Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Meghan und Harry spalten die Gemüter
Nach der Reaktion der Queen geht die Debatte über Rassismusvorwürfe gegen die britische Monarchie weiter
LONDON - Vier Sätze, 61 Worte – ob das reicht? Nach der kurzen Reaktion der Queen auf die Anschuldigungen des Herzogpaares von Sussex gingen die Debatten über die Stellung der Monarchie in Großbritannien selbst, aber auch rund um die Welt mit unverminderter Heftigkeit weiter. In Australien sowie in mehreren karibischen Staaten, deren Staatsoberhaupt Elizabeth II. bis heute ist, fühlen sich die Monarchie-Gegner bestärkt. In London selbst deutet sich eine Distanzierung der oppositionellen Labour-Party von der bisher unangefochtenen Institution an.
Im Gespräch mit der US-Talkkönigin Oprah Winfrey hatten Prinz Harry und seine amerikanische Gattin
Meghan Markle ein Mitglied der Königsfamilie sowie die britischen Boulevardmedien des offenen Rassismus bezichtigt; zudem hätten hochrangige Angestellte des Königshauses Hilfsgesuche der suizidgefährdeten Herzogin abgetan. Die Reaktion aus dem Buckingham-Palast erfolgte 38 Stunden nach Ausstrahlung des sensationellen Interviews in den USA: „Die angesprochenen Themen, besonders in Bezug auf Rassismus, sind beunruhigend.“Man nehme die Probleme „sehr ernst“und werde sie „im privaten Familienkreis behandeln“.
Umgehend verwiesen Oppositionspolitikerinnen sowie langjährige „Royal Watchers“auf das Fehlen einer generellen Distanzierung der Institution von rassistischen Ansichten. Der langjährige BBC-Königskorrespondent
Peter Hunt kontrastierte dies mit einer Palasterklärung vergangene Woche, bei der es um Mobbingvorwürfe gegen Meghan Markle ging. Mit der Ankündigung einer Untersuchung ging damals der Satz einher: „Der Königshaushalt duldet weder Mobbing noch Belästigungen.“Daher sei das Palast-Statement in Bezug auf Rassismus „zu wenig und kommt zu spät“, so Hunt.
Ins gleiche Horn bläst die schwarze Londoner Labour-Abgeordnete Bell Ribeiro-Addy: „Eine öffentliche Verurteilung von Rassismus ist nötig“, schließlich beziehe das Königshaus öffentliche Gelder. Eine detaillierte Untersuchung „der wirklich schlimmen und schockierenden Vorwürfe“fordert auch die bildungspolitische Fraktionssprecherin Kate
Green. Schon die Äußerungen vergleichsweise unbekannter Abgeordneter der größten Oppositionspartei zur normalerweise jenseits jeder politischen Auseinandersetzung stehenden Institution stellen eine Ausnahme dar. Gerade erstaunlich wirkte eine Stellungnahme des LabourChefs Keir Starmer am Montag. Die von Harry und Meghan aufs Tapet gebrachten Probleme seien „wichtiger als die königliche Familie“. Zu lang habe die britische Gesellschaft Themen wie Rassismus und Diskriminierung beiseitegeschoben.
Hingegen hielten Premierminister Boris Johnson und seine Kabinettsminister an einer langen Tradition von britischen Regierungschefs beider Parteien fest: Er werde sich zu der Kontroverse nicht äußern, teilte der Konservative dem Unterhaus mit. Wo Johnsons Sympathien liegen, deutete höchstens ein Tweet des Familienfreundes und AußenStaatssekretärs Zacharias Goldsmith an. Prinz Harry „sprenge seine Familie“, hieß es da: „Meghan bekommt, was sie will.“
In ihrem Wunsch nach einer republikanischen Staatsform bestärkt fühlen sich Monarchiegegner in einigen jener 15 Mitglieder des Commonwealth, deren Staatsoberhaupt die Queen bleibt. „Nur ein Australier sollte dafür infrage kommen“, teilte der Ex-Premierminister des fünften Kontinents, Malcolm Turnbull, mit. Einer jüngsten Umfrage zufolge wollen nur noch 50 Prozent der Kanadierinnen und Kanadier an der 94-jährigen Monarchin festhalten.