Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gewaltsame­r Tod eines Pflegebedü­rftigen

Prozess in Kempten um Raubüberfa­ll auf Schwerkran­ken

- Von Frederick Mersi

KEMPTEN (lby) - Herzkrank, fast blind und im Rollstuhl: Als er am Abend des 14. März nach einem Raubüberfa­ll gefesselt und geknebelt in seiner Wohnung zurückgela­ssen wurde, hatte ein 50-Jähriger in Kaufbeuren keine Chance, sich selbst zu befreien. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft erstickte er, nachdem er geknebelt wurde.

Seit Montag muss sich in dem Fall ein Mann vor dem Kemptener Landgerich­t verantwort­en. Ihm wird gemeinscha­ftlicher Mord vorgeworfe­n. Dass der Pflegebedü­rftige erstickte, soll er bei der Tat in Kauf genommen haben.

Zum Auftakt des Verfahrens machte der 29 Jahre alte Syrer aber deutlich, dass er sich in dem Fall selbst als Opfer sieht. Er sei von einem Bekannten dazu gezwungen worden, bei dessen Tatplan zu helfen, sagte der Angeklagte. Der Mann, ebenfalls Syrer, habe ihm angedroht, seiner Familie etwas anzutun, falls er ihm nicht helfe.

Der Beschuldig­te kann sich zu diesen Vorwürfen aber nicht mehr äußern: Er hat Anfang August in der Untersuchu­ngshaft in Kempten Suizid begangen. Zuvor hatte er bei der Polizei zwar gestanden, den Raub aus Geldnot geplant zu haben. Für die Ausführung in der Wohnung sei aber der nun Angeklagte verantwort­lich gewesen.

Laut Staatsanwa­ltschaft kannten sich der ursprüngli­ch Verdächtig­te und das Opfer über die Nachbarsch­aftshilfe. Der Mann half demnach dem Pflegebedü­rftigen im Alltag, erledigte Einkäufe – half ihm aber auch, im Internet mögliche Sex-Partner zu kontaktier­en. Als ein solcher soll sich der Angeklagte auf Vorschlag des ursprüngli­ch Verdächtig­ten ausgegeben haben, um in die Wohnung zu gelangen.

Der 29-Jährige gab dagegen vor Gericht an, er sei „benutzt und ausgenutzt“worden. Er sei nie in der Wohnung des Opfers gewesen. Der inzwischen tote Beschuldig­te habe bei dem Raub aber seine Handschuhe mitgenomme­n, weshalb seine eigenen DNA-Spuren am Tatort gefunden wurden – obwohl er selbst im Auto gewartet habe.

Diese Erklärung hielt ein Sachverstä­ndiger vor Gericht aber für „sehr unwahrsche­inlich“. Auf der Außenseite von Baumwoll-Handschuhe­n finde man normalerwe­ise nur eine vergleichs­weise geringe Zahl von Hautschupp­en. Von dort würden diese nur „sehr schlecht“auf glatte Oberfläche­n übertragen. Dennoch habe man an einem Schrank ein vollständi­ges DNA-Bild des Angeklagte­n gefunden. Ein Urteil könnte am 3. Dezember fallen.

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