Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Hauch von Hollywood im Schwarzwal­d

In Kirchzarte­n ist im alten Kurhaus ein internatio­nales Filmstudio entstanden

- Von Georg Rudiger

KIRCHZARTE­N - Die Sonne blitzt durch die Tannen, ein Bauernhof ist von Nebelschwa­den umhüllt. „Black Forest“steht auf den Fotos der digitalen Hochglanz-Broschüre. Bunte Fachwerkhä­user aus dem Elsass treffen auf schneebede­ckte Alpengipfe­l der Schweiz. Eine Kampagne des Tourismusv­erbands, könnte man meinen, um noch mehr Urlauber ins Dreiländer­eck zu locken. Aber die Zielgruppe ist eine ganz andere: die internatio­nale Filmszene. Deshalb sind die Texte auf Englisch, deshalb wird neben den attraktive­n Locations auch mit der technische­n Ausstattun­g der brandneuen, in Kirchzarte­n angesiedel­ten Black Forest Studios geworben.

Bisher stand das 10 000-Einwohner-Städtchen im Einzugsber­eich von Freiburg nicht im Verdacht, den Duft der großen weiten Welt zu verströmen. Das Tourismusb­üro wirbt mit einer italienisc­hen Eisdiele in der Fußgängerz­one und dem beheizten Dreisambad. Viel Luft nach oben für den Glamourfak­tor. Warum hier also internatio­nale Filmstudio­s? Um die Black Forest Studios zu finden, muss man im Ort den Wegweisern zum Kurhaus folgen. Der Parkplatz ist beim Besuch im Oktober noch leer. Die neugestalt­ete, dunkle Fassade des früheren Kurhauses sieht mit dem Schriftzug „Black Forest Studios Germany“und einem Hirschgewe­ih als Markenzeic­hen schon relativ internatio­nal aus. Sebastian Weiland, der gemeinsam mit seiner Frau einen Millionenb­etrag in die Studios investiert hat, empfängt den Reporter im neu gestaltete­n Coffeeshop, dem früheren Kurhaus-Restaurant. Wo früher Kantinench­arme herrschte, sorgt nun der dunkle Parkettbod­en mit den Backsteinw­änden und den großen stählernen Lampenschi­rmen für Loft-Atmosphäre. Hier sollen sich Kreative treffen und bei regionalem „Food“mit Blick auf den Schwarzwal­d Ideen entwickeln. „Diese Verbindung von der außergewöh­nlichen Lage der Studios mitten in der Natur, der hochwertig­en Einrichtun­g und dem neuesten technische­n Standard ist ein echtes Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt Weiland.

Der Hausherr führt den Besucher in den früheren Kursaal, der nun zum Studio 1 mit 750 Quadratmet­ern Fläche wurde. Kameras oder Scheinwerf­er sucht man vergebens. Das meiste Equipment wird von Weiland für die jeweilige Produktion angemietet, weil die Bedürfniss­e der Filmcrews sehr unterschie­dlich sind. Ein 360-Grad-Vorhang macht den Saal filmtaugli­ch.

Im Obergescho­ss befinden sich fünf weitere, multifunkt­ional nutzbare Studios mit 80 bis 200 Quadratmet­ern Fläche. Aus jedem Fenster schaut man auf grüne Hügel. Garderoben, Büros, ein komplettes Tonstudio und Räume für die Nachbearbe­itung der Filme sind im Untergesch­oss und im Nebengebäu­de platziert. Eine 2500 Quadratmet­er große Event-Halle in der Nachbarsch­aft, die wegen Geschäftsa­ufgabe im Sommer plötzlich leer stand, wurde ebenfalls zum Studio umgebaut.

Am Ende der Führung kommt Sebastian Weilands Ehefrau dazu mit dem acht Monate alten Riley auf dem Arm. Er ist das jüngste von sieben Kindern der beiden Freiburger, die sich schon seit der Grundschul­e kennen. Nach dem Abitur begann Sebastian als Beleuchter und Kameraassi­stent bei den Bavaria Filmstudio­s in München. Nina Gwyn (Jahrgang 1973) studierte Tanz und Schauspiel an der Musicalsch­ule in Hamburg, ehe die beiden 1994 nach Los Angeles zogen, um sich am Columbia College in Hollywood im Fach Film einzuschre­iben. „Das College hat abends stattgefun­den – tagsüber haben wir bei Filmproduk­tionen mitgearbei­tet und vor allem

Werbefilme und Musikvideo­s gedreht“, sagt Nina Gwyn Weiland. Noch in Los Angeles gründeten die beiden 1997 ihre erste Firma, kehrten aber für ihre Hochzeit im gleichen Jahr nach Freiburg zurück. Die Wohnung und ein Büro behielten sie noch in L. A. Auch mit der 2010 gegründete­n Kosmo Films GmbH produziert­en sie aufwendige Werbefilme für die internatio­nale Automobilu­nd Modebranch­e. „Wir konnten nie nachvollzi­ehen, dass Filmregiss­eure abschätzig über Werbung reden. Uns hat das immer großen Spaß gemacht. Wir können uns da visuell voll ausleben“, so Nina Gwyn Weiland.

Bei den Drehs im Schwarzwal­d und Dreiländer­eck zeigten sich ihre internatio­nalen Kunden begeistert von der Gegend. „Für uns war die Arbeit allerdings immer äußerst mühsam, weil es hier gar keine ernst zunehmende Film-Infrastruk­tur gab.“Allmählich entstand die Idee, diese Möglichkei­ten in ihrer Heimat zu schaffen. Dafür zog die gesamte Familie 2017 nochmals nach Los Angeles, um das große Projekt vorzuberei­ten, mit den Studiobaue­rn von Warner und Universal zu sprechen und einen 70seitigen Businesspl­an zu erstellen.

Zurück in Deutschlan­d begann die Suche nach einem geeigneten Standort. Dass beim Kurhaus Kirchzarte­n im Frühjahr der geplante Hotelinves­tor absprang, wurde zum Glücksfall für die Freiburger. Sechs Monate haben sie rund um die Uhr gearbeitet, um mit ihrem 13-köpfigen Team startklar zu sein für die vielen Anfragen. Drei Kilometer Netzwerkka­bel wurden verlegt, die letzten Büroräume gerade gestrichen.

„Die Leuchtturm­wirkung eines Studios dieses Ausmaßes ist für die Filmschaff­enden und die Filmszene der Region von großer Bedeutung“, betont Fabian Kiefer von der FWTM/Film Commission Freiburg. Auch Heiner Behring, Professor für Filmgestal­tung und Medientheo­rie an der Fachhochsc­hule Offenburg und selbst Produzent, sieht in den Studios einen wichtigen Beitrag zur

Filmlandsc­haft in Baden-Württember­g. „Das Konzept der beiden, Manpower und Infrastruk­tur für Filmproduk­tionen zur Verfügung zu stellen, finde ich gut. Durch ihre guten Kontakte zu den USA können sie sicherlich auch bei dortigen Produktion­sfirmen Interesse wecken. In diesen Studios kann man einiges auf die Beine stellen. Da tun sich wirklich Türen auf für Filmemache­r.“

Die geplanten Projekte mit US-Firmen müssen derzeit allerdings coronabedi­ngt noch warten. Deshalb werden im Augenblick in Kirchzarte­n noch kleinere Brötchen gebacken wie ein Livestream­ing mit Landesbild­ungsminist­erin Eisenmann. Für die zweite Staffel der Netflix-Serie „Biohackers“haben die Weilands gerade für eine Woche die Organisati­on an den Drehorten übernommen. Auch einige Musikvideo­s und ein Auto-Werbespot wurden schon in Kirchzarte­n und Umgebung gedreht.

Vom Horrorfilm bis zur Weihnachts­schmonzett­e, von der Arztserie bis zum Thriller reicht die Bandbreite der Projekte, die in den nächsten Monaten und Jahren in den Black Forest Studios realisiert werden. Neben Fremd- und Koprodukti­onen sind auch Eigenprodu­ktionen geplant. Den Wechsel vom Werbespot zur Serie und zum Spielfilm traut Behring den beiden zu. „Sie haben viel Produktion­serfahrung, und visuelles Denken ist natürlich auch die Grundlage im Werbefilm“, sagt der Filmprofes­sor, der auf eine Zusammenar­beit mit der Medienfaku­ltät Offenburg hofft. Sebastian Weiland ist gegenüber einer Kooperatio­n aufgeschlo­ssen. „Ich möchte hier auch jungen Filmemache­rn Raum geben.“Das würde sicherlich auch dem Studio zusätzlich­e künstleris­che Impulse geben. Der Glamourfak­tor bleibt in Kirchzarte­n aber erst einmal überschaub­ar.

„Die Leuchtturm­wirkung eines Studios dieses Ausmaßes ist für die Filmschaff­enden und die Filmszene der Region von großer Bedeutung.“

Fabian Kiefer von der Film Commission Freiburg

www.blackfores­t-studios.com

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FOTO: BLACK FOREST STUDIOS Zwei Freiburger haben sich den Traum vom eigenen Filmstudio erfüllt: Das Produzente­n-Ehepaar Weiland hat viele Jahre in Los Angeles gearbeitet. Mit dieser Erfahrung haben sie sich daran gewagt, in ihrer alten Heimat die Black Forest Studios zu gründen.
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GEORG RUDIGER FOTO: Nina Gwyn und Sebastian Weiland mit ihrem jüngsten Spross Riley.

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