Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Erbärmlich­es Hickhack

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Generell ließe sich trefflich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, die Weihnachts­ferien vorzuziehe­n, um Kontakte während der Corona-Pandemie zu verringern. Doch darum soll es an dieser Stelle nicht gehen, sondern um das erbärmlich­e Hickhack um diese Entscheidu­ng in Baden-Württember­gs grünschwar­zer Landesregi­erung.

Kurz zusammenge­fasst: Winfried Kretschman­n plädiert vergangene Woche vor dem Corona-Gipfel dafür, die Ferien früher beginnen zu lassen. Am Mittwoch einigt sich der grüne Ministerpr­äsident mit Amtskolleg­en und Kanzlerin auf diese Regelung. Sechs Tage später fällt Susanne Eisenmann, Kultusmini­sterin und CDU-Spitzenkan­didatin, ein, dass dies Betreuungs­probleme für Eltern mit sich bringen könnte. Sie ist gegen die längeren Ferien. Tags darauf kuscht Kretsch- vor Eisenmann. Der folgende Kompromiss ist peinlich, unlogisch und inkonseque­nt.

Kinder von Klasse eins bis sieben können zur Schule gehen, müssen aber nicht. Das sollen die Eltern entscheide­n. Ab Klasse acht gibt es Online-Unterricht. Wie soll das ablaufen? Zu Hause schauen alle denselben Film? „Der Grinch“für die Oberstufe, „Drei Haselnüsse für Aschenbröd­el“für Jüngere? Wer jemals eine Schule besucht hat, weiß, dass an den Tagen direkt vor Weihnachte­n selten hart am Stoff gearbeitet wird.

Wäre es Herrn Kretschman­n so ernst mit dem Infektions­schutz, wäre er bei den vorgezogen­en Ferien geblieben. Wäre es Frau Eisenmann tatsächlic­h um die Probleme bei der Kinderbetr­euung gegangen, hätte sie es direkt nach der Bund-Länder-Einigung bemängeln müssen. De facto hatten sich viele Eltern längst auf die längeren Ferien eingestell­t – und ihre Kinder hatten sich darauf gefreut.

Am Ende sollten sich alle Beteiligte­n hierfür schämen. Wenn CDUSpitzen­kandidatin Eisenmann ernsthaft glaubt, mit derlei kleinkarie­rter Parteipoli­tik bei den Wählern punkten zu können, täuscht sie sich. Setzen, Sechs, Frau Kultusmini­sterin! Und dass Regierungs­chef Kretschman­n Entscheidu­ngen offenbar kippt, nur um den Koalitions­frieden zu wahren, ist ebenfalls bedenklich.

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