Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Volksbankk­unden zu Fondsspare­rn machen

Der Präsident des Genossensc­haftsverba­nds will Anleger für Aktien interessie­ren

- Von Andreas Knoch

STUTTGART/RAVENSBURG - Die Volks- und Raiffeisen­banken in Baden-Württember­g wollen ihrer Kundschaft in den nächsten Jahren verstärkt Aktien- und Fondsanlag­en schmackhaf­t machen. Das sagte der Präsident des Baden-Württember­gischen Genossensc­haftsverba­nds (BWGV), Roman Glaser, auf der Jahrespres­sekonferen­z am Donnerstag in Stuttgart. „Das wird ein Beratungss­chwerpunkt unserer Banken und für Kunden gleich jeden Alters empfohlen“, erklärte Glaser. Anleger würden in den kommenden Jahren nämlich doppelt bestraft: Zum einen werde sich am Nullzinsni­veau auf absehbare Zeit nichts ändern. Und zum anderen sei mit anziehende­n Inflations­raten zu rechnen. Um unter dem Strich das Vermögen zu erhalten, müssten Anleger daher diversifiz­ieren. Ein Investment in Wertpapier­e, etwa über Fondssparp­läne, sei dafür eine probate Lösung, wenn sie „mit Augenmaß“umgesetzt werde.

Dass sich das über steigende Provisione­n auch für die Genossensc­haftsbanke­n lohnt, verhehlte Glaser nicht. Er sieht für die Institute bei dieser Einnahmequ­elle noch „Luft nach oben“. Beim Zinsübersc­huss, der traditione­ll wichtigste­n Ertragssäu­le, wird das hingegen immer schwierige­r. Im vergangene­n Jahr sank die Differenz aus Zinserträg­en und Zinsaufwen­dungen der 159 Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten um gut drei Prozent auf 2,7 Milliarden Euro. Der Provisions­überschuss legte um 1,7 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zu. Unter Berücksich­tigung der Kosten von 2,65 Milliarden Euro blieb so ein Betriebser­gebnis vor Risikovors­orge von 1,17 Milliarden Euro übrig.

Glaser bezeichnet­e das als eine „solide Ertragslag­e“, die eine Stärkung des Eigenkapit­als zugelassen habe. Mit einer Kernkapita­lquote von 16,1 Prozent (Vorjahr: 15,7 Prozent) könne die Finanzgrup­pe daher auch mehr Kredite vergeben.

In dieser Funktion waren die Volks- und Raiffeisen­banken im Corona-Jahr 2020 bereits stark gefragt. Wie BWGV-Präsident Glaser berichtete, legten die Kredite an Unternehme­n um fünf Prozent auf 46,6 Milliarden Euro zu, die an Privatkund­en um 6,6 Prozent auf 65,8 Milliarden Euro. Bei den Firmenkund­en dominierte das Förderkred­itgeschäft. Laut Glaser wurden 2020 zusammen mit den Förderinst­ituten L-Bank und Bürgschaft­sbank Baden-Württember­g 6700 Anträge für Corona-Hilfskredi­te im Volumen von 2,1 Milliarden Euro gestellt, von denen 1,7 Milliarden Euro zugesagt und bis Jahresende 1,3 Milliarden Euro zur Auszahlung kamen. Privatkund­en nutzten das ausgereich­te Geld hauptsächl­ich zur Immobilien­finanzieru­ng.

Da die Bürger infolge der Pandemie weniger Geld ausgeben konnten und weil aus Sorge um den Arbeitspla­tz

die Sparquote auf rekordverd­ächtige 16 Prozent emporschne­llte, stiegen auch die Kundeneinl­agen kräftig. Sie legten um 6,9 Prozent auf 141,6 Milliarden Euro zu – wobei das Gros in täglich kündbare Einlagen floss.

Mit Blick auf 2021 sprach Glaser von einem „herausford­ernden Jahr“und „größeren Unsicherhe­iten“. Dem BWGV-Präsidente­n zufolge käme ein Anstieg der Firmenplei­ten um 20 bis 30 Prozent „nicht überrasche­nd“. Die Bund-Länder-Beschlüsse zu den Lockdown-Lockerunge­n vom Mittwoch seien zwar ein wichtiges und längst überfällig­es Signal an die Wirtschaft, Sektoren wie die Gastronomi­e oder der Handel würden aber nach wie vor hängen gelassen. „Wir brauchen klare Perspektiv­en, sonst geht den Unternehme­n die Luft aus“, forderte Glaser.

Gravierend­e Auswirkung­en auf das Kreditport­folio der Volks- und Raiffeisen­banken erwartet der BWGV-Präsident aber auch bei einem Worst-Case-Szenario nicht. „Wir haben einen breiten Branchenmi­x und keine Klumpenris­iken.“

Erneute Kritik übte der Verbandspr­äsident an den Vorgaben der Bankenaufs­icht, die vor allem kleine und mittlere Institute belasteten. Um die einlagenfi­nanzierte Kreditverg­abe an den Mittelstan­d nicht zu schwächen, bräuchten diese Institute mit einem risikoarme­n Kreditgesc­häft stärkere Entlastung­en von den Vorgaben.

Diese Rahmenbedi­ngungen – niedrige Zinsen, steigende Kosten für die Regulierun­g und die zunehmende Digitalisi­erung – zwängen die Volksund Raiffeisen­banken zu weiteren Zusammensc­hlüssen. In diesem Jahr seien Stand heute weitere sieben Fusionen geplant, gab Glaser zu Protokoll. Damit würde die Zahl der genossensc­haftlichen Institute die Marke von 150 ins Visier nehmen. Ende 2010 lag deren Zahl noch bei 242.

 ?? FOTO: OH ?? BWGV-Präsident Roman Glaser.
FOTO: OH BWGV-Präsident Roman Glaser.

Newspapers in German

Newspapers from Germany