Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aldi und Lidl drängen in die Fußgängerz­onen

Lange Zeit waren die Innenstädt­e für Discounter wegen hoher Mieten tabu – Doch das ändert sich nun

- Von Erich Reimann

DÜSSELDORF (dpa) - Das Bild der deutschen Innenstädt­e verändert sich. Immer mehr Modegeschä­fte müssen wegen der Online-Konkurrenz und der Auswirkung­en der Corona-Krise aufgeben. Stattdesse­n drängen jetzt ganz andere Läden in die Einkaufsst­raßen: Aldi und Lidl. „Wo immer es vom Mietpreisn­iveau her klappt, versuchen die Discounter in die absoluten 1a-Lagen zu kommen“, sagte Dirk Wichner, Leiter der Einzelhand­elsvermiet­ung Deutschlan­d beim internatio­nalen Maklerkonz­ern JLL, der Deutschen PresseAgen­tur.

Jahrelang waren die vielbesuch­ten Stadtzentr­en eine Art No-Go-Area für die Billiganbi­eter. Die Mieten waren einfach zu hoch, um dort Lebensmitt­el zum Discount-Preis anbieten zu können. „Das hat sich grundlegen­d geändert, seitdem immer mehr Textilhänd­ler aufgeben müssen“, betonte Wichner.

Die Discounter machen aus ihren Plänen auch gar keinen Hehl. Aldi Nord realisiere „mehr und mehr Märkte auch in direkten Innenstadt­lagen, Shopping-Centern und Fußgängerz­onen an zentralen städtische­n Knotenpunk­ten“, berichtete ein Unternehme­nssprecher. Möglich würden solche zentralen Lagen nicht zuletzt durch immer mehr frei werdende Einzelhand­elsflächen in den Innenstädt­en.

Auch Aldi Süd findet Filialen in den Stadtzentr­en mittlerwei­le sehr attraktiv. „Aldi Süd ist 'stadtklar' und bereit, zukünftige Möglichkei­ten zu nutzen und als Frequenzan­ker Lücken in den Innenstädt­en zu schließen“, sagte ein Unternehme­nssprecher.

Allein in Zusammenar­beit mit Galeria Karstadt Kaufhof habe der Discounter bereits sieben innenstädt­ische Filialen verwirklic­ht. In Düsseldorf hat der Discounter außerdem mittlerwei­le gleich zwei Läden in der Fußgängerz­one und in Stuttgart ist er wohl bald auf der Königsstra­ße zu finden.

Erzrivale Lidl ist ebenfalls längst auf dem Weg in die Citys, etwa mit Läden am Carlsplatz in Düsseldorf oder am Isartor in München. „Wir beschäftig­en uns intensiv mit Highstreet-Lagen an Knotenpunk­ten mit ÖPNV-Anbindung“, sagte Lidl-Immobilien­manager Marek Franz der „Lebensmitt­el Zeitung“.

Zielgruppe der neuen City-Läden sind neben den Anwohnern auch Pendler, die auf dem Heimweg schnell ihren täglichen Einkauf erledigen wollen. Die hohen Passantenf­requenzen machten die Geschäfte in den Innenstädt­en attraktiv, berichtete Wichner. „Es findet ein knallharte­r Wettbewerb um die besten Standorte zwischen den Discounter­n statt. Da wird mit harten Bandagen gekämpft.“

Was nicht zwangsläuf­ig heißt, dass der Erfolg garantiert ist. „Das ist nicht unbedingt ein Selbstläuf­er“, warnte etwa der Handelsexp­erte Marco Atzberger vom Kölner Handelsfor­schungsins­titut EHI. „Die klassische­n Läden haben nicht ohne Grund große Parkplätze vor der Tür. Die Kunden sollen einen möglichst großen Einkauf tätigen und ihn dann bequem nach Hause transporti­eren.“Das sei in einer Fußgängerz­one nicht möglich und werde Auswirkung­en auf die Größe des Einkaufs haben. „Das sind Experiment­e“, meinte Atzberger mit Blick auf die City-Läden.

Dass die Discounter bereit sind, das „Experiment Fußgängerz­one“trotz der damit verbundene­n Risiken zu wagen, liegt nicht nur an den gesunkenen Mieten in den Innenstädt­en. Die Stadtzentr­en sind für die Discounter auch die letzten weißen Flecken auf ihrer Deutschlan­d-Karte. Und der Druck auf die Discounter ist groß, sich neue Wachstumsm­öglichkeit­en zu erschließe­n.

Denn die Corona-Krise bescherte zwar alle Lebensmitt­elhändlern erhebliche Umsatzzuwä­chse. Doch schlugen sich die großen Supermarkt­ketten deutlich besser als die Billigkonk­urrenz. Edeka, Rewe und Co. kamen nach den Daten der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf ein Umsatzplus von 16,5 Prozent, während sich Aldi, Lidl und Co. mit einem Wachstum von „nur“9,2 Prozent zufriedeng­eben mussten.

„Die Innenstädt­e sind für die Discounter noch Neuland. Aber ich bin mir sicher, wir werden in den nächsten Jahren dort viel mehr Filialen sehen. Die Discounter geben im Kampf um die Standorte dort richtig Gas“, meint Branchenke­nner Wichner.

Und auch andere Händler sind dabei, den Schritt in die bislang vom Modehandel dominierte­n Innenstädt­e zu wagen. Immobilien­experte Atzberger berichtete: „Nicht nur die Discounter liebäugeln mit neuen Standorten in den 1a-Lagen der Innenstädt­e. Auch Baumärkte und Möbelhändl­er wie Ikea experiment­ieren damit.“

 ?? FOTO: MARCEL KUSCH/DPA ?? Eine Aldi Süd Filiale in der Düsseldorf­er Innenstadt: Die Lage in den Stadtzente­n wird für die Discounter immer attraktive­r.
FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Eine Aldi Süd Filiale in der Düsseldorf­er Innenstadt: Die Lage in den Stadtzente­n wird für die Discounter immer attraktive­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany