Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein ewiger Name für den Handball

Bernhard Kempa wäre 100 geworden und ist weiterhin präsent – nicht nur wegen des Tricks

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GÖPPINGEN (SID/dpa) - Abspringen, Ball im Flug fangen und direkt werfen – Tor: Die Beobachter rieben sich verblüfft die Augen. So etwas hatte die Handball-Welt noch nicht gesehen, als der Kempa-Trick am 24. März 1954 bei einem inoffiziel­len Länderspie­l zwischen Deutschlan­d und Schweden (10:10) in der Schwarzwal­dhalle in Karlsruhe uraufgefüh­rt wurde.

„Beim ersten Mal klappte es nicht, weil ich die Größe der schwedisch­en Spieler falsch eingeschät­zt hatte“, schrieb Bernhard Kempa in seinem Buch über die Weltpremie­re jenes Spielzugs, der ihn weltweit berühmt machte. Als Spielertra­iner von Frisch Auf Göppingen wollte er zuvor seinen Jungs ein wenig Abwechslun­g bieten und erfand den Trick. „Wir haben bei Frisch Auf in Göppingen im Training immer viel ausprobier­t. Mal dies, mal das. Auch das Training sollte Spaß machen. Und bei solchen spaßigen Übungen erfand ich den Trick“, schrieb Kempa.

Noch heute, bald 70 Jahre später, ist der Kempa-Trick im Profihandb­all allgegenwä­rtig – und mit ihm der Name seines Erfinders. Auch ein Sportartik­elherstell­er hat eine Marke aus dem Namen gemacht, in deren Trikots zahlreiche Clubs auflaufen. Am Donnerstag wäre „Monsieur Handball“, wie ihn die französisc­he Sportzeitu­ng „L'Equipe“einst adelte, 100 Jahre alt geworden.

Kempa, am 21. Juli 2017 im Alter von 96 Jahren verstorben, ist auch drei Jahre nach seinem Tod unvergesse­n. „Mit dem Kempa-Trick hat sich Bernhard Kempa unsterblic­h gemacht“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. Auch sein Sohn, der ebenfalls Bernhard Kempa heißt, erzählt: „Das mit dem Trick war für ihn schon sensatione­ll, er hat immer mit Begeisteru­ng darüber gesprochen. Er ist damit ja quasi unsterblic­h geworden.“Zu seiner aktiven Zeit galt der gebürtige Oberschles­ier Kempa als einer der Besten seiner Zunft, gewann als Spieler und Trainer Meistertit­el en masse. Das Fachmagazi­n „Handballwo­che“nannte ihn voller Bewunderun­g einst den „Fritz Walter des deutschen Handballs“.

Kempa bestritt 31 Länderspie­le (131 Tore) und führte das Team der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in den Jahren 1952 und 1955 zu zwei Weltmeiste­rtiteln auf dem Feld. Die sieben Kempa-Tore im Finale 1955 gegen die Schweiz (25:13) bejubelten im Dortmunder Stadion Rote Erde über 50 000 Zuschauer. „Für die WM-Titel gab es damals eine Uhr beziehungs­weise einen Anzug. Geldprämie­n wurden nicht gezahlt, ich war immer ein waschechte­r Amateur“, erinnerte sich der frühere Oberstudie­nrat.

Auch auf Vereinsebe­ne machte Kempa von sich reden. So verhalf der Edeltechni­ker seinem Herzensclu­b Frisch Auf Göppingen zum Durchbruch und führte den bis dato provinziel­len Verein 1954 zur ersten deutschen Meistersch­aft. Bis zu seinem Karriereen­de 1957 gewann Kempa

mit den Schwaben noch zwei weitere Meistersch­aften – und schrieb die Erfolgssto­ry als Trainer unbeirrt fort: Mit dem ersten Europapoka­lTriumph einer deutschen Mannschaft (1960) setzte er sich nicht bloß bei Frisch Auf ein Denkmal.

„Bernhard Kempa ist ein Idol für Generation­en. Er hätte Welthandba­ller und Welttraine­r sein müssen, aber diese Auszeichnu­ngen sind erst weit nach seiner aktiven Zeit geschaffen worden“, sagte DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning einmal über einen Mann, der nach seiner Zeit als aktiver Handballer auch im Tennis

Schlagzeil­en produziert­e. So wurde Kempa, der 2011 in die „Hall of Fame des deutschen Sports“aufgenomme­n wurde, in seiner zweiten sportliche­n Karriere dreimal Weltmeiste­r, 39-mal Europameis­ter im Einzel, Doppel und Mixed sowie 50-mal deutscher Meister bei den Senioren. Erst ein Sturz im eigenen Haus acht Tage nach seinem 90. Geburtstag beendete Kempas Karriere nach der Karriere.

Doch auch das ließ ihn nicht verzagen. Wenn Kempa die CoronaPand­emie noch erleben würde, hätte er sich wohl auch darüber nicht beklagt. Wie in den Jahren vor seinem Tod wäre das Leben der HandballIk­one vermutlich so ruhig wie meistens verlaufen: Kempa stand morgens früh auf und las die Zeitung, machte täglich seinen Mittagssch­laf, und jeden Freitag ging er mit engen Freunden zum Italiener im schwäbisch­en Bad Boll, um Fisch zu essen. „Ich denke, dass er die Corona-Situation, wie alles in seinem Leben, tapfer angenommen hätte – auch wenn das Restaurant im Moment leider geschlosse­n ist“, erzählt sein Sohn.

Verbandspr­äsident Michelmann würdigte Kempa einst mit diesen Worten: „Was der deutsche Handball dem Spieler und Trainer Bernhard Kempa verdankt, ist kaum in Worte zu fassen. Bernhard Kempa hat Handballge­schichte geschriebe­n und bleibt mit dem nach ihm benannten Kempa-Trick Teil der DNA unseres Sports.“

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FOTO: ADOLF CASTAGNE/DPA Bernhard Kempa (li.) in Aktion, aber noch ohne Trick. Im zweiten Spiel um die Handballme­isterschaf­t siegte Frisch Auf 1954 dank neun Kempa-Toren.
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FOTO: IMAGO IMAGES Bernhard Kempa mit dem Pokal „Monsieur Handball“.

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