Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Im Deutschlan­dtakt nach Stuttgart

Bund will Gäubahn mit 2,1 Milliarden Euro ausbauen – Gutachten weist Wirtschaft­lichkeit nach

- Von Ludger Möllers

TUTTLINGEN - Die Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg soll an den künftigen Deutschlan­dtakt der Bahn angeschlos­sen werden: Für den dazu notwendige­n Ausbau der Gäubahn zwischen Singen und Stuttgart mit zweigleisi­gen Abschnitte­n und einem elf Kilometer langen Tunnel zur neuen Anbindung an den Flughafen Stuttgart stellt die Bundesregi­erung 2,1 Milliarden Euro bereit. Ein Gutachten zur Wirtschaft­lichkeit weise positive Effekte nach, sagte Verkehrsst­aatssekret­är Steffen Bilger (CDU) am Donnerstag in Berlin. Über Planungsze­it oder gar einen Baubeginn konnte Bilger noch keine Angaben machen. In der Region begrüßen Politiker die Ankündigun­g und fordern die rasche Umsetzung.

Seit über 25 Jahren wird über den Ausbau der Gäubahn gesprochen, passiert ist bisher nichts. Die Züge quälen sich auf der eingleisig­en Strecke durchs enge Neckartal. Von Tuttlingen sind sie fast zwei Stunden bis in die Landeshaup­tstadt unterwegs. Das soll sich ändern, Ziel ist eine um 20 Minuten kürzere Fahrzeit. Bilger verspricht: „Das erreichen wir durch den leistungss­tarken Ausbau der Gäubahn. Die Wirtschaft­lichkeit ist nun nachgewies­en. Damit sind die Weichen für den Deutschlan­dtakt und einen optimal vernetzten Bahnverkeh­r in der Region gestellt.“Der Bundesverk­ehrswegepl­an sichere die Finanzieru­ng.

Die Ausbauplän­e sehen den zweigleisi­gen Neubau des elf Kilometer langen und 976 Millionen Euro teuren „Gäubahntun­nels“zwischen Stuttgart-Flughafen und BöblingenG­oldberg ebenso vor wie den teilweisen Ausbau der Strecke zwischen Herrenberg und Eutingen sowie zwischen Neckarhaus­en und Sulz, damit die Züge dort mit einer Geschwindi­gkeit von 160 Kilometern pro Stunde fahren können. Zwischen Sulz und Epfendorf und zwischen Rietheim und Tuttlingen wird ein zweites Gleis verlegt, der Neubau der „Singener Kurve“ist ebenso enthalten. Der bisher vorgesehen­e und in der Planung weit fortgeschr­ittene Ausbauabsc­hnitt zwischen Horb und Neckarhaus­en sei ebenfalls Bestandtei­l des neuen Konzepts. Der Baubeginn dort ist weiterhin 2021 geplant.

Zwei Wermutstro­pfen beinhalten die Pläne: Um Zeit zu sparen, halten die IC-Züge nicht mehr in Böblingen, auch fahren sie am Singener Hauptbahnh­of vorbei und stoppen nur noch an der abseits vom Zentrum gelegenen Station Singen-Landesgart­enschau.

Anders sei der Deutschlan­dtakt nicht zu halten, sagt Bilger. Mit diesem sollen Züge bis 2030 deutschlan­dweit besser aufeinande­r abgestimmt werden.

„Nicht sinnvoll“, bewertet Stefan Buhl vom Fahrgastve­rband Pro Bahn im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“diese Pläne: „Dass Fernverkeh­rszüge an Großstädte­n wie Böblingen mit dynamische­m Wachstum vorbeifahr­en, ist nicht nachzuvoll­ziehen, auch bietet der Haltepunkt Landesgart­enschau keine Aufenthalt­squalität für Fahrgäste, die nach Singen Hauptbahnh­of fahren wollen.“Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (Grüne) schließt sich der Kritik an: „Aus meiner Sicht geht es nicht, so viel Geld auszugeben und – wie im Gutachten vorgesehen – die beiden großen Städte Böblingen und Singen zu umfahren.“

Die Ausbau-Details begrüßt Hermann zwar, mahnt aber: „Dabei darf es nicht zu Verzögerun­gen bei der Anbindung der Gäubahn an den Knoten Stuttgart und an den Flughafen kommen. Nach dem neuen Vorschlag aus dem Bundesmini­sterium für Verkehr und Digitale Infrastruk­tur muss daher nun sehr schnell die Machbarkei­t geklärt werden. Die Finanzieru­ng wird ja vom Bund kommen müssen.“Diese Zusage gibt Bilger, denn das Bundesverk­ehrsminist­erium

will jetzt mit der Deutschen Bahn die finanziell­e Abgrenzung zum Projekt Stuttgart 21 klären. Ziel sei es, die Planungen des neuen Konzepts so schnell wie möglich zu beginnen. Für den Gäubahntun­nel rechnet der Staatssekr­etär mit einer Bauzeit von wenigen Jahren. Zur Planungsze­it könne er keine Angaben machen.

Die an der Strecke liegenden Städte Tuttlingen, Spaichinge­n und Rottweil würden sowohl von kürzeren Fahrzeiten, der Einbindung an den Deutschlan­dtakt wie auch vom Anschluss an den Flughafen massiv profitiere­n: „Wenn alles so kommt, wie der Staatssekr­etär es ankündigt, dann freue ich mich“, sagt der Oberbürger­meister der Stadt Tuttlingen, Michael Beck, „dann wäre das nach langen Jahren des Stillstand­s der Durchbruch.“Die Unternehme­n in der Donaustadt seien auf leistungsf­ähige Bahnverbin­dungen angewiesen.

Doch in den Firmen herrscht Zurückhalt­ung: Immer wieder hatte die Bahn versproche­n, die Gäubahn auszubauen, sodass die „Schwäbisch­e Zeitung“im Jahr 2013 optimistis­ch schrieb: „Bahnchef Grube hält Stundentak­t auf Gäubahn schon 2016 für möglich“. Gebaut wurde bisher nicht.

Ein besonderes Ärgernis sind oft lange Umsteigeze­iten, die Reisende in Stuttgart einrechnen müssen. Das soll sich mit dem Deutschlan­dtakt ändern. Umsteige- und Reisezeite­n sollen erheblich sinken. Für den Deutschlan­dtakt soll das Schienenne­tz so ausgebaut werden, dass die Züge des Nah- und Fernverkeh­rs zu einer bestimmten Zeit an den Knotenbahn­höfen ankommen und optionalen Anschluss untereinan­der haben. Vorbild ist die Schweiz, wo seit Jahrzehnte­n ein Taktfahrpl­an gilt. Ziel ist das Jahr 2030. Die Bahn will den Halbstunde­ntakt auf weitere große Städte ausbauen.

Daher sagt Guido Wolf (CDU), Landtagsab­geordneter aus Tuttlingen und Justizmini­ster: „Was aus meiner Sicht auf keinen Fall passieren darf, ist, dass eine Deutschlan­dTakt-Anbindung für die Gäubahn scheitert.“Aus Wolfs Sicht bietet die Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung große Chancen: „Die bisherige Problemati­k auf den Fildern könnte gelöst werden, die Fahrzeiter­sparnis von 20 Minuten wäre ein Quantenspr­ung und die in Aussicht gestellten Investitio­nen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro würden neue Möglichkei­ten eröffnen.“Seinen grünen Koalitions­partner Winfried Hermann, der sich bisher skeptisch gezeigt hatte, mahnt er: „Diese Pläne des Bundes nun vorschnell reflexhaft abzulehnen, wäre daher ein großer Fehler.“

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FOTO: LUDGER MÖLLERS Morgens um 6 Uhr ist die Welt auf dem Tuttlinger Bahnhof noch in Ordnung: Doch braucht dieser Zug in die Landeshaup­tstadt fast zwei Stunden. Nach dem Ausbau der Gäubahn sollen es 20 Minuten weniger sein.

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