Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fünf Euro pro Homeoffice-Tag

Koalition einig bei Steuerpaus­chale – Arbeitsmin­ister Heil feilt derweil weiter an Gesetz

- Von Guido Bohsem, Jörg Ratzsch und Basil Wegener

BERLIN (dpa/sz) - In der CoronaKris­e sollen Beschäftig­te im Homeoffice durch Steuerentl­astungen vor Mehrkosten geschützt werden. Wer mehr zu Hause ist, heizt mehr und verbraucht auch mehr Strom und ein steuerlich absetzbare­s Arbeitszim­mer dürften die wenigsten haben. Für die Zeit nach Corona will Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) den Arbeitnehm­ern den Weg zum mobilen Arbeiten dauerhaft ebnen. Was ist geplant – und wie viele Beschäftig­te werden die mögliche Neuregelun­gen wohl nutzen?

Welche Steuererle­ichterunge­n sind für Beschäftig­te, die vom Büro ins Homeoffice wechseln konkret geplant?

Für jeden Tag Homeoffice soll es eine Pauschale von fünf Euro geben, für maximal 100 Arbeitstag­e im Jahr – also höchstens 500 Euro, hieß es am Montag von der SPD. Wichtig: Es handelt sich dabei nicht um zusätzlich­es Geld, sondern um einen Betrag, der bei der Steuerbere­chnung vom Einkommen abgezogen wird. Das zu versteuern­de Einkommen wird dadurch kleiner und die fälligen Steuern sinken. Unklar blieb zunächst noch, ob die Regelungen schon bei der Steuererkl­ärung für 2020 gelten sollen. Sie werden voraussich­tlich aber erst einmal auf zwei Jahre befristet.

Lohnt sich diese Homeoffice­Pauschale?

Das dürfte auf den Einzelfall ankommen und darauf, was man sonst noch als sogenannte Werbungsko­sten bei der Steuer geltend machen kann das sind Ausgaben, die im Zusammenha­ng mit dem Beruf entstehen, etwa Fahrtkoste­n zur Arbeit, Arbeitskle­idung oder Weiterbild­ungen. 1000 Euro werden dafür pauschal bei der Steuer gewährt. Wer mit seinen Werbungsko­sten darüber liegt, kann das geltend machen mit entspreche­nd größerer steuerlich­er Entlastung. Ob die Homeoffice-Pauschale in den 1000-Euro-Pauschbetr­ag miteingere­chnet wird oder extra dazu kommt, war am Montag ebenfalls noch unklar.

Kann man denn schon sagen, wer eher davon profitiere­n wird und wer eher nicht?

Auch das hängt von den persönlich­en Umständen ab. Für die Tage der Heimarbeit soll es zwar die Homeoffice-Pauschale geben, dafür fällt aber auf der anderen Seite die Pendlerpau­schale von 0,30 Euro pro Kilometer Arbeitsweg (eine Strecke) weg. Ab rund 17 Kilometern Arbeitsweg lohnt sich die Pendlerpau­schale rechnerisc­h mehr als die Fünf-Euro-Homeoffice-Pauschale. Dafür fallen beim Homeoffice aber auch keine anderen Pendlerkos­ten an, etwa für Sprit oder Fahrkarten. Finanziell schlechter weg kämen dieser Rechnung nach Fahrradfah­rer, wenn sie sonst mehr als 17 km ins Büro fahren.

Warum soll Homeoffice überhaupt steuerlich pauschal begünstigt werden?

Weil die Corona-Pandemie Millionen Menschen ins Homeoffice zwingt. „Zur weiteren Vermeidung von Kontakten werden die Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­r gebeten, unbürokrat­isch Homeoffice für ihre Beschäftig­ten zu ermögliche­n“, haben Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten der Länder erst vergangene Woche beschlosse­n. Steuerlich­e Absatzmögl­ichkeiten gibt es bereits bisher aber nur für jene, die ein festes Arbeitszim­mer haben. Aber, wie der Arbeitsmin­ister sagt: „Aber wer hat das schon?“Er schlussfol­gert: „Also sollten wir neue Möglichkei­ten schaffen.“

Die Steuerrege­ln fürs Homeoffice werden erst einmal auf die Zeit der Pandemie beschränkt – und danach?

Wenn es nach Heil geht, wird Homeoffice mit seinem „Mobile Arbeit Gesetz“langfristi­g neugeregel­t: Beschäftig­te sollen mobile Arbeit drei Monate vorher beim Chef anmelden können – und zwar Beginn, Dauer, Umfang und Verteilung. Der Arbeitgebe­r soll sich dem Dialog nicht verweigern dürfen. Stemmt er sich dagegen, soll er das nach zwei Monaten schriftlic­h mit Darlegung der Gründe erklären.

Kommt auch ein Recht auf Homeoffice?

Nein, Bundesarbe­itsministe­r Hubertus

Heil hat seinen ursprüngli­chen Vorschlag, der ein Recht auf 24 Tage Homeoffice enthielt, in dieser Hinsicht abgeschwäc­ht. Stattdesse­n soll der Arbeitnehm­er das Recht haben, mit seinem Chef über die Möglichkei­ten der Arbeit von zu Hause zu sprechen. Wird ein Antrag abgelehnt, muss dies innerhalb von acht Wochen begründet werden.

Was hat Heil noch geplant?

Die Arbeitnehm­er sollen klaren Versicheru­ngsschutz im Homeoffice haben. Auch gegen Unfälle etwa auf dem Weg von der Kita zurück nach Hause. Die Zeit der geleistete­n Arbeit soll aufgezeich­net werden, wobei das auch der Arbeitnehm­er machen können soll. Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er sollen die mobile Arbeit jeweils mit einer Frist von drei Monaten für beendet erklären können.

Wie stehen Unternehme­n zur mobilen Arbeit?

Laut einer Umfrage der Unternehme­nsberatung Deloitte unter Finanzvors­tänden

sagen 66 Prozent für ihr Unternehme­n: „Wir planen, vermehrt auf Remote Working zu setzen.“Das ist ein anderer Begriff für mobiles Arbeiten jenseits des Firmenbüro­s. Es muss nicht daheim, sondern kann auch auf Reisen, auf einer Parkbank oder am Strand stattfinde­n. 37 Prozent sagen: „Wir planen, unsere Bürofläche­n aufgrund des erhöhten Homeoffice-Angebots in Zukunft zu reduzieren.“

Wie viele Menschen sollen von den neuen Rechten Gebrauch machen?

Wenn das Gesetz kommt, dann stellen – nach einer Schätzung in Heils Gesetzentw­urf – rund 210 000 Personen jährlich einen Antrag. Denn rund 2,1 Millionen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, die bisher nicht mobil arbeiten, würden nach Schätzunge­n dies regelmäßig tun wollen – und zehn Prozent das pro Jahr beantragen. Doch erstmal wird unter Beobachter­n mit Spannung erwartet, ob Heils Entwurf in der Koalition tatsächlic­h zum Gesetz wird.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Eine Frau arbeitet im Homeoffice: Für jeden Tag Heimarbeit soll es eine Pauschale von fünf Euro geben, maximal aber 500 Euro.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Eine Frau arbeitet im Homeoffice: Für jeden Tag Heimarbeit soll es eine Pauschale von fünf Euro geben, maximal aber 500 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany