Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Von Hollywood nach Oberschwaben
Beim Towerstars-Kooperationspartner Krefeld Pinguine herrscht Chaos – Kai Hospelt wechselt nach Ravensburg
RAVENSBURG - Bei den Kooperationspartnern aus der DEL hat Eishockey-Zweitligist Ravensburg Towerstars in den vergangenen Jahren nicht so ganz das glückliche Händchen bewiesen. Mit den Augsburger Panthern lief die Zusammenarbeit irgendwann ins Leere, die Schwenninger Wild Wings wurden von Fanseite als Erzfeind verständlicherweise nicht gerade geliebt und taten sich schon nach einem Jahr lieber mit dem Ravensburger Ligakonkurrenten EHC Freiburg zusammen. Nun also versuchen es die Towerstars mit den Krefeld Pinguinen. Zwischen Ravensburg und der Stadt am Niederrhein liegen stolze 600 Kilometer – was angesichts dessen, was zuletzt aus Krefeld an die Öffentlichkeit gedrungen ist, noch das kleinste Problem zu sein scheint.
Zwar hatte das Theater bei den als „EC Hollywood“bezeichneten Pinguinen auch zur Folge, dass einer wie Ex-Nationalspieler Kai Hospelt lieber eine Etage tiefer anheuert, bei den Towerstars nämlich, als auch nur einen Tag länger als nötig in Krefeld zu bleiben. Damit sind die Vorteile dieser Zusammenarbeit aber auch schon umrissen. Dass der gerade nach Krefeld zurückbeorderte Philip Kuhnekath in der bisherigen DEL2Saison für die Towerstars auflief, war allein der Tatsache geschuldet, dass die DEL ihren Saisonstart erst Mitte Dezember ansetzte. Nicht nur wegen der räumlichen Distanz scheint mehr als fraglich, wie der Austausch von Förderlizenzspielern während der Saison funktionieren soll.
Wer sich vergegenwärtigt, was bei den Krefeld Pinguinen in den vergangenen Wochen und Monaten los war, kann nur zu dem Schluss kommen, dass es fast ausschließlich bessere Orte gibt, an denen ein Eishockeyspieler seinem Beruf nachgeht. Zwar lautet das neue, selbst gewählte Motto der Pinguine: „Weg vom EC Hollywood“. Damit hat der DELClub aber auch schon eingestanden, dass manches filmreif war, was sich da zuletzt an Peinlichkeiten abspielte. Erst flüchtete Geschäftsführer Roger Nicholas aus der Verantwortung und der neue Schweizer Investor Stefano Ansaldi setzte den erst 24-jährigen Sergey Saveljev, eigentlich als Chefscout vorgesehen, als dessen Nachfolger ein. Dann streikten die Spieler, dann verabschiedete sich der Trainer von jetzt auf gleich.
Der Saisonstart wurde wegen Corona verschoben, für das Vorbereitungsturnier MagentaSport Cup verpflichtete Saveljev aber munter zusätzliche Spieler – sehr zum Unmut von Torsten Ankert und Co., die angesichts der Pandemie um ihre berufliche Zukunft fürchteten. Erst als die DEL-Zentrale die Krefelder daran erinnerte, dass für die zweimal verschobene Saison mit Geisterspielen ab 17. Dezember die Kosten drastisch gesenkt werden müssten, rief der neue Geschäftsführer Hals über Kopf eine Teamsitzung ein. Zusätzlichen Gehaltsverzicht, den die anderen Clubs längst vereinbart hatten, forderte Saveljev zu nächtlicher Stunde in der Kabine. Die Spieler streikten vor dem Spiel am nächsten Abend und verweigerten das Aufwärmprogramm – auch weil ihr Gehalt noch nicht ausgezahlt worden war. Fünf Tage später warf Trainer Glen Hanlon das Handtuch, mehrere Spieler verschwanden gleich mit. Das NHL-Toptalent Dominik
Bokk, das die Pinguine mit viel Trara verpflichtet hatten, war da schon lange wieder weg.
Zu allem Überfluss streitet sich der Club auch noch mit seinem einstigen Aushängeschild Daniel Pietta vor dem Arbeitsgericht. Der Zehnjahresvertrag, den der Nationalspieler 2015 erhielt, sei eigentlich nur ein Arbeitspapier, das jährlich verlängert werden müsse, argumentierten die Pinguine nach der Kündigung. Das sah nicht nur Richterin Monika LepperErke anders, die von einem ausstehenden Gehalt von einer Million Euro brutto ausging und als Vergleich 350 000 Euro vorschlug. Saveljev war wenig begeistert und verweigerte Pietta erst einmal die Freigabe für seinen neuen Club ERC Ingolstadt.
Wie groß die finanziellen Probleme
Der Neu-Ravensburger Kai Hospelt über seine Endphase in Krefeld
in Krefeld sind, weiß niemand genau. „Alles gut“, betonte Saveljev immer wieder. Es gebe „momentan keinen Anlass, Zweifel am Haushaltsplan zu hegen“, sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke dem SID. Wer überhaupt die Rechnungen bezahlt, ist offen. Ansaldi, der mit seinem Einstieg im April dem umstrittenen russischen Geldgeber Michail Ponomarew folgte und die Insolvenz abwendete, tauchte nie auf und äußerte sich auch nie öffentlich. Die Fans haben von ihrem „EC Hollywood“längst die Nase voll. Die Verantwortlichen sollten dafür sorgen, „dass wir kein Mitleid mehr von den Gegnern abkriegen. Dass wir nicht mehr jede Freakwertung der Liga gewinnen“, schrieb das Fanprojekt in einem offenen Brief und forderte, dass „die Pinguine nicht zur undurchsichtigen EgoShow verkommen“.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Konkurrent einen Neuzugang aus Krefeld präsentiert: Zuletzt verabschiedeten sich Wade Bergman und Kai Hospelt, zuvor war bereits unter anderem Kapitän Torsten Ankert nach Iserlohn gewechselt. Stürmer Eugen Alanov meinte nach seinem Abgang zur Düsseldorfer EG: „Vielleicht kann ich jetzt wieder besser schlafen.“
Auch um Hospelts Nachtruhe war es jüngst nicht gut bestellt. „Die letzten zwei Wochen waren turbulent und sehr stressig. Das ist mir an die Nieren gegangen. Ich habe wenig geschlafen und viel Gewicht verloren.“Nun wolle er aber nach vorne blicken, sagte der Topstürmer nach seiner ersten Trainingseinheit in Ravensburg am Mittwoch. „Ich will Spaß haben. Morgens kommen, Eishockey spielen und nach Hause gehen“, lautet seine einfache Formel, um die Zeit in Krefeld zu vergessen. Als „durchweg positiv“bezeichnet er seine ersten Eindrücke beim DEL2-Tabellenführer. „Die Jungs haben mich super aufgenommen“, sagt der 35-jährige Hospelt, der mit der Erfahrung von mehr als 900 ErstligaEinsätzen und einer zehn Jahre währenden Nationalmannschafts-Karriere nach Oberschwaben gekommen ist. Davon erstmals profitieren könnten die Towerstars am kommenden Wochenende, wenn es gegen Kaufbeuren und nach Landshut geht. „Ich freue mich schon auf Freitag“, sagt Kai Hospelt.
„Die letzten zwei Wochen waren turbulent und sehr stressig. Das ist mir an die Nieren gegangen.“