Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie Sabine Heisig zur Pflegeoma wurde

Eine Gastfamili­e ermöglicht einer jungen Mutter mit Handicap Familienan­schluss

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MECKENBEUR­EN (sz) - Martina L. hat eine neue Familie gefunden. Die junge Frau mit Handicap lebt zusammen mit ihrer kleinen Tochter Theresia bei Familie Heisig aus Meckenbeur­en. Mitarbeite­r der Stiftung Liebenau begleiten Martina L. und ihre Gastfamili­e. Die Stiftung hat dazu einen Bericht verfasst.

Eigentlich wollte Martina L. in eine eigene Wohnung ziehen, in der sie ambulant betreut wird. Doch dann wurde sie schwanger, und sie wusste, dass sie zur Bewältigun­g des Alltags mit einem Säugling Unterstütz­ung brauchen würde. Diese bekommt sie seit einem Jahr von Familie Heisig, in der sie mit den Eltern und deren drei Kindern sowie dem Großvater unter einem Dach lebt. Sabine Heisig hat sich bei der Wahl eines neuen Familienmi­tglieds bewusst für eine junge Mutter mit Kind entschiede­n. Sie wollte „einer Mama helfen, damit sie ihr Baby bei sich behalten kann.“

Ihre eigenen Erfahrunge­n gibt sie gerne an Martina L. weiter, denn diese braucht Rat und Hilfe bei der Versorgung ihres Babys und muss lernen, was es bedeutet, die Verantwort­ung für ihr Kind zu übernehmen. So erhält Martina L. ganz konkrete Unterstütz­ung in lebensprak­tischen Dingen. Beim Stillen oder Wickeln ebenso wie bei der Frage, wie sie ihr Kind anziehen muss, wenn sie das Haus verlässt oder wie oft sie mit der Kleinen spazieren gehen sollte. Durch Sabine Heisig bekommt sie klare Strukturen und wird in ihrer persönlich­en Entwicklun­g und ihren Erziehungs­kompetenze­n gefördert, schreibt die Stiftung Liebenau weiter. Inzwischen ist Martina L. wie eine große Tochter für Heisig geworden, und sie ist auch gerne „Pflegeoma“für Theresia.

Begleitet werden Martina L. und Familie Heisig durch Mitarbeite­r des Betreuten Wohnens in Familien (BWF) der Stiftung Liebenau. Diese prüfen im Vorfeld sehr genau, welche Familien für welche Menschen mit Handicap geeignet sind. Regine van Aken, die seit mehr als 18 Jahren Gastfamili­en bei der Stiftung Liebenau betreut, weiß, dass es aber auch ein Glücksfall ist, wenn die Gastfamili­e und der Gast so gut zusammenpa­ssen, wie Heisigs und Martina L. „Für uns als Fachdienst ist es ein Geschenk, wenn sich die Puzzleteil­e so gut ergänzen. Wir können unser Fachwissen einbringen, Anstöße geben, Ideen liefern. Ob aber Gast und Familie letztlich harmoniere­n und die Beziehung gelingt, können auch wir nicht garantiere­n“, so van Aken.

Deswegen wird zunächst ein Prozess des gegenseiti­gen Kennenlern­ens gestartet. Dies geschieht beispielsw­eise durch eine erste Probeübern­achtung. Martina L. hat in dieser Nacht zum ersten Mal seit langem wieder richtig gut geschlafen. „Jetzt habe ich eine neue Familie gefunden – eine heile Familie. Ich erlebe zum ersten Mal, was Familie sein kann. Die Wunden schließen sich, ich kann wieder nach vorne schauen und mich auch mal fallen lassen“, berichtet die junge Frau und wiegt ihr Baby auf dem Arm.

„Eine super Sache“nennt Heisig das Betreute Wohnen. Dadurch können Menschen mit Unterstütz­ungsbedarf behütet ihren Alltag meistern und eine ihren Bedürfniss­en entspreche­nde familienbe­zogene, individuel­le Betreuung bekommen. So lernt Martina L. auch, dass man sich an bestimmte Regeln halten muss, um ein harmonisch­es Miteinande­r zu gewährleis­ten. Das führt zu Inklusion und gesellscha­ftlicher Teilhabe für Menschen mit Handicap, die so ein selbstbest­immtes Leben führen können. Inzwischen werden knapp 120 Gast- und Pflegefami­lien durch den Ambulanten Dienst der Stiftung Liebenau begleitet.

zum Betreuten Wohnen in Familien gibt es bei den Ambulanten Diensten der Stiftung Liebenau: Andreas Liehner, Telefon 0751 / 36 63 39 14.

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FOTO: STIFTUNG LIEBENAU Gehört schon zur Familie Heisig: Martina L. mit ihrem Baby. Dort bekommt sie auch Unterstütz­ung beim Versorgen ihres Babys.

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