Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Masken-Kritiker verteilen fragwürdigen Flyer
Stadt- und Kreisverwaltung halten Inhalte für verantwortungslos
FRIEDRICHSHAFEN (li) - Ungeachtet der steigenden Infiziertenzahlen und der sich füllenden Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern verteilen Corona-Skeptiker und Masken-Kritiker seit einigen Tagen in Friedrichshafen Flugblätter mit fragwürdigen Inhalten. Urheber sind mutmaßlich bundesweite Initiativen. Rein rechtlich sind die abgedruckten Aussagen als freie Meinungsäußerung zu beurteilen, im Häfler Rathaus und im Landratsamt des Bodenseekreises macht man allerdings kein Hehl daraus, dass man sie für verantwortungslos hält.
Einen der verteilten Flyer könnte man aufgrund seiner Aufmachung samt lustiger Tierzeichnungen fast für eine Art Familienratgeber halten. Und auch die Hinweise sind in einer Sprache formuliert, die einerseits fachliche Kompetenz suggerieren, andererseits aber auch für Kinder verständlich sein soll. Im Kern geht es um die Behauptung, dass Masken für Kinder gefährlich seien. Die Verfasser des Flugblatts empfehlen Eltern nicht nur, für ihre Kinder ein Attest vom Arzt zu besorgen, sondern geben auch „Tipps“zur Stärkung des Immunsystems, die zum Beispiel „zusammen lachen, spielen, Spaß haben“oder auch „drücken und umarmen“lauten.
Die Reaktionen aus dem Häfler Rathaus und dem Landratsamt sind sehr eindeutig: „Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, ist es unbedingt notwendig, den MundNasen-Schutz zu tragen. Deshalb ist es aus unserer Sicht verantwortungslos, Menschen – egal welchen Alters – aufzufordern, dies nicht zu tun“, schreibt die Pressestelle der Stadtverwaltung in einer Stellungnahme. Ähnlich liest sich, was Robert Schwarz als Sprecher des Landratsamts ausführt: „Wir halten es für unverantwortlich, den Mund-NasenSchutz schlechtzureden. Er ist im Alltag eine verhältnismäßig einfach umzusetzende und nach unseren Erfahrungen wirksame Möglichkeit, der Corona-Herausforderung zu begegnen und die Verbreitung des Virus zu hemmen. Die Maske dient in erster Linie als Spuckschutz und verhindert dadurch eine Tröpfcheninfektion. Aber auch die Aerosol-Exposition
kann offenbar verringert werden, wenn sowohl die ausatmende als auch die einatmende Person eine Maske tragen.“Es sei auch nicht haltbar und ebenso fahrlässig, zu behaupten, Kinder seien von Corona nicht betroffen, auch wenn andere Altersgruppen statistisch gesehen mehr gefährdet seien. „Wir hatten auch im Bodenseekreis Fälle bei Kindern und wir gehen davon aus, dass es Übertragungen zwischen Kindern gab“, so Schwarz.
Der Sprecher des Landratsamts räumt zwar ein, dass die Zahl der von einer Infizierung Betroffenen gemessen an der Gesamtbevölkerung klein sei. Das sei aber eben auch ein Ergebnis der Schutzmaßnahmen und der Vorsicht, die die allermeisten Leute walten ließen. Im Bodenseekreis sei bisher – ganz grob gesprochen – jeder 200. Einwohner von der Infektion betroffen, wobei es eine schwer zu schätzende Dunkelziffer gebe. „Diese Zahl wäre sehr wahrscheinlich deutlich höher, hätte sich das Virus ungebremst verbreiten können. Im Augenblick werden dem Gesundheitsamt des Bodenseekreises täglich Dutzende neue Fälle gemeldet. Es ist uns unverständlich, wie man sowas ignorieren kann bei einem Erreger, über den wir noch kaum etwas wissen“, schreibt Robert Schwarz.
Von wem und in welchem Umfang die Flugblätter in der Region verteilt worden sind, dazu liegen weder der Stadtverwaltung noch dem Landratsamt Erkenntnisse vor. Eine rechtliche Grundlage, dagegen vorzugehen, ergibt sich aus dem Inhalt aber ohnehin nicht: „Die Verbreitung politischer Meinungsäußerungen ist vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes auch dann gedeckt, wenn die Meinung von breiten Teilen der Bevölkerung nicht geteilt wird und wir die Aussagen im Flyer für verantwortungslos halten“, heißt es in der Stellungnahme der Stadtverwaltung, die zudem an die Menschen appelliert, „den Infos in dem Flyer und den Verschwörungstheorien keinen Glauben zu schenken und sich auf die Aussagen der Fachleute des RKI zu stützen und den Mund-NasenSchutz zu tragen“.