Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kunden-Versteh-Projekt
Friedrichshafener Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems strukturiert sich neu
FRIEDRICHSHAFEN - Der Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) baut seine interne Struktur um und organisiert sich künftig in vier neuen Geschäftsbereichen. Neben Bau und Verkauf von Motoren und Antriebssystemen für Schiffe und Züge gibt es den Bereich für stationäre Energielösungen, der vor allem Systeme für autarke Stromversorgung und Notstromaggregate umfasst, den Bereich nachhaltige Energie und das China-Geschäft, das von Februar an als eigenständige Einheit geführt wird, wie das Unternehmen auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilte.
„Wir wollen vor allem in ein mehr projektorientiertes Arbeiten kommen“, erläutert RRPS-Kommunikationschef Christoph Ringwald. „Jeder Mitarbeiter soll nicht nur seinen eigenen Bereich im Blick haben, sondern ein Stück weit mehr Verantwortung bis hin zum Kunden übernehmen.“Klar sei, dass die Änderungen vor allem die den Kunden zugewandten Abteilungen betreffen. Für die Bereiche IT, Personal oder Recht ändere sich wenig, sie arbeiteten in einer Matrixorganisation allen neuen Geschäftsbereichen zu. Das gleiche gelte mit Abstrichen für die Entwicklung und die Produktionseinheiten.
„Das Projekt ist kein Sparprogramm und es ist uns auch nicht von unserer Konzernmutter in England aufgedrückt worden“, sagt Ringwald weiter. Beim angestrebten Wandel vom Motorenbauer zum Lösungsanbieter sei RRPS in den vergangenen Jahren auf technischer Seite sehr weit gekommen. „Wenn wir die neuen Lösungen und Produkte nun aber an den Kunden bringen wollen, stoßen wir gerade an Probleme.“Unter dem Begriff Lösungsanbieter versteht das Unternehmen nach eigenen Angaben das Ziel, nicht nur große Gas- und Dieselmotoren zu verkaufen, sondern mit den Aggreaten auch zugehörige Komponenten und das Knowhow,
wie die Gesamtanlagen kundenspezifisch bestmöglich eingesetzt werden. Im Bereich Schifffahrt sind das Systeme und Getriebe, wie die Motoren von der Kommandobrücke angesteuert werden, im Bereich stationäre Energie Systeme, die die Notstromaggregate im Falle eines Stromausfalls auch wirklich anspringen lassen, um Computerfarmen oder Krankenhäuser umgehend weiter mit Energie zu versorgen.
RRPS hat nach eigenen Angaben den Anspruch, bei der Umstrukturierung alle vertraglichen Zusagen gegenüber Betriebsrat und Arbeitnehmern einzuhalten. „Wir sind uns bewusst, dass diese Veränderungen mitbestimmungspflichtig sind“, erklärt Ringwald. „Wir befinden uns auch schon in Gesprächen mit den entsprechenden Gremien.“Bis Weihnachten wolle RRPS mit allen betroffenen Mitarbeitern gesprochen haben, zum 1. Februar 2021 soll die neue Struktur greifen. „Wir haben uns die Zielmarke gesetzt und sind optimistisch, dass wir sie erreichen können.“
Der Betriebsrat von RRPS will sich noch nicht abschließend zu dem Projekt äußern. „Im Kern ist die Idee des
Vorstands nicht verkehrt. Ich kann aber noch nichts dazu sagen, weil ich noch nicht in aller Tiefe informiert bin“, erklärt RRPS-Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Vorbehalte hat der Arbeitnehmervertreter allerdings beim Zeitplan. Wenn die Umstrukturierung sehr viele der mehr als 10 000 Mitarbeiter betrifft, „ist das in der Geschwindigkeit mit uns nicht zu machen“.
2019 erwirtschaftete RRPS einen operativen Gewinn von 407 Millionen Euro bei einem Umsatz von 4,04 Milliarden Euro. Das Geschäft mit der stationären Energieerzeugung kam auf einen Umsatzanteil von 35 Prozent und war damit erstmals stärker als das Geschäft mit Motoren für Schiffe und Züge. Diese Anteile sind allerdings nicht mit den Umsätzen der neuen Geschäftsbereiche vergleichbar, weil RRPS künftig das China-Geschäft extra ausweisen will. Für Dezember hat das Unternehmen angekündigt, einen Ausblick auf die Zahlen für 2020 zu geben – sie werden sich aufgrund der Corona-Pandemie fundamental von den guten Zahlen des Vorjahres unterscheiden.