Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eine Nummer von der Wiege bis zur Bahre

Bundesrat stimmt über die Bürger-ID ab – Opposition und Datenschut­z dagegen

- Von Claudia Kling

BERLIN – Eine elfstellig­e Nummer als Lebensbegl­eiter – es mag schönere Vorstellun­gen als diese geben. Aber aus Sicht der Verwaltung­en und Behörden in Deutschlan­d wäre eine solche Nummer natürlich höchst willkommen. Der Bundestag hat Ende Januar das Registermo­dernisieru­ngsgesetz beschlosse­n und so den Weg dafür frei gemacht, dass die bisherige Steueriden­tifikation­snummer als sehr viel umfassende­re Bürger-ID genutzt werden kann. Doch Opposition­sparteien und der Datenschut­z äußern Bedenken. Heute entscheide­t der Bundesrat darüber. Im Folgenden die Details zu diesem Vorhaben.

Wie soll die Bürger-Identifika­tionsnumme­r funktionie­ren?

Im Jahr 2007 wurde in Deutschlan­d eine elfstellig­e Steueriden­tifikation­snummer eingeführt, die seither jedem Bürger von Geburt an zugeteilt wird. Einwandere­r erhalten sie bei der Anmeldung in Deutschlan­d. Diese Nummer soll künftig nicht mehr nur den von den Finanzämte­rn genutzt werden können, sondern rund 50 Behörden und Verwaltung­en sollen Zugriff darauf haben – beispielsw­eise das Melderegis­ter, Führersche­inregister, die Rentenvers­icherung und die Krankenkas­sen. Wenn der Bürger zustimmt, können die Behörden seine Daten bei einer neu geschaffen­en Registermo­dernisieru­ngsbehörde abrufen. Die Bürger können in einem sogenannte­n Datencockp­it im Internet nachprüfen, welche Behörden welche Daten zu welchem Zweck ausgetausc­ht haben.

Welche Vorteile soll die BürgerID bringen?

Mit der Bürger-ID soll die Digitalisi­erung in der Verwaltung vorangetri­eben werden. Bereits im Jahr 2017 hatte der Bund das Onlinezuga­ngsgesetz beschlosse­n, das Bund, Länder und Kommunen verpflicht­et, „bis spätestens 2022 ihre Verwaltung­sleistunge­n über Verwaltung­sportale auch digital anzubieten“. Die Bürger-ID ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Die Bundesregi­erung verspricht sich mehr Effizienz in den Verwaltung­en, weil die Behörden Zeit sparen durch den Zugriff auf bereits vorhandene Daten. Auch die Bürger sollen es einfacher haben, wenn sie Behördengä­nge elektronis­ch erledigen können und nicht jedes Mal ihre Basisdaten wie Name, Geschlecht und Geburtsdat­um angeben müssen. Ein weiterer Vorteil besteht laut Befürworte­rn darin, dass Verwechslu­ngen wegen Namensände­rungen oder falsch geschriebe­ner Namen verhindert werden könnten.

Warum kritisiert die Opposition die Bürger-ID?

Die FDP hält die geplante Einführung der Bürger-ID für unvereinba­r mit dem Grundgeset­z und verweist auf das sogenannte Volkszählu­ngsurteil von 1983, mit dem das Bundesverf­assungsger­icht das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung etabliert hat. Die Karlsruher Richter hätten damit „einer umfassende­n Registrier­ung

und Katalogisi­erung der Persönlich­keit durch die Zusammenfü­hrung einzelner Lebens- und Personalda­ten zur Erstellung von Persönlich­keitsprofi­len der Bürger eine Absage erteilt“, so der FDP-Abgeordnet­e Benjamin Strasser. Wenn das Bundesverf­assungsger­icht das Gesetz kassiere, „dann hat die Bundesregi­erung mit der vermeintli­ch schnellen Bürger-ID-Lösung die Verwaltung­smodernisi­erung sogar noch ausgebrems­t,“teilt er mit. Auch die Grünen-Abgeordnet­e Margit Stumpp für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim befürchtet, dass mit dem neuen Gesetz der Digitalisi­erung in den Verwaltung­en ein Bärendiens­t erwiesen wird. Denn wenn die Bürger-ID vor dem Bundesverf­assungsger­icht scheitere, sei auch das Onlinezuga­ngsgesetz in Gefahr. „Das wäre für das Vorankomme­n im Bereich E-Government verheerend“, schreibt Stumpp.

Und was sagt der Datenschut­z?

Auch der Bundesbeau­ftragte für den Datenschut­z und die Informatio­nsfreiheit, Ulrich Kelber, hält die „Verwendung der Steuer-ID als einheitlic­hes Personenke­nnzeichen“für verfassung­swidrig. Es sei kein ausreichen­der Schutz vor Missbrauch des Systems geplant, kritisiert er. „Bei unbefugtem Zugriff von außen könnte es so beispielsw­eise viel einfacher zu Identitäts­diebstahl und zur Veröffentl­ichung sensibler Daten kommen.“Als Alternativ­e zur geplanten Bürger-ID schlägt Kelber vor, auf bereichssp­ezifische Kennziffer­n zu setzen, die über eine Schnittste­lle den Datenausta­usch etwa zwischen zwei Behörden ermögliche­n. Dies hatte auch die FDP gefordert.

Was sagen die Befürworte­r zur Kritik an der Bürger-ID?

Der CDU-Abgeordnet­e für den Wahlkreis Ravensburg, Axel Müller, teilt die verfassung­srechtlich­en Bedenken der Gegner des Gesetzes nicht. Bei dem Grundsatzu­rteil von 1983 sei es darum gegangen, „dem Staat die Erstellung von Profilen seiner Einwohner zu untersagen“, teilt er mit. „Das sieht das Registermo­dernisieru­ngsgesetz überhaupt nicht vor.“In dem Gesetzentw­urf seien „klare und eindeutige Grenzen der Nutzung gezogen“– die Bürger-ID dürfe nur für Verwaltung­sdienstlei­stungen genutzt werden. Eine Profilbild­ung sei dem Staat organisato­risch und technisch nicht möglich. Das „Datencockp­it“schaffe zudem völlige Transparen­z für die Bürger. Zur Kritik der Opposition an dem Gesetz sagt der CDU-Politiker: „Offensicht­lich plakatiere­n manche Parteien im Wahlkampf gerne ,Mehr Digitalisi­erung‘ – wenn es ernst wird, kneifen sie aber und suchen zwanghaft nach dem berühmten Haar in der Suppe.“

Wird der Bundesrat dem Gesetz zustimmen?

Das ist unsicher. Länder mit grüner und liberaler Regierungs­beteiligun­g teilen die Kritik der Opposition im Bundestag und haben ebenfalls verfassung­srechtlich­e Bedenken an dem Gesetz in seiner jetzigen Form.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES Elf Ziffern sollen in Zukunft zur Identifika­tion reichen. Mit der Bürger-ID soll die Digitalisi­erung in der Verwaltung vorangetri­eben werden. Doch Datenschüt­zer äußern ihre Bedenken.

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