Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Alte, sich kloppende Männer, das muss nicht mehr sein!
Wenn wir das alles richtig verstanden haben, war das ein Legendenkampf. Wenn wir das alles richtig verstanden haben, gab es sogar einen Sieger: Mike Tyson soll das Gros seiner Börse für Bildungsprojekte spenden wollen. Das ist nobel. Aber ist das Sport? Das ist Sport. Sport ist auch, wenn der Schreiber dieser Zeilen (selten genug) seinen inneren Schweinehund mit aufs Fahrradergometer nimmt. Nur: Darum macht – zum Glück! – keine PR-Maschine einen Hype. Die Herren Tyson und Jones Jr. haben es in ihren besten Zeiten zu Weltmeistermeriten im Schwergewicht gebracht, damals wäre ihr Duell ein Gassenhauer gewesen für die Freunde des mehr oder minder gepflegten Faustkampfs. Es kam nie zustande.
Zwei Dekaden zu spät standen sich zwei (zugegeben: ranke) Best Ager gegenüber, beharkten sich zwischen diversem Klammern mit dickeren Zwölf-Unzen-Handschuhen und klarer Vorgabe. „Wir sind erfahrene Kämpfer. Wir wissen, wie wir auf uns aufpassen“, hatte Mike Tyson schon vorab Befürchtungen befeuert. „Vertraut mir!“Tat zumindest Mr. Jones, der einmal als der weltweit schnellste Boxer gegolten hat. Lange her. Zum fragwürdigen Unentschieden reichte es auch langsamer: Wird schon nichts passieren! Für 49,99 Dollar übrigens per Pay-per-View-Aufruf. Zweck gut, Show weniger. Wer’s mag ...
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Seien wir an dieser Stelle direkt einmal ehrlich: Boxen ist schon seit Jahrzehnten vor allem eines – eine große Show. Natürlich interessiert am Ende, ob sich die Kontrahenten im Ring auch beweisen und ihren großen Worten Taten folgen lassen, doch sind die paar Runden zwischen den Seilen oder manchmal auch nur Sekunden (man denke an einige Auftritte der Klitschko-Brüder) nur der finale Schlussakt des Stückes. Beinahe noch wichtiger ist die Hinführung zum Kampf, das Aufbauen einer Rivalität, das Austauschen von verbalen Scharmützeln und ähnlichem. Man muss an dieser Stelle gar nicht vom Filmklassiker Rocky und dem Kampf der politischen Systeme anfangen, doch spätestens an diesem Punkte etablierte sich als öffentliche Erwartung das, was Muhammad Ali Jahre zuvor perfektionierte. Ali bewegte die Massen (und schuf damit einen Werbewert), dem heutzutage immer nachgeeifert wird. Jeder Boxer möchte „the Greatest“sein oder sich wenigstens so gebärden, und wir Zuschauer freuen uns auf die Kämpfe oder auch einfach darauf, dass die Großmäuler selbige gestopft bekommen. Solange die Menschen weltweit Interesse zeigen und einschalten, ist der Zweck erfüllt, also lasst sie kämpfen – solange sie sich nicht selber gefährden. Denn im Boxen gilt es noch mehr als in anderen Sportarten: the show must go on.
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Friedrich weiter auf schnellen Kufen: Mit allen Rekorden und allen vier bislang in dieser Saison möglichen Weltcup-Siegen in der Tasche ist Bobpilot Francesco Friedrich aus dem lettischen Sigulda abgereist. Nach dem Startrekord in der Vorwoche verbesserte er den Bahnrekord gleich dreimal. Einen Tag nach dem Dreifach-Erfolg der Frauen gewann der Zweierbob-Rekordweltmeister vom BSC Sachsen Oberbärenburg auch das vierte Rennen in Serie. In 49,19 Sekunden egalisierte er mit Anschieber Alexander Schüller seinen gerade erst am Samstag – bei seinem dritten Sieg – mit Thorsten Margis aufgestellten Bahnrekord. Im Finallauf fuhr er am Sonntag exakt noch einmal diese Zeit und verwies die Schweizer Michael Vogt/Sandro Michel mit 0,44 Sekunden Vorsprung auf Rang zwei. „Die Letten haben die Bahn von Tag zu Tag schneller gemacht. Und wir kamen mit jedem Rennen besser zurecht“, sagte Friedrich. Johannes Lochner/ Christian Rasp kamen auf Platz drei. Zuvor hatten schon die Frauen überzeugt. Die deutsche Meisterin Laura Nolte (Winterberg) mit Anschieberin Leonie Fiebig setzte sich vor Olympiasiegerin Mariama Jamanka (Oberhof) mit Vanessa Mark und Vizeweltmeisterin Kim Kalicki (Wiesbaden) mit AnnChristin Strack durch. Jamanka und Kalicki belegten dabei zeitgleich Rang zwei.
„Viel Hype – zwei Dekaden zu spät.“Von Joachim Lindinger
„Boxen ist seit Jahrzehnten vor allem Show.“Von Felix Alex