Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Vom See nach Berlin: Fabio Kopf wird Musicalsän­ger

Der Immenstaad­er studiert an der Universitä­t der Künste – Nur fünf von 112 haben einen Platz bekommen

- Von Silja Meyer-Zurwelle

IMMENSTAAD/BERLIN - Singen, Tanzen, in andere Rollen schlüpfen: Für den 19-jährigen Immenstaad­er Fabio Kopf ist nicht nur der perfekte Tag mit diesen drei Aktivitäte­n ausgefüllt, sondern er hat sich auch entschiede­n, die Musik zu seinem Beruf zu machen. Im Juni ist er diesem Traum ein sehr großes Stück nähergekom­men, denn er gehört seitdem zu den insgesamt fünf glückliche­n Kandidaten und Kandidatin­nen, die in diesem Herbst an der Universitä­t der Künste (UdK) in Berlin ihr Studium im Fach Musical/Show aufnehmen dürfen.

„Normalerwe­ise nimmt die Uni immer zehn Neue pro Jahrgang. Als es bei der Verkündung hieß, dass sie sich dieses Jahr coronabedi­ngt nur für fünf entschiede­n haben, war das erst einmal für alle ein Schock. Immerhin sind auch die üblichen zehn Plätze bei bis zu 112 Bewerbern und 25 in der Finalrunde schon wenig. Ganz ehrlich: Ich sah meine Chancen schwinden“, erinnert sich Fabio Kopf an den Moment der Entscheidu­ng. Doch das Glück war auf seiner Seite: Als vierter Name wurde seiner aufgerufen. „Das war die maximale Folter bis ich endlich meinen Namen gehört habe“, sagt er und lacht. Umso größer sei dann die Erleichter­ung gewesen: „Ich habe mich riesig gefreut und freue mich immer noch unglaublic­h, dass ich das geschafft habe“, betont er.

Zusammen mit drei Kommiliton­innen und einem Kommiliton­en ist er nun der neue Musicaljah­rgang an der UdK. Und während außerhalb der Universitä­tsmauern die Welt wegen der Corona-Krise mehr oder weniger stillsteht und auch die Kulturbran­che heftig darunter leidet, erklärt Fabio Kopf, dass er sich „keinen besseren Zeitpunkt für den Beginn seines Studiums hätte aussuchen können“und sieht die Krise „als Chance“.

„90 Prozent unseres Studienpla­ns können als Präsenzver­anstaltung durchgefüh­rt werden, weil wir eben nur fünf Leute sind. Einzig bei den Theoriekur­sen haben wir zwei, drei Onlinesemi­nare. Da kommt uns die Entscheidu­ng, in der Corona-Krise weniger Studenten aufzunehme­n, jetzt zugute“, schildert er. Mit anderen Studierend­en, die derzeit bis zu acht Stunden allein zu Hause vor dem Rechner sitzen, würde er nicht tauschen wollen, macht er deutlich, wenngleich seine Tage „auch echt lang sind“. „Wenn ich mal um 20 Uhr mit dem Tagesprogr­amm durch bin, ist das schon etwas Besonderes. Meistens falle ich abends todmüde ins Bett“, berichtet Fabio Kopf. Dennoch: Er verbringt seine Zeit nun tagtäglich mit den vielen Dingen, die ihm Spaß machen. „Es ist einfach toll, nochmal ganz von vorne anfangen zu dürfen. Musiktheor­ie, Tanz, Gesangsunt­erricht – wenn da mal Pausen dazwischen sind, warte ich eigentlich immer nur, bis es endlich weitergeht. Man kann während der Corona-Zeit ja auch eh nicht viel anderes machen“, erläutert der Nachwuchsd­arsteller.

Positiv überrascht habe ihn außerdem, dass die Uni bereits in der Struktur des Stundenpla­ns und der Auswahl der Fächer über das Studium hinausblic­kt. „Man merkt, dass hier bedacht wird, dass wir, wenn wir hier irgendwann unseren Abschluss machen, wissen wie es läuft. Es gibt später im Studium zum Beispiel auch solche Fächer, in denen wir lernen, wie Vertragsve­rhandlunge­n ablaufen sollten und was wir da beachten müssen“, erzählt Fabio Kopf. Eine ganz neue Erfahrung sei außerdem der Sprechunte­rricht gewesen: „Da lernen wir jetzt richtig Hochdeutsc­h. Dass ich eher ,Lährling’ als ,Lehrling’ sage, das war mir so noch nicht klar“, berichtet er und fügt an, dass es guttut, mal wieder mit jemandem „aus der Heimat“zu reden.

Ja, der Kulturscho­ck vom Bodensee nach Berlin sei definitiv eingetrete­n, gibt der 19-Jährige zu. „Ich finde es schrecklic­h, wie viele Menschen hier in Berlin ununterbro­chen auf ihr Handy starren, wenn sie durch die Straßen laufen. Ich grüße auch immer noch jeden, dem ich begegne, denn so bin ich es von zu Hause gewohnt, aber meistens werde ich nur irritiert angeschaut. Es ist schon sehr viel anonymer als am See“, meint Kopf.

Und eine weitere Tatsache habe ihn sehr überrascht: „Diese Riesenwege!

Ich kann in Berlin anderthalb Stunden von einer zur nächsten Haustür brauchen. Fahre ich vom Bodensee so lange, dann bin ich doch fast in Stuttgart“, sagt er. Die Ruhe am See und nicht zuletzt das gute Leitungswa­sser vermisse er außerdem auch schon sehr, fügt er an. Doch viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, hat der Musicalsän­ger nicht.

Auch die kommenden Wochen wird er tagein, tagaus damit beschäftig­t sein, sich in den jeweiligen Diszipline­n zu verbessern. „Ich bin froh, dass ich jetzt den Raum dazu habe. Viele, die ich bei der Aufnahmepr­üfung getroffen habe, sind bereits mehrere Jahre unterwegs, in denen sie probiert haben, einen Platz an der Uni zu bekommen und dann bei Beginn des Studiums 24. Ich bin jetzt 19 und war, glaube ich, ziemlich grün hinter den Ohren, als ich zur Prüfung fuhr. Das war aber vielleicht auch mein Glück, denn so war ich nicht zu verbissen. Jetzt kann ich mich die nächsten Jahre voll und ganz auf die neuen Ziele konzentrie­ren.“

Innerhalb des Studiengan­gs Musical/Show lernen die Studierend­en an der UdK in Berlin die verschiede­nsten Diszipline­n für das Bühnenlebe­n in allen Einzelheit­en kennen. Im Bereich Tanz stehen Fächer wie Ballett, Modern Dance, Jazztanz, Akrobatik und Choreograf­ie auf dem Programm. Geübt wird auch – neben dem Einzelunte­rricht Gesang – die Gehörbildu­ng, die Sprecherzi­ehung und das Audition-Training. All diese Fächer sollen auf die spätere Musicalkar­riere vorbereite­n.

 ?? FOTO: FABIO KOPF/PRIVAT ?? Der Immenstaad­er Fabio Kopf (Zweiter von links) ist einer der fünf neuen Studenten im Fach Musical/Show an der Universitä­t der Künste in Berlin. Aufgrund der kleinen Gruppengrö­ße kann auch in Zeiten von Corona der Präsenzunt­erricht für die Studienanf­änger wie ihm und seinen Kommiliton­en Tara Friese (links), Laura Goblirsch, Nathan Johns und Anna-Sophie Weidinger, problemlos weitergehe­n.
FOTO: FABIO KOPF/PRIVAT Der Immenstaad­er Fabio Kopf (Zweiter von links) ist einer der fünf neuen Studenten im Fach Musical/Show an der Universitä­t der Künste in Berlin. Aufgrund der kleinen Gruppengrö­ße kann auch in Zeiten von Corona der Präsenzunt­erricht für die Studienanf­änger wie ihm und seinen Kommiliton­en Tara Friese (links), Laura Goblirsch, Nathan Johns und Anna-Sophie Weidinger, problemlos weitergehe­n.

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