Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Enges zeitliches Korsett und „Kleinkrieg“
Landtagskandidaten diskutieren auf Einladung der katholischen Erwachsenenbildung
BODENSEEKREIS - Eigentlich ist die Idee gut durchdacht gewesen. Jedenfalls im Grundsatz. Den eingeladenen Landtagskandidaten keine ausufernden Redeschwalle zu erlauben, sondern ihnen möglichst kurze und präzise Antworten zu entlocken, das war Kernpunkt des Onlinepodiums „Wir stellen uns!“. Die Veranstaltung, die von der katholischen Erwachsenenbildung Bodenseekreis (KEB) präsentiert wurde, drehte sich schwerpunktmäßig um die Themen „Umwelt“, „Arbeit“und „Wirtschaft“. Der Teufel aber steckte im Detail. Weniger Fragen und ein weniger enges zeitliches Antwort-Korsett wäre in jedem Fall mehr gewesen.
Kurze Begrüßung durch Iris Egger von der pädagogischen Leitung und Geschäftsführung der KEB. Ein paar einleitende Worte von Initiator Karl Ludwig Biggel. Jeweils dreiminütige Vorstellungen der Kandidaten Martin Hahn (Grüne), Pascal Salomon (CDU), der als Zweikandidat die verhinderte Dominique Emerich vertrat, Jasmin Brancazio (SPD), Sander Frank (Linke) und Klaus Hoher (FDP). Soweit so gut.
Und dann hieß es, für Moderator Werner Langenbacher, den Blick auf die Uhr zu richten. Hatten doch die Mitglieder des virtuellen Podiums jeweils genau eine Minute Zeit, Fragen von teilnehmenden Vereinen und Initiativen zu beantworten. Ein löblicher Versuch, der aber im Grunde von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
Anders formuliert: Wie sollen zum Beispiel gut ein halbes Dutzend Fragen der „Fridays for Future“-Vertreterin Elgin Raupach zum Ausbau der Bodensee-Gürtelbahn in knappen 60 Sekunden beantwortet werden? Den Kandidaten muss zumindest zugutegehalten werden, dass sie ihr Bestes gaben, um den allzu engen zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen. Und so versuchten alle, quasi in Akkordgeschwindigkeit zu sprechen, was wiederum nicht gerade der Verständlichkeit diente.
„Tempo machen“, so die Devise von Pascal Salomon. „Schiene geht vor Straße“, betonte Jasmina Brancazio. Dass er mit dem Stand der Elektrifizierung unzufrieden sei, ließ Sander Frank verlauten, Klaus Hoher befürchtet gar, nicht mehr zu leben, bis die elektrifizierte Gürtelbahn
Realität werden könnte, und Martin Hahn ist auf dem Standpunkt, dass ein „S-Bahn-Charakter“Vorrang habe und die angefragte „Zweigleisigkeit“eher ein Nebenthema sei.
Weiter ging es im gleichen Takt mit Fragen von Franz Butscher (BUND), Ulrike Tonhauer (Attac), Michael Biggel (Handels- und Gewerbeverein Kressbronn) und Gerhard Rothenhäusler (Katholische Arbeitnehmerbewegung). Und weiter blieb die sich immer wieder nach 60 Sekunden hebende mahnende Hand des Moderators die meist gesehene Geste des Abends.
Wie man der Wohnungsnot begegnen, leerstehende Wohnungen „reaktivieren“und Fehlbelegungen vermeiden könne, wollte etwa Franz Butscher wissen. Jasmina Brancazio brachte das „Verbot für Zweckentfremdungen“ins Spiel. Sander Frank will „Zockereien verbieten“.
Klaus Hoher sprach sich dafür aus, auch an die Vermieter zu denken und deren Rahmenbedingungen zu verbessern. Pascal Salomon sieht bei diesem Punkt die „Kompetenz bei den Gemeinderäten“und auch Martin Hahn machte – speziell an Gemeinderat Sander Frank gerichtet – darauf aufmerksam, dass die Zweitwohnsteuer eine kommunale Steuer sei und somit kein Landtagswahlkampfthema.
Überhaupt war der – wenn auch durchaus launig ausgefochtene – „Kleinkrieg“, den Martin Hahn mit Sander Frank anzettelte, der eigentliche Höhepunkt der Veranstaltung. Originalton Hahn: „Machen und nicht g’scheit daherreden.“Oder: „Wenn man’s mit den Sozis macht, muss man auch dazu stehen, lieber Sander.“Was natürlich den Angesprochen dazu veranlasste, im Chat Kontra zu geben.
Apropos Chat: Der eine oder die andere der insgesamt rund 70 Zuhörer nutzte die Gelegenheit, sich dort ein wenig auszutoben – etwa zum Thema „Rüstung“, das von Iris Egger aber explizit von der Agenda gestrichen worden war.
Ganz zum Schluss durfte man wählen, in welchem „Break-outRoom“man mit den Kandidierenden noch etwas näher ins Gespräch kommen wollte – was nach anfänglichen technischen Problemen auch möglich war. Aber der Ermüdungsfaktor war nach mehr als 90 anstrengenden Minuten schon recht hoch.