Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Verordnung, verärgerte Eltern und verängstigte Kids
Bisher zwei weitere Infizierte in Achberg - Quarantänemaßnahmen stoßen bei einigen auf Unverständnis
ACHBERG - Nachdem sich ein Kind in Achberg mit der südafrikanischen Corona-Mutation infiziert hat, galten bis Mittwochmittag zwei weitere Menschen in Achberg als infiziert. Weitere Testergebnisse stehen noch aus. Bei der Lehrerin, die ebenfalls positiv getestet wurde, steht immer noch nicht fest, ob sie ebenfalls mit der Mutation infiziert ist. Da das Probenmaterial zu gering war, musste der Test wiederholt werden. Viele Eltern ärgern sich indes über die ihrer Meinung nach übertriebenen Quarantänemaßnahmen.
Der Spielplatz in Esseratsweiler ist wie leergefegt. Kein Kind ist zu sehen. Nach einem positiven Coronafall mit der südafrikanischen Mutation sind seit Samstag rund 150 Achberger in Quarantäne, meist Grundschüler und ihre Familien. Da in
Baden Württemberg – anders als in Bayern – die Gemeindeverwaltungen für das Gesundheitsamt die Kontaktverfolgung übernehmen müssen, hatten Bürgermeister Johannes Aschauer und Hauptamtsleiterin Marion Herrmann am Wochenende die Quarantänen ausgesprochen. Viele Achberger halten das Vorgehen für übertrieben, so ist immer wieder im Ort zu hören. Sie verstehen nicht, dass wegen zwei CoronaFällen ein ganzes Dorf weggesperrt werden müsse.
Doch das sieht die Corona-Verordnung so vor: Baden-Württemberg hatte erst vergangene Woche die Quarantäneregeln bei Infektionen mit Corona-Mutationen verschärft, weil die Virusvarianten als ansteckender gelten und sich somit schneller ausbreiten. Das bedeutet: Kontaktpersonen ersten Grades müssen 14 statt wie bislang zehn Tage
in Isolation. Wenn es sich um eine Infektion mit einer Mutation handelt, sind auch die Haushaltsangehörigen
von der Quarantäne betroffen. Ein früheres Freitesten ist nicht möglich. „Ich habe da keinen Spielraum“, versichert Aschauer.
Das Telefon von Schulleiterin Birgit Erletz steht nicht still. „Die Eltern sind sehr aufgeregt“, sagt sie. Sie ärgern sich, dass die Kinder nun wieder daheim lernen müssen. Was der Rektorin aber noch mehr Sorgen macht: Viele Mädchen und Buben hätten Angst. Wie sehr sie Corona beschäftige, sei jetzt im Online-Unterricht deutlich geworden. „Sie sind erschrocken und fürchten sich davor, wer noch alles krank werden könnte.“Und die Kleinen seien natürlich enttäuscht, schon wieder daheim zu sitzen, nachdem erst wenige Tage zuvor die Schule wieder losgegangen ist. Die Lehrerinnen seien aber mit den Kindern in „gutem Kontakt“, versichert sie. Der sei teils noch intensiver als zuvor im Fernunterricht.
So böten sie auch Einzelgespräche und persönliche Hilfestellung an. „Die Eltern müssen nicht die Ersatzlehrer spielen“, sagt Erletz. Sie habe Verständnis, wenn die Eltern in der angespannten Situation keine Nerven dafür hätten.
Bis Mittwochmittag gab es zwei weitere bestätigte Infektionen. Eine Mutter wurde positiv getestet, ein weiterer Corona-Fall habe vermutlich nichts mit der Schule zu tun, sagt Bürgermeister Johannes Aschauer. Die infizierte Lehrerin wurde nochmals getestet, bis das Ergebnis vorliegt, könne es aber zwei bis drei Tage dauern. Da die Lehrerin in Wangen wohnt, sei Wangen für die Nachverfolgung ihrer Kontakte zuständig, wie Aschauer erklärt. Das dortige Ordnungsamt habe nochmal 13 Mädchen und Jungs der Grundschule Achberg als Kontaktpersonen ausgewiesen. Bis das Testergebnis der
Lehrerin vorliegt, werden sie, was die Quarantäne anbelangt, so behandelt als würde bei der Lehrerin eine Mutation vorliegen, erklärt Aschauer weiter. Das bedeutet, momentan müssen die Kinder, aber auch ihre Familien Zuhause bleiben. Insgesamt stehen in Achberg somit laut Marion Herrmann 194 Menschen unter Quarantäne.
Weitere Testergebnisse stehen noch aus. Wenn die Ansteckungen versetzt kommen sollten, könnte das für die Achberger Grundschule eine große Herausforderung bedeuten. Ein Teil der Kinder wäre dann schon aus der Quarantäne heraus, andere noch nicht – die einen könnten dann in den Unterricht zurückkehren, andere müssten Zuhause beschult werden. Das macht Schulleiterin Birgit Erletz schon jetzt Kopfzerbrechen. „Das ist irgendwann nicht mehr zu leisten.“