Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Reisebranche schreibt auch 2021 ab
Trotz Buchungen stehen Anbieter vor schwierigen Monaten – Urlaubsausgaben halbieren sich im Corona-Jahr 2020
BERLIN - Die Hoffnungen auf einen unbeschwerten Urlaub im zweiten Halbjahr steigen offenkundig allmählich an. „Seit Mitte Februar gibt es Anzeichen für ein Anziehen der Reisebuchungen“, stellt der Deutsche Reiseverband (DRV) fest. Der Großteil der Buchungsumsätze entfällt auf die Sommersaison, und auch die Zeit von Oktober an ist gefragt. Auf die Osterferien entfallen nur 13 Prozent der Neubuchungen. Der kurzfristige Optimismus ist also nicht sehr ausgeprägt. Gefragt sind vor allem Ziele im östlichen Mittelmeer, insbesondere die griechischen Inseln. Spanien mit den Balearen-Inseln stößt nur auf verhaltenes Interesse.
Auf die Urlauber kommen durch die zu erwartenden Kosten wohl auch höhere Reisepreise zu. Impfungen werden wohl zum Schlüssel für einen Neustart des Reisegeschäfts. Der DRV schließt nicht aus, dass einzelne Veranstalter von Herbst an eine Impfung für die Reisebuchung voraussetzen. Ein Hemmnis sind auch die Quarantänebestimmungen bei der Rückkehr. Hier hofft der Verband, dass umfangreiche Tests eine Abschottung nach der Heimkehr vermeiden können.
Für die Branche bedeutet die Entwicklung nur einen kleinen Hoffnungsschimmer. „Dieses Jahr wird weiter von Verlusten in der Reisewirtschaft geprägt sein“, sagt DRVPräsident Norbert Fiebig knapp eine Woche vor Beginn der internationalen Reisemesse ITB, die in diesem Jahr online stattfindet. „Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveranstalter rund 50 Prozent des Umsatzvolumens von 2019 erreichen würden.“Wie dramatisch der Einbruch im vergangenen Jahr war, zeigt die Reisebilanz. 32 Milliarden Euro gaben die Bundesbürger im Corona-Jahr für den Urlaub aus. Ein Jahr zuvor waren es fast 70 Milliarden Euro. Der Umsatz mit Pauschalreisen ging auf den Stand von vor 30 Jahren zurück. Das liegt auch daran, dass viele Urlauber in näheren Regionen Ferienquartier nahmen und Wohnungen oder Häuser selbst buchten.
Durch die staatlichen Hilfen sowie die ausgesetzte Meldepflicht für Insolvenzen überleben die meisten Betriebe mit insgesamt rund 100 000 Beschäftigten noch. „Wir haben noch keine Insolvenzwelle gesehen“, erläutert Fiebig. Der DRV rechnet mit einer Verlängerung der ausgesetzten Meldepflicht über den April hinaus. Ebenso müssten die Hilfen für die Reisebüros- und Veranstalter verlängert werden, fordert er.
Mit einem Anlaufen des Geschäfts zu Pfingsten beziehungsweise zum Sommer rechnet jeweils etwa ein Drittel der Unternehmen, wie aus einer DRV-Umfrage unter 600 Firmen hervorgeht. Einen Neustart zu Ostern sehen nur wenige der Unternehmen. Zehn Prozent der befragten Reisebüros und knapp neun Prozent der Reiseveranstalter sehen in diesem Jahr überhaupt keine Chance auf ein Anlaufen des Geschäfts.
Der DRV fordert systematische Corona-Tests statt Quarantäne nach der Rückkehr Reisender aus dem Ausland. „Das Argument nicht ausreichender Test-Kapazitäten gilt inzwischen nicht mehr“, sagte Fiebig. Noch wichtiger sei mehr Tempo beim Impfen. „Es kann nicht sein, dass wir im internationalen Vergleich dabei so hinterherhinken.“Zudem müsse die Politik ihre nicht „enden
wollenden Appelle“unterlassen, aufs Reisen zu verzichten.
Die Corona-Krise hat die Gewichte auf dem Reisemarkt im vergangenen Jahr verschoben. Erstmals wurden nur 39 Prozent der Privat- und Urlaubsreisen über Veranstalter gebucht – der Anteil lag bislang bei mehr als 50 Prozent. Urlauber setzten vor allem auf Ziele zwischen Usedom und Garmisch-Partenkirchen oder in angrenzenden Ländern wie Österreich, die sie mit dem eigenen Auto oder der Bahn erreichen können. Diese Trips organisieren sich Reisende meist selbst.
Dennoch rechnet der DRV langfristig nicht mit einer grundsätzlichen Änderung des Reiseverhaltens. Laut einer Umfrage der GfK-Konsumforscher hat sich an der Beliebtheit der Ziele wenig geändert. So peilen die Befragten künftig neben Deutschland unter anderem auch wieder die Balearen, Griechenland, Italien, die Kanaren, und Österreich an.
Eine Ausnahme ist das Geschäft mit Unternehmen. Eine Umfrage unter Unternehmen zeigt, dass Geschäftsreisen kaum mehr in gewohntem Umfang durchgeführt werden. Zwei von drei Befragten rechnet langfristig mit bis zu 30 Prozent weniger Geschäftsreisen. Jede zehnte Firma will nur noch die Hälfte zulassen.