Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Corona trifft Niedrigver­diener härter

Pandemie lässt die Kluft zwischen Reich und Arm offenbar wieder größer werden

- Von Hannes Koch

BERLIN - Je niedriger das Einkommen, desto größer ist die Gefahr, durch die Corona-Krise einen finanziell­en Verlust zu erleiden. Auf diese Formel lassen sich die Ergebnisse einer neuen Untersuchu­ng der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung bringen. „Menschen, die zuvor schon wenig hatten, sind besonders oft und besonders hart betroffen“, erklärte Bettina Kohlrausch, Direktorin des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der Stiftung.

Die Forscherin­nen und Forscher befragten Erwerbsper­sonen im April und Juni diesen Jahres. In der Gruppe der Leute mit einem Haushaltsn­ettoeinkom­men von weniger als 900 Euro monatlich hatte knapp die Hälfte Verluste erlitten. In der Gruppe zwischen 1500 und 2000 Euro waren es 37 Prozent, über 4500 Euro nur 26 Prozent.

Dieser Verteilung entsprach auch der Umfang der Einbußen durch die Corona-Krise. Unter 900 Euro verloren 60 Prozent der Befragten mindestens ein Viertel ihres Einkommens, viele auch deutlich mehr. In der mittleren Gruppe war es knapp die Hälfte. Bei den Gutverdien­ern berichtete nur weniger als ein Drittel über solche Verluste.

Zu den Gründen gehört, dass Leute mit niedrigen Einkommen eher von Kurzarbeit betroffen sind als Beschäftig­te mit hohen Einkünften. Manche Firmen legten beispielsw­eise ihre Produktion vorübergeh­end still, während das Management weiterarbe­itete. Besonders betroffen von Einschränk­ungen waren auch die Gastronomi­e und der Handel, wo ohnehin vergleichs­weise wenig bezahlt wird.

So macht die Corona-Krise teilweise Fortschrit­te zunichte, die vorher erzielt wurden. Durch die gute Wirtschaft­sentwicklu­ng und den Mindestloh­n waren die verfügbare­n Haushaltse­inkommen der ärmsten zehn Prozent der Bundesbevö­lkerung zwischen 2015 und 2017 um etwa fünf Prozentpun­kte gestiegen, erklärte das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in diesem Mai. Der Abstand zwischen Arm und Reich vergrößert­e sich nicht mehr so stark wie zuvor. Nun scheint sich die Entwicklun­g wieder in die entgegenge­setzte Richtung zu bewegen.

„Bestehende Ungleichhe­iten verstärken sich“, hieß es beim WSI. Um dem Trend entgegenzu­wirken, forderte die Stiftung eine bessere Absicherun­g von Leuten mit geringen Einkommen. Das Kurzarbeit­ergeld müsse ebenso erhöht werden wie der Hartz-IV-Regelsatz. „Auch eine längere Bezugsdaue­r beim Arbeitslos­engeld I über 2020 hinaus bis zum Ende der Krise“könne helfen.

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FOTO: RALPH PETERS/ IMAGO IMAGES Besonders betroffen von den Einschränk­ungen sind Gastronomi­e und Handel. Hier wird ohnehin vergleichs­weise wenig bezahlt.

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