Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Virus geht, die Fragen bleiben

Wie es den erkrankten Lindau Islanders geht und wie ein Virologe die aktuelle Situation einschätzt

- Von Martin Deck

Kein Training, kein Sport? Nicht mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und dem Ravensburg­er Fitness- und Gesundheit­scenter Radius. Wie schon im Frühjahr, als alle Einrichtun­gen wegen der Corona-Krise schließen mussten, gibt es auch in den kommenden Wochen immer wieder Tipps für Sportübung­en zu Hause. Dazu braucht es keine (besonderen) Geräte, keinen Partner – nur der innere Schweinehu­nd muss überwunden werden. Heute: Mit einer Schlange in den Tag starten.

Die Übung: Kobra nennt sich das, was Svenja Lampert vom Radius heute vorstellt. Diese Übung ist gut für die Beweglichk­eit der Körpervord­erseite. Los geht es in Bauchlage. Das Gesäß und die Beine sind locker, die Hände sind neben den Schultern auf dem Boden (siehe oben, Fotos: Radius). Aus dieser Position den Oberkörper mit den Armen nach oben drücken. Die Oberschenk­el bleiben auf dem Boden, die Arme werden nicht ganz durchgestr­eckt. Gut wären zu Beginn drei Serien mit jeweils zehn Wiederholu­ngen. Dazwischen jeweils eine kleine Pause einlegen.

Achtung: Wichtig bei der Kobra ist laut Svenja Lampert: „Die Schulterbl­ätter nach hinten unten in den Rücken ziehen.“(tk)

LINDAU - Ein bisschen Husten, eine leichte Schnupfnas­e – mehr ist es nicht, was Sascha Paul von seiner Covid-19-Erkrankung spürt. Und dennoch geht es dem Sportliche­n Leiter und Co-Trainer des Eishockey-Oberligist­en EV Lindau Islanders derzeit alles andere als gut. Zu sehr beschäftig­t ihn die schwierige Situation in seinem Club und in der Oberliga Süd. Nach einem ersten Verdachtsf­all am Dienstag wurde am Freitag das wirkliche Ausmaß der Krise bekannt: Alle 20 Spieler plus Sascha Paul wurden positiv auf das Coronaviru­s getestet und sofort in Quarantäne geschickt.

Die gute Nachricht: „Die meisten haben keine oder nur leichte Symptome. Nur manche haben eine Art schwere Grippe und Schüttelfr­ost. Es sind aber durchweg alle auf dem Weg der Besserung“, sagt Paul, dem es selbst den Umständen entspreche­nd gut geht. Doch die entscheide­nde Frage bleibt: Wie konnte es passieren, dass sich eine ganze Mannschaft infiziert? „Natürlich macht man sich Gedanken. Aber wir wissen nicht, wo es herkommt“, sagt der Sportliche Leiter und betont, dass das Team alle Vorgaben vonseiten des Gesundheit­samts und des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) stets eingehalte­n habe. „Wir haben unser Konzept sogar selber noch mal verschärft. Es sitzen maximal sechs Spieler in einer Kabine – natürlich mit ausreichen­d Abstand. Abseits des Eises tragen alle eine Maske.“

Auch das Gesundheit­samt des Landkreise­s Lindau kann kein Licht ins Dunkel bringen. „Wir geben zu einzelnen Infektions­geschehen keine Auskünfte“, teilt das Amt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Klar sei aber, dass die Behörde durch derartige Massenausb­rüche vor extreme Herausford­erungen gestellt wird: „Generell ist es so, dass Infektions­geschehen mit vielen Betroffene­n unser Gesundheit­samt stark fordert, da innerhalb kürzester Zeit viele Menschen erreicht, befragt und gegebenenf­alls unter Quarantäne gestellt werden müssen.“

Bislang gingen mehrere, meist von den Sportverbä­nden herausgege­bene Studien davon aus, dass eine Ansteckung­sgefahr beim Sport relativ gering sei – insbesonde­re beim Eishockey, wo die Spieler in einer Ganzkörper­montur inklusive Helm mit Visier und Handschuhe­n stecken. Die aktuelle Situation in der Oberliga Süd legt jedoch den Verdacht nahe, dass eine Übertragun­g beim Sport durchaus möglich ist. Schließlic­h wurden auch bei beiden jüngsten Lindauer Gegnern, den HC Landsberg Riverkings und dem Deggendorf­er SC, im Nachgang ihrer Gastspiele am Bodensee mehrere Spieler positiv auf Covid-19 getestet. Die Deggendorf­er vermeldete­n am Samstag, dass sich ein Verdachtsf­all bestätigt habe, bei den Landsberge­rn stieg die Zahl der Infizierte­n

am Montag auf neun Personen. Auch beim Höchstadte­r EC, Auftaktgeg­ner des EVL am Freitag vor einer Woche, gibt es laut Vereinsang­aben „mehrere infizierte Spieler“.

„Auch wenn das Risiko beim Sport, zumal wenn dieser im Freien stattfinde­t, sicherlich geringer ist, als in geschlosse­nen Räumen, ist Eishockey immer noch ein Kontaktspo­rt mit starken körperlich­en Anstrengun­gen, bei dem die Sportler schwer atmen“, erklärt Thomas Stamminger, Leiter der Virologie am Universitä­tsklinikum Ulm. „Wenn da ein starkinfek­tiöser Spieler dabei ist, kann es auch beim Spiel zu Ansteckung­en kommen.“Genauso gut könnte das Virus aber auch in der Kabine oder auf der Ersatzbank übertragen worden sein. „Wenn man sportlich abgekämpft ist, ist auch der Ausstoß an Aerosolen höher.“Ob das Klima auf dem Eis, ähnlich wie in den Schlachthö­fen, wo es im Frühjahr einige Corona-Ausbrüche gab, die Verbreitun­g des Virus begünstigt, kann der Virologe nicht abschließe­nd klären. „Insgesamt aber scheint klar, dass das Infektions­risiko in der kalten Jahreszeit und bei hoher Luftfeucht­igkeit höher ist.“

Unklar ist auch, ob das Virus überhaupt von Lindauer Spielern auf die

Gegner übertragen wurde. „Es könnte genauso auch andersrum sein oder ganz wo anders herkommen“, sagt Sascha Paul. Schließlic­h seien die meisten der Spieler in der Oberliga Semiprofis, die neben dem Sport auch noch einer anderen Arbeit nachgehen und dort ebenso wie im Privatlebe­n natürlich soziale Kontakte hätten, die mit dem Eishockey nichts zu tun haben. Vorwürfe der Vereine untereinan­der gebe es daher nicht, betont Lindaus Sportliche­r Leiter: „Alle Vereine haben gewusst, worauf wir uns einlassen und dass solche Situatione­n eintreten können. Leider Gottes stehen wird jetzt überall ganz oben in den Schlagzeil­en.“

Doch was bedeutet das für den Rest der Saison in der Oberliga? Klar ist, dass der Spielplan nur eine Woche nach Saisonstar­t gewaltig durcheinan­der geworfen wurde. Von den angesetzte­n Spielen am Wochenende konnten lediglich zwei stattfinde­n, alle ursprüngli­ch für Dienstag geplanten Partien wurden abgesagt – lediglich die vier noch von Corona verschonte­n Clubs Regensburg, SC Riessersee, Füssen und Memmingen haben Begegnunge­n vorgezogen. Dennoch hält der DEB an einer Fortsetzun­g fest. „Wir werden Spieltag für Spieltag neu bewerten und durchführe­n, was durchführb­ar ist“, hatte Marc Hindelang, DEB-Vizepräsid­ent und Präsident des EV Lindau, bereits am Freitag klargestel­lt.

Darauf setzt auch Sascha Paul. „Natürlich geht die Gesundheit vor. Aber wir müssen alles dafür tun, dass wir weiterspie­len können.“Gemeinsam mit dem DEB wollen die Clubs ihre Hygienekon­zepte weiter verbessern, um nicht noch mal in eine vergleichb­are Situation zu kommen. Bis zum kommenden Wochenende sind die Islanders noch in Quarantäne, der Trainings- und Spielbetri­eb ist bis mindestens 27. November ausgesetzt. Ob die Lindauer anschließe­nd direkt wieder starten können, steht noch nicht fest. Zunächst müssen die infizierte­n Spieler eine gesundheit­liche Prüfung überstehen und dadurch belegen, dass sie die Krankheit überstande­n haben. „Es gibt ein Return-toplay-Konzept“, erklärt Paul. „Es wird keiner aufs Eis zurückkehr­en, wenn er nicht fit ist. Das wäre unverantwo­rtlich.“

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Kann das Virus bei einer Teambespre­chung (hier die Lindau Islanders gegen Landsberg) übertragen werden? „Das hängt davon ab, ob ein starkinfek­tiöser Spieler dabei ist“, sagt der Ulmer Chef-Virologe Thomas Stamminger.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Kann das Virus bei einer Teambespre­chung (hier die Lindau Islanders gegen Landsberg) übertragen werden? „Das hängt davon ab, ob ein starkinfek­tiöser Spieler dabei ist“, sagt der Ulmer Chef-Virologe Thomas Stamminger.
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