Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kein Einzelfall
Nicht nur in Biberach gab es Probleme bei der Betäubung von Schlachttieren
STUTTGART - Immer wieder stoßen Veterinärärzte auf Missstände beim Tierschutz im Land. Die FDP-Fraktion fordert: Es muss mehr kontrolliert werden. Doch dafür fehlen die Amtsärzte – obwohl deren Zahl in der Vergangenheit stark gewachsen ist. Die Landesregierung sieht sich auf einem guten Weg.
Die Zahl der Amtstierärzte, die bei den Veterinärämtern unter anderem für die Kontrolle von Schlachthöfen zuständig sind, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion an das Landwirtschaftsministerium hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Waren 2010 noch 157 Amtstierärzte in den Landkreisen tätig, sind es inzwischen 228,5. Und das, obwohl die Zahl der landwirtschaftlich gehaltenen Tiere im selben Zeitraum um 4,8 Prozent gesunken ist.
Für Klaus Hoher, tierschutzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, müssten es angesichts der aktuellen Tierschutzskandale jedoch noch mehr Amtsärzte sein. „Noch immer fehlen im Land über 150 Amtsveterinäre“, sagt er und bezieht sich dabei auf Erhebungen des Landkreistages. Seit 2016 fordere er deshalb die Landesregierung auf, die fehlenden Stellen aufzustocken.
Die hingegen sieht sich auf gutem Weg. „Das Land Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Überwachung im Bereich des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung personell zu stärken“, teilt Minister Peter Hauk (CDU) mit.
Bereits im Oktober, damals noch unter dem Eindruck der Tierschutzverstöße in einem Schlachthof im Landkreis Böblingen, hatte die FDPFraktion eine Anfrage an das Agrarministerium gestellt. Sie wollte konkrete Zahlen sehen, vor allem zur personellen Ausstattung der Veterinärämter und zu Kontrollen in Schlachtbetrieben. „Anlass war der Schlachthofskandal in Gärtringen, in den Minister Hauk persönlich verwickelt war, und die Ergebnisse des Schlachthof-Monitorings, die Minister Hauk über ein Jahr lang beschönigt hatte“, sagt Hoher. Doch noch während die FDP auf Antwort aus dem Agrarministerium wartete, tauchten in der vergangenen Woche Bilder aus dem Schlachthof Biberach auf. Sie zeigten unter anderem, wie das Töten von Rindern durch fehlerhafte Bolzenschussgeräte unnötig in die Länge gezogen wurde. Die Anfrage der FDP an das Agrarministerium bekam damit plötzlich eine neue Brisanz. Schließlich war auch gefragt, wie häufig bei der Schlachtung eine nicht ausreichende Betäubung bei Kontrollen durch die Ämter für Veterinärwesen und Verbraucherschutz beanstandet wurde und welche Maßnahmen diesbezüglich ergriffen wurden.
Demnach gab es in den vergangenen drei Jahren (2018 bis 2020) insgesamt 76 Kontrollen im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Biberach
– unabhängig von der täglichen Aufsicht durch amtliche Tierärzte. In elf Fällen gab es Beanstandungen bei den Betäubungsvorgängen. In einem Fall soll die Beanstandung bei der Elektrobetäubung von Schweinen so groß gewesen sein, dass die Behörden es untersagten, das verwendete Betäubungsgerät weiter zu nutzen.
Doch Biberach ist bei Weitem nicht der einzige Landkreis, in dem in den vergangenen Jahren Mängel bei der Betäubung von Schlachttieren aufgetaucht sind. Im Landkreis Ravensburg traten den Angaben des Ministeriums zufolge sechs Beanstandungen (bei 346 Kontrollen) auf, im Ostalbkreis waren es drei (bei 66 Kontrollen) im Alb-Donau-Kreis waren es zwei (bei 17 Kontrollen) ebenso wie in Tuttlingen. Keine Beanstandungen gab es den Angaben zufolge etwa in Sigmaringen, im Bodenseekreis und in Ulm. Die FDP sieht sich durch die Ergebnisse in ihrer Kritik bestätigt. „Dass es von 2018 bis 2020 bei zahlreichen Kontrollen in Schlachthöfen Beanstandungen bei der Betäubung von Rindern oder Schweinen gab, unterstreicht die strukturellen Probleme in den Schlachthöfen“, sagt Klaus Hoher.
Für Minister Hauk sind Missstände in Biberach hingegen nicht systematisch. „Es war wohl eher menschliches Versagen“, sagte er. Verantwortung trage der Betreiber. Trotzdem stellte der Minister Ende der vergangenen Woche ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, mit denen er verhindern will, dass sich Bilder wie die aus Biberach wiederholen. So sollen Veterinärämter um jeweils eine Stelle verstärkt werden. Auf längere Sicht soll zudem das amtliche Überwachungspersonal in einem Drei-Jahres-Turnus rotieren. Nach Angaben des Ministers plant das Land für regionale Schlachthöfe nach Tierwohlkriterien außerdem bis zu zehn Millionen Euro ein. Schlachthofbetreiber sollen künftig die Möglichkeit haben, in ihren Betrieben freiwillig Videokameras aufzuhängen – und die Aufnahmen den Behörden zur Verfügung zu stellen. Im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“zeigte sich Hauk zuletzt sogar offen für einen Mindestpreis für Fleisch.
Klaus Hoher von der FDP bleibt jedoch skeptisch. Das Maßnahmenbündel sei altbekannt und unkonkret. „Planwirtschaftliche Mindestpreise schaffen nur neue Probleme. Die höheren Preise kommen nicht bei den Landwirten und regionalen Schlachthöfen an und fließen daher auch nicht in tiergerechtere Haltungsformen“, sagt er. Von einer Rücktrittsforderung, wie sie die SPD-Fraktion ausgesprochen hatte, wollen die Liberalen trotzdem zunächst absehen. „Minister Hauk muss endlich liefern und seiner gesetzlich verankerten Plicht zur Durchsetzung des Tierschutzes nachkommen. Viel Arbeit, die da auf den Minister zukommt“, sagt Hoher. „Sollte es noch einmal zu einem Schlachthof-Skandal kommen, dann ist das Maß für uns Freie Demokraten voll.“