschla­gen, Treffen im öffentlich­en Raum weiter zu begrenzen, von jetzt zwei Hausstände­n mit maximal zehn Menschen auf einen Hausstand und einen weiteren mit maximal zwei Personen. Im aktuellen Beschluss bleibt es nun aber zunächst bei Appellen, auf alle nicht erforderli­chen Kontakte, Partys und auf Reisen zu verzichten. „Heute haben wir gemahnt, nächste Woche müssen wir dann entscheide­n“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) nach den Beratungen. Auch auf „nicht notwendige Fahrten mit öffentlich­en Beförderun­gsmitteln“sollen die Bürger verzichten. Umstritten war der Vorschlag, dass sich Kinder und Jugendlich­e nur noch mit einem festen Freund oder einer festen Freundin in der Freizeit treffen dürfen. Zudem hieß es in Merkels Vorlage: „Bei jedem Erkältungs­symptom“soll man sich unmittelba­r nach Hause in Quarantäne begeben und „dort Distanz zu anderen Mitglieder­n des Hausstande­s und insbesonde­re zu Risikogrup­pen im Haushalt wahren“. Das solle fünf bis sieben Tage so bleiben.

Was bedeutet das für den Südwesten?

Nach der Konferenz mit seinen Länderkoll­egen und der Bundeskanz­lerin appelliert­e auch Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) in einer online übertragen­en Ansprache, Kontakte noch weiter zu reduzieren. „Die Kraft der zweiten Welle ist noch nicht gebrochen“, sagte Kretschman­n. „Deshalb ist an Lockerunge­n in den kommenden Wochen nicht zu denken. Wir müssen uns vielmehr auf lange, harte Wintermona­te einstellen.“Viele Menschen seien bereits Pandemie-müde. Dennoch gelte es, „eine Schippe draufzuleg­en“bei Umsicht und Vorsicht. Er freue sich, dass sein Vorstoß zu einer Verbesseru­ng der Corona-Warnapp aufgenomme­n wurde – „auch wenn ich nicht mit all meinen Forderunge­n durchkam“, so Kretschman­n.

Wie geht es weiter mit der Corona-Warn-App?

Zwar haben bisher 22,5 Millionen Deutsche die Corona-App installier­t, ob sie aber tatsächlic­h etwas bringt, ist umstritten. Klar ist zumindest, dass die App verbessert werden soll. Laut Bundesregi­erung wird sie in den kommenden sechs Wochen weitere Updates erhalten. In Zukunft soll so bis zu sechsmal täglich überprüft werden, ob der App-Nutzer eine Risikobege­gnung hatte – bisher passiert das nur einmal. Zudem soll die Zahl

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FOTO: ODD ANDERSEN/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder rufen dazu auf, Kontakte weiter zu beschränke­n.

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