Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit der Kraft der zwei Herzen
Wie Hybridautos mit Benzin- und Elektromotor funktionieren – Hersteller verfolgen unterschiedliche Konzepte
Seit Ende der 1990er-Jahre fahren Autos mit Hybridantrieb durch die Welt. In vielen verschiedenen Ausprägungen weiterentwickelt, schlägt er die Brücke vom Verbrenner zum rein elektrischen Fahren. Aber wie funktioniert der Hybridantrieb aus Benzin- und Elektromotor? Und wie unterscheiden sich die Konzepte? Ein Überblick:
Der sogenannte Mild-Hybrid ist die jüngste, aber bereits am weitesten verbreitete Hybrid-Technologie bis hinab in die Kompaktklasse. Er setzt laut Audi-Sprecher Udo Rügheimer auf einen elektrischen Startergenerator, der anstelle der Lichtmaschine installiert wird und dem Benziner oder Diesel zur Seite steht. In der Regel gespeist aus einem Bordnetz mit auf 48 Volt erhöhter Spannung, leistet dieser E-Motor zum Beispiel bei Mercedes 15 kW/20 PS und geht mit bis zu 200 Newtonmetern zu Werke. Das reicht zwar nicht zum elektrischen Fahren, hat aber sonst viele Vorteile, erläutert Rügheimer: Die E-Maschine hilft unter anderem beim Anfahren, sie kann beim Bremsen mehr Bewegungsenergie umwandeln und in einem zusätzlichen Akku speichern. Im Alltag spare man so bis zu 0,8 Liter auf 100 Kilometer.
Der klassische Hybridantrieb, wie man ihn seit dem Prius kennt, hat laut Toyota einen deutlich stärkeren E-Motor und eine größere Batterie. So können konventionelle Hybridmodelle auf kurzen Strecken und bei moderaten Geschwindigkeiten rein elektrisch fahren. Geladen wird der Akku mit der Bewegungsenergie beim Bremsen: Statt sie an den
Bremsscheiben in Wärme zu wandeln, wird der E-Motor zum Generator umgepolt und gewinnt so zumindest Teile davon zurück. Diese können dann für den nächsten elektrischen Fahrtabschnitt genutzt werden.
Beim Plug-in-Hybrid wird der EMotor noch stärker, die Batterie noch größer, und zum Aufladen gibt es zusätzlich einen Steckdosen-Anschluss, erläutert Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS. „Das ist wie ein Elektroauto mit Netz und doppeltem Boden“, sagt er. „Man kann Teilstrecken auch mit Autobahngeschwindigkeit stromern und braucht den Verbrenner nur bei Vollgas oder auf der Langstrecke.“Bei Reichweiten von teilweise mehr als 50Kilometern und Geschwindigkeiten bis zu 130 Kilometer pro Stunde kommen zum Beispiel die meisten Berufspendler rein elektrisch durch den Tag. Die Technik bietet einen weiteren Vorteil: Wenn der E-Motor als separates Modul an der Hinterachse montiert wird, fahren auch Fronttriebler auf allen vieren.
So kommt zum Beispiel der Mini Countryman als Plug-in-Hybrid zum Allradantrieb. Jeep geht noch weiter: „Die Technik funktioniert so gut, dass wir den mechanischen Allradantrieb kurzerhand aus dem Programm genommen haben“, sagt Sprecher Markus Hauf in Bezug auf die sogenannten 4xe-Modelle von Compass und Renegade.
Dank einer günstigen Berechnungsformel für den Verbrauch sind die Plug-ins zugleich ein wichtiges Mittel für die Hersteller. Sie können mit ihnen ihren CO 2-Fußabdruck verkleinern. Die Technologie ist mittlerweile bis in die Kompaktklasse hinein weit verbreitet. So gibt es zum Beispiel auch Autos wie VW Golf, Skoda Octavia oder Kia XCeed mit Stromanschluss. Wenn die neue Mercedes S-Klasse im Frühjahr auch als Plug-in-Hybrid an den Start rollt, soll sie laut Mercedes auf eine elektrische Reichweite von über 100 Kilometern kommen. Sportwagen wie der McLaren Artura setzen ebenfalls auf die Technik mit Stecker.
Zwar galten die Hybridantriebe bei den Experten meist nur als Zwischenschritt und Brückentechnologie zum reinen Elektroantrieb. Und selbst dem Boom der Plug-in-Technologie droht ein Ende, wenn Batterien einmal billiger oder die üppigen, staatlichen Fördermittel gestrichen werden. Doch mit umgekehrten Vorzeichen könnten sich die Doppelherz-Modelle womöglich noch länger halten. Denn während bislang die meiste Arbeit für den Antrieb noch immer beim Verbrenner liegt, hat BMW beim i3 den Spieß eine Zeit lang umgedreht. Dort wurde bis vor ein paar Jahren ein Benziner an Bord als sogenannter Range Extender angeboten. Der hatte zwar keine mechanische Verbindung zu den Rädern, erzeugte aber über einen Generator so viel Strom, dass sich die Akkus langsamer leerten. So musste der i3 seltener an die Steckdose, erläutern die Entwickler.
Firmen wie beispielsweise Mazda wollen das Konzept in ähnlicher Weise bald wieder aufleben lassen. Beim künftigen MX-30 wollen die Japaner dafür auch den Wankelmotor reaktivieren. (dpa)