Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der Streit um die vier Prozent
Die IG Metall Baden-Württemberg verlangt trotz Pandemie mehr Lohn – Südwestmetall spricht von „überzogenen Forderungen“
RAVENSBURG - Es werden schwierige Tarifverhandlungen – so viel steht fest. Denn Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie verhandeln dieses Mal in Corona-Zeiten. Zeiten, in denen die wirtschaftlichen Auswirkungen einschneidend sind und keiner weiß, wie schnell sich die Betriebe erholen werden.
Trotzdem: Am Dienstag hat die Große Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg, die die Arbeitnehmer vertritt, ihre Forderungen für die anstehende Tarifrunde festgezurrt und schreckt nicht vor einer Lohnerhöhung zurück – allerdings mit Einschränkung. Für die knapp 969 000 Beschäftigten in der baden-württembergischen Metallund Elektroindustrie will sie vier Prozent mehr Geld bei zwölf Monaten Laufzeit, entweder klassisch in Form von Lohnerhöhungen oder – und das ist die Einschränkung – als zumindest teilweisen Ausgleich für Arbeitszeitreduzierungen in Betrieben, denen die Krise nach wie vor schwer zu schaffen macht. Der konkrete Mechanismus, wie die vier Prozent als Lohnausgleich bei weniger
Arbeitszeit gezahlt werden sollen „wird dann noch zu verhandeln sein“, sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall BadenWürttemberg am Dienstag. Ziel sei es, auf diesem Weg in den Betrieben jeweils auf die aktuellen Auswirkungen
der Pandemie zu reagieren. Schließlich umfasse die Metall- und Elektroindustrie sowohl Betriebe, die in der Krise profitieren, wie die der Medizintechnik, als auch den Maschinenbau beispielsweise, der nach wie vor zu kämpfen habe.
Bisher hatte die IG Metall im Vorfeld der Verhandlungen von einem Volumen von „bis zu vier Prozent“gesprochen, hatte die vier Prozent also als Obergrenze kommuniziert. Am Dienstag legte sich die Große Tarifkommission aber auf die vier Prozent fest und strich das „bis zu“. „Wir haben keinen Zweifel, dass die vier Prozent eine vermittel- und erklärbare Größenordnung sind“, sagte Zitzelsberger und ergänzte: „Auch unter Pandemie-Bedingungen gehen wir selbstbewusst in die Verhandlungen.“Gerade in der Krise habe die „Beschäftigungssicherung, Zukunftsgestaltung und Stabilisierung der Einkommen absolute Priorität“. Diejenigen, die beispielsweise durch Kurzarbeit die Last trügen, nämlich die Beschäftigten, dürfe man nicht hängen lassen.
Eine Reaktion von Südwestmetall, der Arbeitgebervertretung, folgte prompt: „Mit dem überzogenen Forderungsbeschluss in BadenWürttemberg strebt die IG Metall eine erhebliche Kostenbelastung für unsere Betriebe an – in einer Phase, in der die Erträge in den Keller rauschen und in der fast flächendeckend das Geld für zukunftssichernde Investitionen knapp wird“, sagte Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands
Südwestmetall, am Dienstag in Stuttgart: „Wir sind bereit, mit der IG Metall gemeinsam am Ziel einer möglichst weitreichenden Beschäftigungssicherung zu arbeiten. Mit dieser Forderung konterkariert sie dieses Ziel jedoch.“
Zitzelsberger sagte: Einwände von Südwestmetall würden zeigen, dass die Arbeitgeber die Forderungen schlichtweg nicht verstanden hätten. „Das Volumen ist dringend notwendig um Beschäftigung zu sichern. Das sollte unser aller Ziel sein in dieser Situation.“
Am 26. November legt der Vorstand der IG Metall die endgültige Forderung fest, die neben dem VierProzent-Volumen laut Zitzelsberger auch eine tarifliche Verbesserung für Auszubildende und dual Studierende vorsehen soll. So fordert die Große Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg eine unbefristete Übernahme der Auszubildenden nach dem letzten Lehrjahr und dass auch für dual Studierende die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie gelten sollen.
Die erste Verhandlungsrunde zwischen den Tarifpartnern im Südwesten ist für den 16. Dezember geplant. Trotz Kontaktbeschränkungen soll es bei dem Termin bleiben.