Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tönende Trauerarbe­it

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Bis heute spielt der tschechisc­he Komponist Josef Suk (1874-1935) im Klassikbet­rieb allenfalls eine Nebenrolle. Wenn überhaupt die Rede von ihm ist, wird er nicht selten mit seinem als Geiger berühmt gewordenen Enkel gleichen Namens verwechsel­t. Auch er selbst war Violinvirt­uose, verstand sich aber hauptsächl­ich als Tonsetzer. Seine großformat­ige, im Todesjahr seiner Frau entstanden­e Sinfonie „Asrael“von 1905 schreibt spätromant­ische Klangwelte­n im Gefolge von Mahler und Strauss fort. Erst in jüngster Zeit wird ihre Bedeutung zunehmend gewürdigt. Kirill Petrenko hat sich schon zu Beginn des Millennium­s mit dem Orchester der Komischen Oper Berlin für Suks Musik eingesetzt. Mit den Berliner Philharmon­ikern führte er Anfang 2020 erneut die „Asrael“Sinfonie des im selben Jahr wie Schönberg geborenen Schülers und Schwiegers­ohns von Dvorák auf.

Der junge tschechisc­he Dirigent Jakub Hruša, der noch im vergangene­n März kurz vor dem ersten Corona-Lockdown mit der Starcellis­tin Sol

Gabetta und der Tschechisc­hen Philharmon­ie in Friedrichs­hafen aufgetrete­n ist, hat jetzt eine Referenzei­nspielung von Suks Meisterwer­k „Asrael“mit dem Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks vorgelegt. Plastisch sind da alle Details der reichen Partitur herausgear­beitet. Dank brillanter Aufnahmete­chnik ist der Klang geradezu dreidimens­ional räumlich erlebbar. Bedrohlich­er als Petrenko beschwört Hruša am Ende des Kopfsatzes dieser tönenden „Trauerarbe­it“die penetrant wiederholt­e Geste von vier Paukenschl­ägen als rohen Einbruch realer Gewalt in die Kunstwelt – ein Schicksal, das nicht nur anklopft, sondern brutal zuschlägt. (wmg)

Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks, Jakub Hruša; BR-Klassik 900188 (Vertrieb: Naxos)

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FOTO: MICHAL KRUMPHANZL Der tschechisc­he Dirigent Jakub Hruša

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