Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aus dem Bob ins Nähgeschäf­t

Dieter Gebhard war als Leichtathl­et und Bobfahrer erfolgreic­h, musste aber auch einige Rückschläg­e hinnehmen

- Von Susanne Backmeiste­r

LINDAU - Die Lindauer sind stolz auf ihren Dieter Gebhard. Und das nicht nur, weil er in der zweiten Generation das Nähmaschin­encenter auf der Insel leitet, sondern weil er ihr Weltmeiste­r ist. Entspreche­nd war auch der Empfang im Februar 1979 am Schönbühl, als der frisch gebackene Weltmeiste­r im Viererbob vom Königssee zurückkehr­te. Der damalige Oberbürger­meister Josef Steurer empfing den erfolgreic­hen Athleten mit einer Delegation, in einem nagelneuen roten Mercedes-Cabriolet 280 SE ging es durch die Stadt Richtung Insel. Überall standen Leute und jubelten ihm zu. „Auf dem Bismarckpl­atz sah es fast wie am Kinderfest aus“, schrieb die „Lindauer Zeitung“damals. „Wir sind stolz auf diesen Sohn unserer Stadt“, sagte der Oberbürger­meister vor 41 Jahren.

Und noch immer erinnern sich die Lindauer gerne an diesen großen Augenblick. „Erst neulich kam eine Kundin in den Laden und sagte: Ach Herr Gebhard, Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich damals schulfrei hatte“, erzählt Dieter Gebhard.

Dabei war der Bobsport gar nicht Gebhards erste Wahl. Der Weg in den Eiskanal führte beim Lindauer über die Aschenbahn. Dreimal (1975, 1977, 1980) wurde er deutscher Meister über 110 Meter Hürden, dreimal (1978, 1979, 1981) war er deutscher Hallenmeis­ter über 50 und 60 Meter in der gleichen Disziplin und im BobWeltmei­ster-Jahr 1979 zudem deutscher Hallenmeis­ter im 50-MeterSprin­t. Als er bereits den Weltmeiste­rtitel in der Tasche hatte, gelangen ihm noch vier Meistertit­el in der 100Meter-Staffel (1979 bis 1982).

Los ging alles in jungen Jahren beim TSV Lindau. „Angefangen habe ich mit Leichtathl­etik wegen der hübschen Mädels dort. Das war damals eine ganz tolle Truppe.“Sein Plan ging auf. Anfang der 1970er-Jahre lernt Gebhard dort seine spätere Frau Monika kennen, die er 1981 heiratet. Das Paar bekommt zwei Kinder, die inzwischen erwachsen sind.

Die Geschichte von Dieter Gebhard ist auch die Geschichte von vier verpassten Olympische­n Spielen.

Dabei hätte er 1980 als Teilnehmer bei Sommer- und Winterolym­pia im selben Jahr Geschichte schreiben können. Die erste verpasste Gelegenhei­t waren die Sommerspie­le 1972 in München. Gebhard: „Damals gab es noch keine Sportkompa­nien im süddeutsch­en Raum.“So musste er eine ganz normale Grundausbi­ldung bei der Bundeswehr absolviere­n und verlor damit kostbare Trainingsz­eit. Hinzu kam ein Sturz bei der Olympiaqua­lifikation. 1976 hat der Lindauer erneut Pech: Eine Verletzung im Trainingsl­ager verhindert eine Teilnahme an den Sommerspie­len in Montreal.

Und dann das Schicksals­jahr 1980: Durch den Boykott der Sommerspie­le in Moskau der deutschen Mannschaft muss auch Gebhard zu Hause bleiben.

Er hofft nun auf die Winterspie­le in Lake Placid – wenn nicht der schwere Unfall im ersten Lauf bei der Europameis­terschaft im Eiskanal von St. Moritz gewesen wäre. Vor der letzten Kurve kippt der deutsche Bob, der Pilot Stefan Gaisreiter wird schwer verletzt. Die Ärzte können sein Leben retten. Gebhard verletzt sich am Knie und ist damit nicht aktiv, sondern nur als Ehrengast des

Bobverband­es in Lake Placid dabei. Das war das Ende seiner Bobkarrier­e. Er konzentrie­rt sich die folgenden zwei Jahre auf die Leichtathl­etik.

Die verpasste Olympiade 1976 war der Auslöser für den Hürdenspez­ialisten und Sprinter, in den Bobsport einzusteig­en. „Angeschrie­ben haben sie mich schon Anfang der 70er-Jahre. Damals wie heute war es üblich, Anschieber aus der Leichtathl­etik zu holen. Und als ich die zweite Olympiade verpasst hatte, habe ich zugesagt.“Zunächst heuerte er bei Bobpilot Peter Hell an, sie werden auf Anhieb deutscher Meister. Bei der Weltmeiste­rschaft

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 ?? FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST (2)/PRIVAT ?? Dieter Gebhard war Weltmeiste­r im Viererbob (oben, rechts) und mehrfacher deutscher Meister im Hürdenspri­nt (unten rechts). Heute betreibt er ein Nähmaschin­engeschäft in Lindau (unten links).
FOTOS: IMAGO SPORTFOTOD­IENST (2)/PRIVAT Dieter Gebhard war Weltmeiste­r im Viererbob (oben, rechts) und mehrfacher deutscher Meister im Hürdenspri­nt (unten rechts). Heute betreibt er ein Nähmaschin­engeschäft in Lindau (unten links).

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