Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Anbindehaltung: Peta zeigt 25 Landwirte an
Longinus Lang zeigt auf seinem Hof wie diese Art der Stallhaltung funktionieren kann
RAVENSBURG - Die Tierschutzorganisation Peta hat kürzlich 25 landwirtschaftliche Betriebe angezeigt. Der Vorwurf: Anbindehaltung. Im Stall können sich die Kühe nicht frei bewegen, sondern sind mit einem Riemen oder einer Kette angebunden. Peta spricht von einer tierquälerischen Praxis. Auch bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg ist eine Anzeige eingegangen, bestätigt Pressestaatsanwältin Christine Weiss. Der betroffene Betrieb befindet sich im östlichen Teil des Landkreises Ravensburg.
Im Anbindestall haben die Kühe nur die Wahl: Stehen oder Liegen, immer am selben Platz. Das wirft Peta den Besitzern solcher Ställe vor. Der Bewegungsmangel führe zu körperlichen Schäden und zu psychischen Belastungen. Immer an einer Stelle fixiert, könnten die Herdentiere keinen Kontakt zu ihren Artgenossen aufnehmen. Die Tierschützer berufen sich bei dieser Einschätzung auch auf die Bundestierärztekammer: Sie hatte bereits 2015 gefordert, die Anbindehaltung grundsätzlich zu verbieten. Diese Haltungsform sei nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht mehr zeitgemäß. Damit haben sich die Tierärzte jedoch nicht durchsetzen können.
Tatsächlich ist die Anbindehaltung nach wie vor erlaubt, bestätigt Albrecht Siegel. Der Leiter des Landwirtschaftsamtes schätzt, dass es im Landkreis Ravensburg rund 1500 landwirtschaftliche Betriebe gibt, die Milchvieh halten. Mindestens zwei Drittel dieser Betriebe hätten sogenannte Laufställe, in denen die Kühe sich frei bewegen können. In maximal 300 bis 400 Betrieben im Landkreis würden die Kühe noch in Anbindeställen gehalten. Etwa die Hälfte dieser Betriebe mit Anbindeställen lässt ihre Tiere im Sommer auf die Weide, berichtet der Amtsleiter. Bei der anderen Hälfte stehen die Tiere das ganze Jahr über im Stall.
Wenn die Anbindehaltung also nicht verboten ist, mit welcher Begründung klagt Peta dann dagegen? Die Tierschützer berufen sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stade von 2012. In dem Urteil geht es darum, dass ein Landwirt seinen angebundenen Kühen mindestens im Sommer Weidegang oder Zugang zu einem Laufhof gewähren soll. Das Gericht kommt zu der Einschätzung: „Die Anbindehaltung steht der verhaltensgerechten Unterbringung von Milchkühen entgegen.“Dabei verweisen die Richter auf eine Tierschutzleitlinie aus Niedersachsen. Dort heißt es: „Eine dauerhafte Anbindehaltung schränkt die wesentlichen arteigenen Verhaltensweisen (insbesondere das Bewegungs-, Sozialund Komfortverhalten) der Rinder erheblich ein.“
Das Fazit des Verwaltungsgerichts: Die Anbindehaltung verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Denn darin heißt es im Abschnitt über die Tierhaltung: „Wer ein Tier hält, … muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.”
Der Leiter des Landwirtschaftsamts Ravensburg will die Anbindeställe nicht ganz verteufeln, auch wenn er sie „nicht mehr ganz zeitgemäß“findet. „Man kann auch im Anbindestall anständig mit den Tieren umgehen“, sagt Siegel. Als Beispiel nennt er den Betrieb von Longinus Lang in Berg-Kleintobel. Der 61-jährige Landwirt hält 37 Milchkühe der Rasse Fleckvieh. Wenn er in seinen hellen und gut durchlüfteten Stall kommt, recken ihm die Tiere die Köpfe entgegen.
Die Kühe tragen einen Riemen um den Hals, der mit einem zweiten Riemen ähnlich einer Hundeleine an einer Absperrung befestigt ist. Sie stehen auf einer sauberen weichen Matte, auf der sie sich auch hinlegen können. Für den Landwirt bedeutet der Anbindestall mehr Arbeitsaufwand: In einem modernen Laufstall mit Melkstand oder Melkroboter hätte er es leichter, sagt Lang. In seinem eigenen Stall muss er zum Melken zu jeder Kuh hinlaufen und dreimal in die Hocke gehen: einmal, um das Euter zu säubern, zweimal, um das Melkzeug anzulegen und wieder abzunehmen.
Zehn seiner Tiere sind bereits älter als neun Jahre, berichtet Lang stolz. Normalerweise würden Milchkühe nur fünf oder fünfeinhalb Jahre alt. Der Landwirt wertet die ausdauernde Leistungsfähigkeit seiner Tiere als Zeichen, dass es ihnen gut geht: „Sie sind alle gesund und munter.“Von Mai bis Oktober dürfen die Kühe tagsüber auf die Weide. Dafür müssen sie keine öffentlichen Straßen überqueren – ihre Grünflächen liegen alle rund um den Hof. „Die Weide tut ihnen gut“, sagt Lang. „Das halbe Jahr Winterzeit im Stall beeinträchtigt die Tiere und ihre Milchleistung nicht.“
Dass Lang ein gutes Verhältnis zu seinen Tieren hat, sieht man ihm an, und seinen Kühen auch. Dass er „leidenschaftlich Landwirt“ist, glaubt man ihm sofort. Sorgen macht dem 61-Jährigen der Gedanke an den Ruhestand. Ob er es aushalten wird, wenn der Stall ganz leer ist? Seine Kinder haben andere Berufe, keines will die Landwirtschaft übernehmen. Dass der Hof in Kleintobel nicht weitergeführt wird, liegt im Trend. Innerhalb von zehn Jahren haben 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe aufgehört, berichtet Amtsleiter Siegel. Die verbliebenen sind gewachsen. Mit dem Strukturwandel geht automatisch die Zahl der Anbindehaltungen zurück. Neu gebaut werden nur noch Laufställe. Die lohnen sich aber nur für große Kuhzahlen.
Da sieht Siegel einen Widerspruch in den Wünschen der Verbraucher: „Einerseits wollen die Leute, dass die Kühe in kleinen Beständen leben“, sagt er. Aber andererseits sei ihnen das Tierwohl wichtig – und das könne in größeren Beständen mit Laufställen besser gewährleistet werden. Dass es den Tieren gut geht, ist auch im Interesse der Landwirte: „Die Kuh gibt nur viel Milch, wenn sie sich wohlfühlt“, sagt Amtsleiter Siegel. „Ohne Tierwohl keine Leistung.“
Im Landkreis soll demnächst eine neue „Tierwohl-Initiative“starten, berichtet der Leiter des Veterinäramts Robert Gayer. Der Kreistag werde voraussichtlich bis zum Jahresende darüber entscheiden. Geplant sei, eine halbe Stelle dafür einzurichten. Der künftige Inhaber der Stelle soll eng mit den landwirtschaftlichen Beratungsdiensten und dem landwirtschaftlichen Zentrum Aulendorf zusammenarbeiten. Dafür gebe es Förderung vom Land.
Ganz oben auf der Agenda der Tierwohl-Initiative steht die Anbindehaltung, kündigt Gayer an. Vor allem die ganzjährige Anbindehaltung „sollte man möglichst zum Ende bringen“. Wenn kein Weidegang möglich sei, könne man den Tieren wenigstens einen Auslauf im Hof anbieten. Oder die Tierdichte im Stall reduzieren, sodass das einzelne Tier mehr Platz hat. Da müssten jeweils individuelle Lösungen gefunden werden. „Wir setzen auf Freiwilligkeit
und Beratung“, ergänzt sein Kollege Siegel vom Landwirtschaftsamt.
Zurück zur Anzeige von Peta. Könnte es tatsächlich zu einer Verurteilung des betroffenen Landwirts kommen? Dazu kann Amtsleiter Siegel nichts sagen. Er weiß nicht, um welchen Betrieb es sich handelt. Dass es auch unter den Landwirten schwarze Schafe gibt, will Siegel gar nicht bestreiten. Es gebe durchaus Ställe, in denen die Tiere schlecht gepflegt seien, keine trockenen Lagerplätze hätten oder nicht ordentlich gefüttert würden. Ob das in diesem Fall zutrifft, ist noch nicht bekannt.
Der Tierschutzorganisation Peta geht es offenbar nicht nur um einzelne Ställe. Sie fordert das komplette Verbot der Anbindehaltung und noch weit mehr: „Wir wollen gegen die gesamte landwirtschaftliche Tierhaltung angehen“, sagt PetaPressesprecherin Valeria Goller. „Peta steht für den veganen Lebensstil.“
Peta Deutschland ist nach eigenen Angaben mit mehr als 1,5 Millionen Unterstützern die größte Tierrechtsorganisation des Landes und setzt sich dafür ein, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen.
Geduld ist der schönste, wertvollste Teil der Stärke und auch der seltenste. Geduld ist die Wurzel aller Vergnügungen, wie auch aller Macht. Selbst die Hoffnung hört auf zu beglücken, wenn die Ungeduld sie begleitet. (John Ruskin, 1809 – 1900, brit Schriftsteller, Sozialphilosoph)
Ich glaube, dass die Ungeduld, mit der man seinem Ziele zueilt, die Klippe ist, an der oft gerade die besten Menschen scheitern. (Friedrich Hölderlin 1770 – 1843, Dichter)
Die Ungeduld des Alters ist etwas, das die Jugend nicht versteht. (Ferdinando Galiani, 1728 – 1787, ital. Diplomat und Schriftsteller) Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld (Röm 8,25) Mechthild, Elisabeth