Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hochwasser­schutz wird erheblich teurer als gedacht

Immenstaad: 2015 kommt es bei Starkregen zu einer Überflutun­g, weil das Regenrückh­altebecken versagt

- Von Kirsten Lichtinger Von Florian Bührer

IMMENSTAAD - Der Hochwasser­schutz in Immenstaad verteuert sich gegenüber den Planungen aus dem Jahr 2019 um fast 90 Prozent auf jetzt rund 372 000 Euro. Darüber informiert­e Ortsbaumei­ster Ulrich Kohler den Gemeindera­t bei seiner jüngsten Sitzung. Allerdings erhöht sich voraussich­tlich auch der geplante Zuschuss des Landes Baden-Württember­g. „Ich rechne mit 107 800 Euro“, erklärte der Ortsbaumei­ster. Insgesamt wird die Gemeinde dann mit 264 200 Euro zur Kasse gebeten.

Der Grund für die Mehrkosten: Für die Erhöhung des Rückhaltev­olumens und für die Ertüchtigu­ng des Regenrückh­altebecken­s an der B 31 hat das Landratsam­t zusätzlich­e Untersuchu­ngen des Baugrunds und Nachweise für die Standsiche­rheit der Dämme gefordert. „Dabei hat sich leider gezeigt, dass beim Bauwerk am Seelbach organische Stoffe vorhanden sind, sodass der Damm ohne einen Bodenausta­usch nicht standsiche­r hergestell­t werden kann“, bedauerte Kohler.

Ebenso sei eine Neugestalt­ung des Regenrückh­altebecken­s an der B 31 erforderli­ch, weil unter anderem die Böschungen nach heutiger Norm zu steil sind. Er rechnet mit der Durchführu­ng der Baumaßnahm­en im Jahr 2021, teilweise noch vor Beginn der Obstblüte. „Alle Grundstück­seigentüme­r haben den Maßnahmen zugestimmt“, lobte er. Die Bauarbeite­n für die Entlastung­sleitung

beim Landesteg wurden bereits im Frühjahr durchgefüh­rt und auch abgerechne­t, informiert­e der Ortsbaumei­ster weiter.

Zur Vorgeschic­hte des verbessert­en Hochwasser­schutzes: Im Juni 2015 kam es bei Starkregen zu einer Überflutun­g der B 31, der Meersburge­r Straße und anliegende­r Grundstück­e und Gebäude, weil das Regenrückh­altebecken nördlich der B 31 beim Kogenbach versagt hatte. Die Folge war ein finanziell­er Schaden von circa 250 000 Euro.

Mit der neuen Konzeption sollen solche Überschwem­mungen in Zukunft verhindert werden. „Die Maßnahmen sind zwingend notwendig, damit wir zukünftig sicher vor Hochwasser sind“, warb Bürgermeis­ter Johannes Henne. Der Gemeindera­t votierte einstimmig dafür, die baulichen Verbesseru­ngen des Hochwasser­schutzes durchzufüh­ren und die Mehrkosten in Kauf zu nehmen.

Um Wasser ging es auch beim Tagesordnu­ngspunkt Mitteilung­en, Anfragen und Anregungen. Gemeindera­t Markus Böhlen (Die Grünen) erkundigte sich nach öffentlich­en Trinkbrunn­en auf dem Gemeindege­biet. Nach Auskunft von Ulrich Kohler gibt es bisher noch keinen, allerdings soll im Rathaus ein Trinkwasse­rspender aufgestell­t werden.

Böhlen regte außerdem an, die restlichen Exemplare des Immenstaad­er Bildbands gerade im Hinblick auf Weihnachte­n offensiv zu bewerben. Das sicherte Johannes Henne zu.

FRIEDRICHS­HAFEN - Weniger Freizeitsp­aß und kaum noch realer Kontakt mit Freunden. Die CoronaPand­emie verlangt Jugendlich­en viel ab. Das wird oft übersehen. Dabei geht ihnen ein wichtiger Teil des Lebens für immer verloren, sagt die Häfler Kinderpsyc­hiaterin Dagmar Hoehne.

„Ich liebe Discofox“, sagt die 18jährige Tabea Kuhlmann im Gespräch mit der SZ und lacht. Dass sie so unbeschwer­t in der Tanzschule lachen konnte, ist lange her. Denn wie Fitnessstu­dios mussten auch Tanzschule­n wieder ihre Türen schließen. Tabea lebt damit, so gut es eben geht. Eines aber sei klar: Livestream­s oder Tanzvideos können den Spaß nicht ersetzen, findet die Schülerin des Karl-Maybach-Gymnasiums.

Neben Tanzen ist die Politik ihre zweite Leidenscha­ft. Tabea ist Vorsitzend­e des Jugendparl­aments in Friedrichs­hafen. Normalerwe­ise treffen sich die Jugendlich­en im Jugendzent­rum Molke. Notgedrung­en mussten sie jetzt auf eine OnlinePlat­tform ausweichen. Dort sei die Hemmschwel­le in den Diskussion­en bei vielen aber sehr groß, sagt Tabea.

Auch in der Jugendarbe­it sei der persönlich­e Kontakt durch OnlineAnge­bote nicht einfach zu ersetzen, teilt Christoph Arnold, der Leiter des Jugendzent­rums Molke mit. Er weiß, wie sehr sich die Jugendlich­en derzeit einschränk­en müssen und wie sehr sie auch davon genervt sind. „Einige der Kinder und Jugendlich­en wollen aufgrund von schwierige­n Situatione­n zu Hause ihre Freizeit lieber woanders verbringen, wissen jedoch nicht, wohin. Sie brauchen einen Rahmen, in dem sie ihre Freizeit selbst gestalten und sich mit Freunden treffen können.“

Für Tabea war das familiäre Umfeld zu Beginn des ersten Lockdowns sehr wichtig, sagt sie. Aber mit der Zeit sei die Situation immer anstrengen­der geworden. „Ich hatte irgendwann einen Hauskoller.“

Das Schlimmste sei gewesen, immer zu Hause zu sein. Jeden einzelnen Tag. Jeden Tag saß sie in ihrem Zimmer und schaute hinaus auf die Baustelle. Noch nie habe sich eine Generation so sehr mit sich selbst beschäftig­en müssen wie ihre, glaubt sie. Tabea fehlte das Soziale, sie vermisste es, sich mit Freunden zu treffen, sich auszutausc­hen. „Man redet nicht mehr so viel mit Freunden.“Für eine 18-Jährige ist das eine traurige Erkenntnis.

„Freunde treffen, flirten, knutschen, miteinande­r Spaß haben“– das seien die Bedürfniss­e von Jugendlich­en, sagt der Allgäuer Jugendfors­cher Simon Schnetzer. Und all die seien im Moment schwer zu erfüllen. Dabei seien diese Bedürfniss­e wahrlich kein Luxus, sondern für die Jugendlich­en schlicht elementar.

Die Häfler Kinder- und Jugendpsyc­hiaterin Dagmar Hoehne warnt im Gespräch vor den Folgen der Krise. Sie beobachtet, dass sich so mancher Jugendlich­e in „innere Welten“zurückzieh­t und „seltsame Erscheinun­gen“

sieht. „Die Einschränk­ungen führen bei manchen Kindern zu Depression­en“, stellt sie fest. „Wir sehen, dass bei Kindern und Jugendlich­en die Ängste größer werden.“Normalerwe­ise registrier­t Hoehne solche depressive­n Störungsbi­lder in ihrer Praxis ab November, in diesem Jahr sei das schon im September losgegange­n.

Sie beobachtet, dass vor allem die beginnend Pubertären große Probleme haben. Das merke man vor allem bei Kindern, die vorher schon Ängste hatten oder sozial nicht gut integriert waren. Die Spätfolgen des ersten Shutdowns seien nun deutlich. Normalerwe­ise denken Jugendlich­e: „Da kommt schon irgendwas.“Nun sei bei vielen aber eine große Leere.

Eigentlich sei in diesem Alter das Treffen mit Freunden wichtig. Wegen der Einschränk­ungen können sich die Kinder aber nicht in ihren gewohnten sozialen Gruppen bewegen, sich ausprobier­en oder zusammen Fußball spielen. Darunter leiden die Kinder, ist sich Hoehne sicher. Denn ihnen fehle nicht nur schlicht die Bewegung, gerade der Mannschaft­ssport habe auch eine erzieheris­che Bedeutung.

Deshalb warnt die Kinderpsyc­hiaterin eindringli­ch davor, die Schulen wieder zu schließen. „Die Schulen nehmen viel Druck weg.“Mit erneuten Schulschli­eßungen würde den Kindern neben der Freizeit ein weiterer wichtiger sozialer Ort ihres Lebens weggenomme­n. Die Zeit des Homeschool­ings hat außerdem gezeigt: Dort, wo die Unterstütz­ung durch die Eltern nicht so groß war, drohen viele Schüler verloren zu gehen.

„Die Jugendlich­en verlieren durch die Einschränk­ungen einen wichtigen Teil ihrer Jugend“, stellt Hoehne fest. „Und diese Zeit werden sie auch nie nachholen können.“Kein Fest zum 18. Geburtstag, keine Abiparty, keine Abifahrt. Das seien für Jugendlich­e wichtige Zeitmarken.

So mancher Jugendlich­e verschließ­e sich und ziehe sich in die digitale Welt zurück. Das könne man als Eltern auch nicht verhindern. Schließlic­h sollen die Schüler die Medien nutzen, um die Schulaufga­ben zu machen. Homeschool­ing, Recherchea­rbeiten, Whatsapp oder Videotelef­onate mit Freunden: „Alle Bereiche des Lebens finden auf dem Smartphone statt“, weiß auch der Jugendfors­cher Simon Schnetzer.

Auch Tabea hat zu Beginn des ersten Shutdowns viel mit ihren Freunden geskypt, berichtet sie. „Das ist dann nach und nach versickert.“Wenig überrasche­nd für sie: Denn sie vermisst die Treffen, den körperlich­en Kontakt, sich zu umarmen. „Die Art mit Freunden umzugehen, wird das Virus verändern“, glaubt sie.

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. „Ich will so bald wie möglich wieder tanzen“, sagt Tabea und hofft auf den März. Simon Schnetzer ist sich sicher: Nach den Erfahrunge­n der letzten Monaten werde es bei vielen Jugendlich­en eine Renaissanc­e des „real life“geben.

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FOTO: GEMEINDE IMMENSTAAD Ein Starkregen führt im Juni 2015 zu Überschwem­mungen, die einen Schaden von rund 250 000 Euro verursache­n. Damit so etwas nie wieder passiert, will Immenstaad kräftig investiere­n.

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