Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Regionalplan erhitzt die Gemüter in Tettnang
Im Fokus der Diskussion stehen die Zukunft der Landwirtschaft, Entwicklungspotenziale und der Kiesabbau
TETTNANG - Zwischen Resignation und Tatendrang hat sich die Diskussion rund um die Fortschreibung des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben in der letzten Sitzung des Technischen Ausschusses der Stadt Tettnang bewegt. Ganz frisch lagen die Empfehlungsbeschlüsse der Ortschaftsräte aus der gleichen Woche und ein Antrag der Grünen-Fraktion vor. Doch die Linie der großen Themen wie Schutzgebiete, Kiesabbau oder auch die Schaffung eines Radschnellwegs nahmen gleichwohl großen Anteil an der Diskussion ein. Entscheiden soll der Gemeinderat am Mittwoch, 10. März, davor beraten sich die Fraktionen intern.
Der Ortschaftsrat Langnau fordert in seinem Empfehlungsbeschluss, die Stadt Tettnang solle in der Fortschreibung die Übernahme der schutzbedürftigen Bereiche für die Landwirtschaft aus dem Regionalplan 1996 als Vorranggebiete für die Landwirtschaft fordern.
Auch müsse der Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen „bei einer eventuellen Abwägung gegenüber entgegenstehenden Nutzungen und den daraus resultierenden Einschränkungen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung, eine besondere Gewichtung (eben dieser landwirtschaftlich genutzten Flächen) erhalten, sowohl im Vorranggebiet für regionale Grünzüge und Grünzäsuren als auch in anderen Vorranggebieten“, so der Beschluss.
Dies deckt sich im Kern mit Befürchtungen des Verbands Obstregion Bodensee oder des Hopfenpflanzerverbands Tettnang (die SZ berichtete). Die Kritik richtet sich gegen die Ausweisung großer Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege, die derzeit landwirtschaftlich betrieben werden.
Die Sorge ist, dass dies Landwirtschaft in diesen Bereichen irgendwann erschweren bis unmöglich machen könne. In diese Richtung argumentiert mit seinem Empfehlungsbeschluss im Grunde auch der Ortschaftsrat Langnau. Ortsvorsteher Peter Bentele sprach von erhitzten Gemütern und der Sorge vor künftigen Einschränkungen.
In Kau ist die Sorge eine andere. Die bereits bestehende Stellungnahme der Stadt von November 2019 solle dahingehend abgeändert werden, „dass der Bereich des geplanten dritten Bauabschnitts des Gewerbegebiets Bürgermoos-West weiterhin Grünzug bleiben soll“. Dahinter steckt die Sorge, dass das traditionelle Hopfenangbaugebiet im Kau zum Gewerbegebiet werden könne. Ortsvorsteher Joachim Wohnhas sagte: „Wir sehen nicht ein, dass in Richtung Pfingstweid alles grau durchgezeichnet ist.“Hier äußerte Bürgermeister Bruno Walter, dass sich am Ende jeder Grundstückseigentümer selbst entscheiden könne, ob er verkaufe oder das Grundstück behalte. „Ein Problem wäre das Beschneiden der Entwicklungspotenziale.“Am Ende müsse der Gemeinderat Tettnang über den Bebauungsplan entscheiden. Aber sich diese Option über den Regionalplan zu verbauen, bezeichnete er als falsch.
Die Grünen-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Unterbrechung der Fortschreibung des Regionalplans. Die zugrundeliegenden Zahlen zum Bevölkerungswachstum sollten zuerst von einer unabhängigen, wissenschaftlichen Stelle geprüft werden. Es gebe ernstzunehmende Untersuchungen, die zu einem deutlich geringeren Bevölkerungswachstum kämen. Außerdem solle in Bezug den Kiesabbau ein Recycling-Konzept „zur größtmöglichen Vermeidung des weiteren Verbrauchs“des Rohstoffs Kies erstellt werden und auch der überdurchschnittliche Abfluss des Rohstoffs in andere Regionen und das Ausland deutlich begrenzt werden.
Zudem, so die Grünen, sollten die Themen Energie und Klima gleichwertig neben anderen Themen aufgenommen werden. Und die Stadt solle an ihrer Anregung zu einem Radschnellweg von Wangen über Neukirch und Tettnang nach Friedrichshafen festhalten.
In Bezug auf die Empfehlungsbeschlüsse aus Langnau und Kau sagte Andreas Huchler (CDU), er könne beide Seiten gut verstehen. Allerdings argumentierte er in Bezug auf Kau wie Walter, dass die Eigentümer das am Ende selbst entscheiden können sollten. Bezüglich der Sorgen der Langnauer sagte Huchler, dass ein Regionalplan Schutzgebiete nicht verhindern könne. Und beim Kiesabbau gebe es auch an anderen Stellen Versuche, den Stein auszuhöhlen. Am Ende beinhalte die Stellungnahme der Stadt hehre Vorschläge, werde aber nur geringe Unterschiede machen. Sylvia Zwisler (CDU) merkte an, dass sie die Sorgen aus Kau gut verstehen könne. In der Tat sei sehr viel gebaut worden. Walter erwiderte, dass das gesetzte Ziel im Regionalplan sei, eine starke Zersiedlung etwa zulasten der Landwirtschaft zu verhindern. Walter wies auch darauf hin, dass die Stadt in diesem Prozess zwar angehört werde, es sich aber um ein normales Abwägungsverfahren handle.
Auf die Frage von Zwisler, ob man den Experten Thomas Friedemann einladen könne, antwortete Bürgermeister Walter mit der Bitte, nach den Fraktionsbesprechungen eine Rückmeldung zu geben und dort Fragen zu sammeln. Zwisler wies darauf hin, dass sie die Diskussion nicht verstehe, zumal auch im Gemeinderat neue Fragen entstehen könnten.
Kajo Aicher (Grüne) betonte noch einmal das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Mit dem Regionalplan sei auch die Frage verbunden: „Wie wollen wir eigentlich leben in der Zukunft? Wie kommen wir an die Nachhaltigkeitsziele?“Gerhard Brugger (FDP) sagte, das sei die Grundlage für die kommenden 15 bis 20 Jahre. Er bezeichnete es als bedenklich, wenn man jetzt keine Potenzialflächen schaffe: „Wir brauchen alles.“Hans Schöpf (Grüne) bedankte sich bei Hansjörg Bär (FW) für dessen Zustimmung. Der hatte den Antrag der Grünen in seiner Wortmeldung als sinnvoll bezeichnet. Der Regionalplan sei das Instrument, um solche Forderungen zu stellen, gerade auch mit Blick auf das Thema Exportquote beim Kies.