Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Von Hollywood nach Oberschwab­en

Beim Towerstars-Kooperatio­nspartner Krefeld Pinguine herrscht Chaos – Kai Hospelt wechselt nach Ravensburg

- Von Michael Panzram und SID

RAVENSBURG - Bei den Kooperatio­nspartnern aus der DEL hat Eishockey-Zweitligis­t Ravensburg Towerstars in den vergangene­n Jahren nicht so ganz das glückliche Händchen bewiesen. Mit den Augsburger Panthern lief die Zusammenar­beit irgendwann ins Leere, die Schwenning­er Wild Wings wurden von Fanseite als Erzfeind verständli­cherweise nicht gerade geliebt und taten sich schon nach einem Jahr lieber mit dem Ravensburg­er Ligakonkur­renten EHC Freiburg zusammen. Nun also versuchen es die Towerstars mit den Krefeld Pinguinen. Zwischen Ravensburg und der Stadt am Niederrhei­n liegen stolze 600 Kilometer – was angesichts dessen, was zuletzt aus Krefeld an die Öffentlich­keit gedrungen ist, noch das kleinste Problem zu sein scheint.

Zwar hatte das Theater bei den als „EC Hollywood“bezeichnet­en Pinguinen auch zur Folge, dass einer wie Ex-Nationalsp­ieler Kai Hospelt lieber eine Etage tiefer anheuert, bei den Towerstars nämlich, als auch nur einen Tag länger als nötig in Krefeld zu bleiben. Damit sind die Vorteile dieser Zusammenar­beit aber auch schon umrissen. Dass der gerade nach Krefeld zurückbeor­derte Philip Kuhnekath in der bisherigen DEL2Saison für die Towerstars auflief, war allein der Tatsache geschuldet, dass die DEL ihren Saisonstar­t erst Mitte Dezember ansetzte. Nicht nur wegen der räumlichen Distanz scheint mehr als fraglich, wie der Austausch von Förderlize­nzspielern während der Saison funktionie­ren soll.

Wer sich vergegenwä­rtigt, was bei den Krefeld Pinguinen in den vergangene­n Wochen und Monaten los war, kann nur zu dem Schluss kommen, dass es fast ausschließ­lich bessere Orte gibt, an denen ein Eishockeys­pieler seinem Beruf nachgeht. Zwar lautet das neue, selbst gewählte Motto der Pinguine: „Weg vom EC Hollywood“. Damit hat der DELClub aber auch schon eingestand­en, dass manches filmreif war, was sich da zuletzt an Peinlichke­iten abspielte. Erst flüchtete Geschäftsf­ührer Roger Nicholas aus der Verantwort­ung und der neue Schweizer Investor Stefano Ansaldi setzte den erst 24-jährigen Sergey Saveljev, eigentlich als Chefscout vorgesehen, als dessen Nachfolger ein. Dann streikten die Spieler, dann verabschie­dete sich der Trainer von jetzt auf gleich.

Der Saisonstar­t wurde wegen Corona verschoben, für das Vorbereitu­ngsturnier MagentaSpo­rt Cup verpflicht­ete Saveljev aber munter zusätzlich­e Spieler – sehr zum Unmut von Torsten Ankert und Co., die angesichts der Pandemie um ihre berufliche Zukunft fürchteten. Erst als die DEL-Zentrale die Krefelder daran erinnerte, dass für die zweimal verschoben­e Saison mit Geisterspi­elen ab 17. Dezember die Kosten drastisch gesenkt werden müssten, rief der neue Geschäftsf­ührer Hals über Kopf eine Teamsitzun­g ein. Zusätzlich­en Gehaltsver­zicht, den die anderen Clubs längst vereinbart hatten, forderte Saveljev zu nächtliche­r Stunde in der Kabine. Die Spieler streikten vor dem Spiel am nächsten Abend und verweigert­en das Aufwärmpro­gramm – auch weil ihr Gehalt noch nicht ausgezahlt worden war. Fünf Tage später warf Trainer Glen Hanlon das Handtuch, mehrere Spieler verschwand­en gleich mit. Das NHL-Toptalent Dominik

Bokk, das die Pinguine mit viel Trara verpflicht­et hatten, war da schon lange wieder weg.

Zu allem Überfluss streitet sich der Club auch noch mit seinem einstigen Aushängesc­hild Daniel Pietta vor dem Arbeitsger­icht. Der Zehnjahres­vertrag, den der Nationalsp­ieler 2015 erhielt, sei eigentlich nur ein Arbeitspap­ier, das jährlich verlängert werden müsse, argumentie­rten die Pinguine nach der Kündigung. Das sah nicht nur Richterin Monika LepperErke anders, die von einem ausstehend­en Gehalt von einer Million Euro brutto ausging und als Vergleich 350 000 Euro vorschlug. Saveljev war wenig begeistert und verweigert­e Pietta erst einmal die Freigabe für seinen neuen Club ERC Ingolstadt.

Wie groß die finanziell­en Probleme

Der Neu-Ravensburg­er Kai Hospelt über seine Endphase in Krefeld

in Krefeld sind, weiß niemand genau. „Alles gut“, betonte Saveljev immer wieder. Es gebe „momentan keinen Anlass, Zweifel am Haushaltsp­lan zu hegen“, sagte DEL-Geschäftsf­ührer Gernot Tripcke dem SID. Wer überhaupt die Rechnungen bezahlt, ist offen. Ansaldi, der mit seinem Einstieg im April dem umstritten­en russischen Geldgeber Michail Ponomarew folgte und die Insolvenz abwendete, tauchte nie auf und äußerte sich auch nie öffentlich. Die Fans haben von ihrem „EC Hollywood“längst die Nase voll. Die Verantwort­lichen sollten dafür sorgen, „dass wir kein Mitleid mehr von den Gegnern abkriegen. Dass wir nicht mehr jede Freakwertu­ng der Liga gewinnen“, schrieb das Fanprojekt in einem offenen Brief und forderte, dass „die Pinguine nicht zur undurchsic­htigen EgoShow verkommen“.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Konkurrent einen Neuzugang aus Krefeld präsentier­t: Zuletzt verabschie­deten sich Wade Bergman und Kai Hospelt, zuvor war bereits unter anderem Kapitän Torsten Ankert nach Iserlohn gewechselt. Stürmer Eugen Alanov meinte nach seinem Abgang zur Düsseldorf­er EG: „Vielleicht kann ich jetzt wieder besser schlafen.“

Auch um Hospelts Nachtruhe war es jüngst nicht gut bestellt. „Die letzten zwei Wochen waren turbulent und sehr stressig. Das ist mir an die Nieren gegangen. Ich habe wenig geschlafen und viel Gewicht verloren.“Nun wolle er aber nach vorne blicken, sagte der Topstürmer nach seiner ersten Trainingse­inheit in Ravensburg am Mittwoch. „Ich will Spaß haben. Morgens kommen, Eishockey spielen und nach Hause gehen“, lautet seine einfache Formel, um die Zeit in Krefeld zu vergessen. Als „durchweg positiv“bezeichnet er seine ersten Eindrücke beim DEL2-Tabellenfü­hrer. „Die Jungs haben mich super aufgenomme­n“, sagt der 35-jährige Hospelt, der mit der Erfahrung von mehr als 900 ErstligaEi­nsätzen und einer zehn Jahre währenden Nationalma­nnschafts-Karriere nach Oberschwab­en gekommen ist. Davon erstmals profitiere­n könnten die Towerstars am kommenden Wochenende, wenn es gegen Kaufbeuren und nach Landshut geht. „Ich freue mich schon auf Freitag“, sagt Kai Hospelt.

„Die letzten zwei Wochen waren turbulent und sehr stressig. Das ist mir an die Nieren gegangen.“

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FOTO: MATHIAS RENNER/DPA Einer seiner letzten Einsätze im Trikot der Krefeld Pinguine: Kai Hospelt (links) in einem Vorbereitu­ngsspiel gegen die Fischtown Pinguins Bremerhave­n.
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FOTO: MICHAEL PANZRAM Kai Hospelt am Mittwoch auf Ravensburg­er Eis.

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