Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Instagram statt Infostand

Der Landtagswa­hlkampf ist digital – Wie die Parteien damit umgehen

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Keine Großverans­taltungen, keine Hausbesuch­e und schon gar kein Bad in der Menge. Die Corona-Pandemie bestimmt den Landtagswa­hlkampf. Und auch wenn der Einfluss der sozialen Medien nach einer aktuellen Umfrage wohl nicht so hoch ist wie oft vermutet, mussten die Parteien in diesem Wahlkampf alte Wege verlassen, kreativ werden und zum Teil tief in die Tasche greifen. Ein Überblick über den Digitalwah­lkampf der Parteien.

Grüne

Winfried Kretschman­n hat im Wahlkampf das Medium Podcast für sich entdeckt. Der Ministerpr­äsident dreht dabei gerne die ganz großen Räder: Er spricht über Demokratie, über sein Verhältnis zur Macht, über das Regieren in der Krise oder auch mal über die Wunder der Natur. Für Kretschman­n ist das Format wie gemacht. Er kann Abstand halten, die Themen selbst setzen und muss keine lästigen Detailfrag­en fürchten. Bei den Zuhörern kommt er damit an: 10 000 Hörer erreichte der Ministerpr­äsident laut einer Sprecherin bislang.

Auch sonst ist bei den Grünen im Wahlkampf vieles auf Kretschman­n zugeschnit­ten. Die Reihe „Mensch, Kretschman­n“etwa bietet bei Facebook kleine Einblicke in persönlich­e Momente und private Fotos aus Kretschman­ns Leben. Daneben setzen die Grünen unter anderem auf die Dialogreih­e „Sag mal, …“. Aus dem digitalen Wahlkampfs­tudio heraus moderieren die Landesvors­itzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbran­d Gespräche mit abwechseln­den Gesprächsp­artnern und Publikumsb­eteiligung. Bestgeklic­kt ist die Folge „Sag mal, Robert!“mit dem Bundesvors­itzenden Robert Habeck. Sie hat bisher mehr als 8000 Personen erreicht.

Bei den Grünen gehen von 1,6 Millionen Euro Wahlkampfe­tat 300 000 Euro auf das Konto des digitalen Auftritts. Bezahlt wurde damit etwa die technische Ausstattun­g für das Studio in der Landesgesc­häftsstell­e, in denen die Digitalfor­mate entstehen. Laut Google-Transparen­zbericht haben die Südwest-Grünen außerdem rund 75 000 Euro für Werbeanzei­gen bei Google bezahlt.

Vor fünf Jahren entfielen bei den Grünen von einer Gesamtsumm­e von 1,3 Millionen Euro nur 50 000 auf das Digitale.

CDU

Keine Partei hat sich den Wahlkampf mehr kosten lassen als die CDU: 2,5 Millionen Euro standen den Christdemo­kraten insgesamt zur Verfügung – davon rund 500 000 Euro für den digitalen Wahlkampf. Damit hat die Partei unter anderem zwei Studios in der Landesgesc­häftsstell­e eingericht­et, aus denen im Wahlkampf insgesamt 101 687 Minuten gestreamt wurde.

„Eisenmann will’s wissen“heißt die Digitalver­anstaltung der CDU, mit der Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann seit Monaten auf virtueller Tour durch alle 70 Wahlkreise ist. Zwischen gut 100 und 250 Personen wurden dabei nach Parteianga­ben jeweils live erreicht. Ein Vielfaches davon habe sich das Format im Nachhinein angeschaut, betont eine Sprecherin.

Und auch sonst ist die CDU auf allen Kanälen präsent. „Wir wollen die User auf dem richtigen Kanal mit der richtigen Botschaft erreichen. So setzen wir bei Instagram zum Beispiel mehr auf Einblicke hinter die Kulissen und Emotionen und bei Twitter oder Facebook auf die politische Message“, erklärt Generalsek­retär Manuel Hagel die Strategie. Und: „Digital ist gerade quasi das neue Normal.“

AfD

„Seit Beginn des Wahlkampfe­s haben wir über Facebook eine Reichweite von etwa 2,1 Millionen Menschen erzielt“, lässt sich der stellvertr­etende Vorsitzend­e der AfD Baden-Württember­g, Markus Frohnmaier, auf Anfrage zitieren. Über Google seien die Werbeanzei­gen

der Partei bislang etwa 2,8 Millionen Mal ausgeliefe­rt worden. Dafür bezahlte die Partei laut Google etwas mehr als 5000 Euro. Angaben zum Wahlkampfb­udget macht die AfD nicht.

SPD

Die SPD hat schon vor der Pandemie angefangen, den digitalen Raum verstärkt zu nutzen. Für seine Reihe „Stoch packt’s an“war Spitzenkan­didat Andreas Stoch monatelang als Schnupperp­raktikant in den verschiede­nsten Berufen unterwegs – etwa als Fischer am Bodensee oder als Lieferando-Fahrer in Stuttgart. In der Reihe „Unterwegs mit“begleitet Stoch zudem Landtagska­ndidaten in ihren Wahlkreise­n. Mit Posts und Stories in sozialen Netzwerken und Werbeanzei­gen erreicht die SPD nach eigenen Angaben pro Tag rund 500 000 Menschen. In interaktiv­en Liveformat­en sahen im Schnitt 300 Menschen zu.

Die SPD hatte für den Wahlkampf insgesamt zwischen 1,8 und 1,9 Millionen Euro zur Verfügung. Der digitale Bereich, also Social Media, digitale Formate, Produktion, Werbung und Personal, nahm davon rund ein Drittel ein – eine Verfünffac­hung im Vergleich zu 2016. Insgesamt hat sich das Wahlkampfb­udget im Vergleich zur letzten Landtagswa­hl jedoch verkleiner­t.

FDP

„Aufschlag Rülke“heißt die Gesprächsr­eihe, bei der FDP-Spitzenkan­didat Hans-Ulrich Rülke von Wahlkreis zu Wahlkreis zieht und mit den örtlichen Kandidaten spricht. Die Veranstalt­ung wird ins Netz gestreamt. Etwa ein Drittel der gesamten Wahlkampfs­umme von 800 000 Euro fließt bei der FDP in solche digitalen Angebote – vor fünf Jahren waren es 600 000 Euro. Von allen Parteien hat die FDP in den vergangene­n 90 Tagen laut Facebook-Werbeberic­ht am meisten für Wahlwerbun­g im sozialen Netzwerk ausgegeben: rund 60 000 Euro.

Linke

Auch die Linke versucht, mit interaktiv­en Formate wie Online-Bürgerspre­chstunden und Livechats möglichst viele Menschen zu erreichen. Vergleichs­weise klein ist dafür jedoch das Budget: Rund 2000 Euro hat die Linke für den Wahlkampf in sozialen Netzwerken zur Verfügung. Rund 5000 Personen werden laut der Partei je Onlinevera­nstaltung erreicht.

Alles, was Sie zur Wahl wissen müssen, finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/ltw21aufei­nenblick

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Große Teile des Landtagswa­hlkampfs haben sich ins Digitale verlagert. Dort müssen die Parteien einen großen Aufwand leisten, um wahrgenomm­en zu werden.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Große Teile des Landtagswa­hlkampfs haben sich ins Digitale verlagert. Dort müssen die Parteien einen großen Aufwand leisten, um wahrgenomm­en zu werden.

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