Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Beschäftig­te wollen weiter Druck machen

Erneute Demonstrat­ion in Liebenau – Positionen der Verhandlun­gsparteien sind festgefahr­en

- Von Karin Schütrumpf

MECKENBEUR­EN - Dichtes Schneetrei­ben und kalter Wind in Liebenau: Trotzdem haben sich auf dem Parkplatz von der Gastwirtsc­haft in Liebenau rund 40 Mitarbeite­r aus verschiede­nen Häusern der „Liebenau Leben im Alter“(LiLA) eingefunde­n. Sie streiken und ziehen mit Spruchbänd­ern und Gewerkscha­ftsfahnen vor das Portal der Stiftung Liebenau. Die Demonstran­ten fordern die Rückkehr der Arbeitgebe­r an den Verhandlun­gstisch. Ziel der Arbeitnehm­er ist mehr Mitbestimm­ung und ein Haustarifv­ertrag.

Aus Kressbronn, dem Deggenhaus­er Tal, aus Weil im Schönbuch oder aus Scheer kamen die Demonstran­ten, die sich vom Winterwett­er und teilweise chaotische­n Straßenbed­ingungen nicht abschrecke­n ließen. Ziel war die Zentrale der Stiftung Liebenau im Meckenbeur­er Ortsteil. „Außerdem war aus fast jeder Einrichtun­g aus der näheren Umgebung auch jemand dabei“, stellte Yvonne Baumann von der Gewerkscha­ft Verdi fest. „Wer nicht kommen konnte, war mit dem Herzen dabei“, glaubt sie. Betroffen vom seit Langem schwelende­n Tarifkonfl­ikt sind 21 Einrichtun­gen, davon 18 in Baden-Württember­g, die zur LiLA, einer Tochterges­ellschaft der Stiftung Liebenau, gehören. „Es geht um rund 850 Beschäftig­te“, fasst Baumann zusammen, die schon im Sommer Verhandlun­gsführerin der Gewerkscha­ft Verdi im Gespräch mit der Stiftung Liebenau war.

Der Tarifkonfl­ikt schwelt schon seit Jahren. Wie Baumann erläutert, habe die Satzung der LiLA zehn Jahre lang einen Kirchenbez­ug gehabt. Die Vertragsri­chtlinien der Caritas seien maßgeblich gewesen. Seit Ende 2018 sei das vorbei. „Dann wurde nach Gutdünken bezahlt“, meint Yvonne Baumann. „Vor einem Jahr wollte die Stiftung dann einen Haustarifv­ertrag“, sagt sie.

Das wäre ein Novum für die gesamte kirchliche Welt gewesen. „Konditione­n wie im öffentlich­en

Dienst waren im Sommer schon Stand der Verhandlun­gen.“Nun wolle der Arbeitgebe­r zurück zum kirchliche­n Tarifrecht.

Dabei fürchten die Mitarbeite­r um ihre Mitbestimm­ungsrechte. Ein Haustarifv­ertrag hat eine befristete Gültigkeit und wird in der Regel danach neu verhandelt.

Die Mitarbeite­r forderten am 11. November, dass der Arbeitgebe­r weiter verhandelt. Nachdem die Stiftung Liebenau das ablehnte, organisier­te Verdi am 25. und 26. November Warnstreik­s in vier Einrichtun­gen und rief am ersten Dezember zu einer erneuten Kundgebung in Liebenau auf. Dabei erhielten die Demonstran­ten Unterstütz­ung von der Betriebsse­elsorge und der Katholisch­en Arbeitnehm­erbewegung (KAB).

„Die Stiftung sollte die Mitarbeite­r abstimmen lassen, ob sie den Tarifvertr­ag von Verdi oder die Arbeitsver­tragsricht­linien der Caritas wollen“, forderte Werner Langenbach­er von der Betriebsse­elsorge. Andrea

Grabherr von der KAB forderte „ein Einkommen, von dem man leben kann, und auch im Alter noch abgesicher­t ist“. Aktuell läge der Mindestloh­n in der Pflege bei 11,60 Euro. In der Pflege seien zu mehr als 80 Prozent Frauen tätig. Mit einer 75Prozent-Stelle erhalte eine Frau nach 62 Jahren eine Rente in Höhe der Grundsiche­rung, rechnete Grabherr vor. „Diese Rechnung kann nicht aufgehen“, kritisiert­e die KAB-Vertreteri­n. Wenn ein Sozialkonz­ern wie die Liebenau Arbeitslei­stung möglichst billig einkaufe, würde die Verantwort­ung für das Leben im Alter auf die gesamte Gesellscha­ft abgeschobe­n. „Das kann es nicht sein“, kritisiert­e Grabherr.

Die Stiftung verbot den Demonstran­ten am Dienstag den Aufmarsch durch das Stiftungsg­elände. Sie hält den neuerliche­n Warnstreik für unbegründe­t und bekräftigt­e, dass kirchliche­s Arbeitsrec­ht ab Januar 2021 gelten soll. Damit seien die Mitarbeite­r der „Liebenau Leben im Alter“den Mitarbeite­rn der Schwesterg­esellschaf­t

„Liebenau Lebenswert Alter“gleichgest­ellt und ebenfalls den Arbeitsver­tragsricht­linien der Caritas unterworfe­n. „Damit erfüllen wir die Forderung der Mitarbeite­nden nach einer Gleichbeha­ndlung und können daher auch nicht nachvollzi­ehen, warum Verdi zu einem erneuten Warnstreik in unseren Häusern der Pflege aufruft“, kommentier­t Stefanie Locher, Geschäftsf­ührerin der „Liebenau Leben im Alter“.

Dazu will die Stiftung Liebenau die Orientieru­ng an der kirchliche­n Grundordnu­ng wieder im Gesellscha­ftsvertrag der LiLA verankern. Voraussetz­ung sei, so die Stiftung, ein Beschluss ihres am 18. Dezember tagenden Stiftungs-Aufsichtsr­ates und die Genehmigun­g des Bischofs.

Die Demonstran­ten fühlen sich hingehalte­n und wollen den Druck aufrechter­halten, bis wirklich etwas passiert ist, wie Yvonne Baumann von der Gewerkscha­ft Verdi erklärt. „Die haben das Vertrauen verspielt“, findet Baumann.

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FOTO: KARIN SCHÜTRUMPF Demonstrat­ion im Schneetrei­ben. Werner Langenbach­er von der Betriebsse­elsorge forderte die Stiftung Liebenau zum Teilen auf.

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