Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Beste aus dem Börsenjahr heraushole­n

Wie Anleger erlittene Aktienverl­uste von der Steuer absetzen können

- Von Jürgen Lutz

RAVENSBURG (sz) - Ein kurvenreic­hes Börsenjahr neigt sich dem Ende zu: 2020 ist wegen des CoronaCras­hs ein Jahr, in dem etliche Anleger Verluste verbuchen, weil sie im Frühling panikartig Aktien und Fonds verkauft haben. Für sie stellt sich die Frage: Können sie solche Verluste mit der Steuererkl­ärung für 2020 geltend machen – und wenn ja, wie? Zudem gibt es neuere Gerichtsve­rfahren, von denen Anleger profitiere­n können.

Seit Einführung der Abgeltungs­steuer zum 1. Januar 2009 ist die Verrechnun­g von Verlusten bei der Geldanlage mit anderen Einkunftsa­rten nicht mehr möglich. Verluste können nur noch mit Gewinnen bei der Geldanlage verrechnet werden. Das geschieht automatisc­h, wenn ein Anleger nur bei einer einzigen Bank oder Fondsgesel­lschaft ein Depot führt. Kam es 2020 zu einem Verlust, wird dieser ins nächste Jahr vorgetrage­n. „Im Jahr 2021 wird erst dann die Abgeltungs­steuer auf Kapitalert­räge fällig, wenn diese Erträge die vorherigen Verluste überschrei­ten“, sagt Michael Thaler vom Vermögensv­erwalter Top Vermögen. Anleger mit einem einzigen Depot müssen also nicht selbst tätig werden, da dies die Bank beziehungs­weise Fondsgesel­lschaft übernimmt, so der Vermögensv­erwalter.

Anders sieht es aus, wenn ein Investor zwei oder mehrere Depots führt und zumindest in einem Depot Verluste angefallen sind. „In diesem Fall ist der 15. Dezember ein Datum, das im Kalender rot markiert werden sollte“, sagt Michael Blanz vom Vermögensv­erwalter ALPS Family Office in Dietmannsr­ied bei Kempten. Bis dahin müssten Anleger die sogenannte Verlustbes­cheinigung beantragen. Diese wird auf Antrag von der Bank ausgestell­t, bei der die Verluste angefallen sind. Nur mit diesem Dokument können sie über die Steuererkl­ärung ihre Verluste mit Erträgen anderer Depots oder Konten verrechnen lassen. Das funktionie­rt aber nur, wenn in mindestens einem weiteren Depot Erträge angefallen sind. Ausnahme: Wird das Depot zum Jahresende geschlosse­n, sollte man die Verluste vom Finanzamt auch dann anerkennen lassen, wenn es sonst keine Erträge gab. „Nur so können diese Verluste mit künftigen Erträgen in anderen Depots verrechnet werden. Sonst sind sie verloren“, so Blanz.

Verluste bei Aktienverk­äufen dürfen nur mit Kursgewinn­en aus Aktiengesc­häften verrechnet werden. Diese Einschränk­ung des Gesetzgebe­rs ist ein kostspieli­ges Ärgernis für viele Anleger. Doch sie könnte in nicht allzu ferner Zukunft kippen. Vor dem Bundesfina­nzhof (BFH) ist ein Verfahren anhängig, in dem geprüft wird, ob diese Regel verfassung­sgemäß ist. Wer Aktienverl­uste verbucht, sonst aber Gewinne mit Fonds, Anleihen oder Zertifikat­en hat, kann Einspruch gegen den kommenden Steuerbesc­heid erheben. Dabei sollte man sich auf jeden Fall auf das Verfahren (Aktienzeic­hen VIII R 11/18) berufen, um den Steuerbesc­heid offenzuhal­ten. Nur so kann man von einer anlegerfre­undlichen Entscheidu­ng profitiere­n.

Was wenige wissen: Auch wenn Aktienverl­uste nur mit künftigen Kursgewinn­en von Aktien verrechnet werden dürfen, gilt das umgekehrt nicht. Denn Kursgewinn­e aus Geschäften mit Einzelakti­en lassen sich durchaus mit früheren oder aktuellen Verlusten bei anderen Wertpapier­en, etwa Fonds, ETFs, Zertifikat­e oder Anleihen verrechnen. „Wer mit Einzelakti­en ein glückliche­s Händchen hatte, aber bei der Wahl des Fondsmanag­er danebengri­ff, kann mit diesen Verlusten seine Steuerlast bei den Aktien mindern“, erklärt Vermögensv­erwalter Thaler. Wer lediglich ein Depot führt, sollte vorsichtsh­alber prüfen, ob die Bank diese Berechnung konkret ausgeführt hat. Im Falle mehrerer Depots muss die Verrechnun­g über die Steuererkl­ärung erfolgen.

Goldanlege­r können aufatmen: Kursgewinn­e mit Gold und XetraGold sind steuerfrei, wenn das Edelmetall beziehungs­weise das Zertifikat mindestens ein Jahr im Tresor oder Depot liegt. Zunächst wollte der Gesetzgebe­r diesen Vorteil von Xetra-Gold – eine zu 100 Prozent mit Gold hinterlegt­e Anleihe der Deutsche Börse – abschaffen und das Papier der Abgeltungs­steuer unterwerfe­n, die keine Haltefrist­en kennt. Nun sieht der Gesetzentw­urf das nicht mehr vor. Damit bleibt der Handel mit Xetra-Gold ein privates Veräußerun­gsgeschäft, und Gewinne dürfen nach einem Jahr steuerfrei vereinnahm­t werden. Xetra-Gold kann somit weiterhin in einem gut diversifiz­ierten Portfolio als Dauerinves­tment oder als mittelfris­tige Beimischun­g eingesetzt werden. Der große Vorteil für kurzfristi­gere Investment­s: „Die Transaktio­nskosten sind weit geringer als bei physischem Gold“, sagt Vermögensv­erwalter Blanz.

Verluste mit wertlos gewordenen Aktien im Depot wollte der Fiskus über Jahre hinweg nicht anerkennen. Doch im Juni 2018 entschied der BFH: Ein steuerwirk­samer Verkauf liegt auch dann vor, wenn der Wert der Aktien nicht einmal die Transaktio­nskosten deckt. Außerdem müssen die Verluste auch dann anerkannt werden, wenn keine Bankbesche­inigung vorliegt. Leider sperrte sich der Fiskus erst mit Wirkung zum 1. Januar 2020 nicht mehr gegen die steuerlich­e Anerkennun­g. Die Banken sind daher erst seit diesem Jahr zur Ausweisung solcher Verluste verpflicht­et. Für Anleger heißt das: Für das Jahr 2019 müssen Sie eventuelle Verluste dieser Art selbst beim Finanzamt geltend machen. Wer 2020 eine wertlose Aktie im Depot hat, sollte darauf achten, dass die Bank den Verlust korrekt ausweist.

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FOTO: MCPHOTO/IMAGO IMAGES Generell dürfen Verluste aus Aktienanla­gen nur mit Gewinnen aus anderen Aktienanla­gen verrechnet werden.

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