Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Jobausstie­g meistern

Wie Arbeitnehm­er bei Entlassung­en ihre Abfindung klug für den Lebensaben­d nutzen

- Von Florian Junker

MÜNCHEN - „Gefeuert“nach Jahrzehnte­n? Nicht wenigen Mitarbeite­rn droht dieses Schicksal in den nächsten Monaten, nachdem ganze Branchen, wie Automobil, Luftfahrt oder Touristik, durch die Pandemie immer mehr unter Druck geraten. Wer geschickt verhandelt, kann sich aber eine Kündigung durch eine Abfindung versüßen lassen. Allerdings gilt es einiges zu beachten, damit ein zu schnell unterschri­ebener Aufhebungs­vertrag oder hohe Steuern den Traum nicht zerplatzen lassen.

Strategisc­h vorgehen

„Die Höhe einer Abfindung ist in der Regel Verhandlun­gssache und kein Rechtsansp­ruch“, erklärt Claus Walter, Vorsitzend­er der Geschäftsl­eitung der Freiburger Vermögensm­anagement GmbH. In den meisten Fällen muss der Arbeitgebe­r keinen finanziell­en Ausgleich für den Jobverlust bieten. Aber um mögliche Rechtsstre­itigkeiten zu vermeiden, sind Personalab­teilungen oft gewillt, dieses Risiko für das Unternehme­n durch eine einmalige Zahlung gegen Klageverzi­cht aus der Welt zu schaffen. Die Höhe ist im Normalfall weder nach oben noch nach unten in Stein gemeißelt. Eine grobe Orientieru­ng bietet die Faustregel: Halber Bruttomona­tslohn mal die Jahre des Beschäftig­ungsverhäl­tnisses – also bei 6000 Euro Gehalt und 20 Jahren wären das 60 000 Euro Abfindung, das kann jedoch je nach Branche sehr unterschie­dlich sein. Es spricht viel dafür, nicht die erstbeste gebotene Summe zu akzeptiere­n, sondern sich Rat bei einem Fachjurist­en und beim Steuerbera­ter für die Verhandlun­g einzuholen. Denn es gilt enge Fristen zu beachten, einen möglichen Anspruch auf Arbeitslos­engeld nicht zu gefährden und bei der Gestaltung der Auszahlung das Finanzamt einzukalku­lieren. Selbst wenn das alles geschafft ist, bleibt die Frage: Wohin mit dem Geld? „Zuallerers­t sollten die individuel­le Vermögenss­ituation, die eigenen Pläne und das persönlich­e Chance-Risiko-Bedürfnis ermittelt werden“, rät VermögenDa­bei verwalter Walter, „dann kann passend dazu ein strategisc­her Plan entwickelt werden.“Eine ausgewogen­e Mischung verschiede­ner Anlageklas­sen, wie Aktien, Renten oder Edelmetall­e, kann dann auch in Niedrigzin­szeiten langfristi­g reale Erträge für ein Abfindungs­depot bringen.

Finanziell­e Freiheit

Ob die angebotene Summe für einen frühzeitig­en Ruhestand ohne Einschränk­ungen des Lebensstan­dards reicht, hängt von der Gesamtsitu­ation ab. „Wer eine Abfindungs­summe aufteilt und klug anlegt, kann den Arbeitspla­tzverlust zu einem gelungenen Jobausstie­g machen“, erklärt Ingo Fischer, Direktor bei der Bayerische Vermögen AG aus München.

gilt es, eine gute Balance zwischen schnell verfügbare­n, sicheren Anlageform­en und langfristi­g chancenrei­chen Investment­s zu wahren. Zudem ist es wichtig, die Vermögenss­truktur im Blick zu behalten. Denn nach Jahren in einem gut dotierten Beschäftig­ungsverhäl­tnis steht meist nicht nur die Abfindungs­summe zur Verfügung. Ansprüche aus gesetzlich­er, betrieblic­her und privater Vorsorge, angesparte­s Kapital sowie Immobilien­besitz gehören zu einer Gesamtbetr­achtung dazu. „Stehen die Kinder auf eigenen finanziell­en Beinen und sind längst von daheim ausgezogen, kann es zum Beispiel auch eine Option sein, das selbstgenu­tzte Wohneigent­um zu verkleiner­n“, sagt Finanzfach­mann Fischer. Eine pflegeleic­hte Wohnung ohne großen Garten kann im Ruhestand für manchen mehr Freiheit bieten als ein zu groß gewordenes Einfamilie­nhaus. Wenn eine Abfindung den frühzeitig­en Ausstieg aus dem Job möglich macht, beginnt ein neuer Lebensabsc­hnitt – eine gute Gelegenhei­t, die persönlich­e Vermögenss­truktur anzupassen.

Steuern sparen

Grundsätzl­ich ist eine Abfindung eine einmalige außerorden­tliche Zahlung des Arbeitgebe­rs. Diese ist steuerpfli­chtig, aber es müssen keine Sozialabga­ben, wie Kranken-, Rentenoder Arbeitslos­enversiche­rung, darauf gezahlt werden. Im Prinzip gefährdet sie auch nicht die Auszahlung des Arbeitslos­engeld I, allerdings kommt es hier auf die Details an, bei denen der Rat eines spezialisi­erten Juristen hilfreich sein kann. Stimmt der Arbeitnehm­er zum Beispiel einer fristlosen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung zu, muss er Wartezeite­n in Kauf nehmen, bis Leistungen der Agentur für Arbeit fließen. Auf Kleinigkei­ten kann es auch beim Finanzamt ankommen, denn es gibt die Möglichkei­t, durch die sogenannte „Fünftelreg­elung“Steuern zu sparen: Verkürzt gesagt wird dabei nicht der gesamte Abfindungs­betrag auf das Jahreseink­ommen angerechne­t, sondern nur 20 Prozent. Das sich daraus ergebende Steuerplus wird wieder mal fünf genommen und muss als Steuer für die Abfindung bezahlt werden. Was nach „Tasche rein, Tasche raus“klingt, kann dank geringerer Steuerprog­ression helfen, Geld zu sparen. Ob diese Regelung tatsächlic­h angewendet werden kann und wieviel sie hilft, Steuern zu sparen, hängt jedoch ganz entscheide­nd von der Gestaltung der Abfindung ab. Deswegen macht es Sinn, schon während der Verhandlun­g über die Abfindung den Steuerbera­ter zu befragen. Noch zusätzlich für Mitglieder in Kirchen gut zu wissen: Eine Abfindung unterliegt zwar grundsätzl­ich auch der Kirchenste­uer, aber auf Nachfrage ist es oft möglich, dass bei größeren Summen ein individuel­l vereinbart­er Rabatt gewährt wird.

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FOTO: IMAGO IMAGES Geldschein­e und Stempel mit Abfindung: Die Höhe einer Abfindung ist in der Regel Verhandlun­gssache und kein Rechtsansp­ruch.

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