Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bäcker trotzen der Corona-Krise
Im Vergleich zu anderen geht’s Bäckern gut – Keine Entlassungen, keine Kurzarbeit
TETTNANG - Das Bäckerhandwerk war und ist systemrelevant. Aus diesem Grund waren die Bäckereien während des Lockdowns durchgehend geöffnet. Trotz alledem hat dieses Handwerk auch mit Umsatzrückgängen und Einbußen zu kämpfen. Die „Schwäbische Zeitung“hat sich in Tettnang umgehört und gefragt, wie es den Bäckern geht.
Ergebnis: Je nach Lage läuft das Bäckereigeschäft unterschiedlich. „Aber wir gehören zu den glücklichen Branchen“, sagt Monika Lipp, die die Geschäfte der Bäckerei Frick leitet. „Wir lassen uns nicht beirren.“In der Tettnanger Karlstraße seien beispielsweise Verluste darauf zurückzuführen, dass in der Stadt die Laufkundschaft fehle. Die Geschäfte der Filiale im Kaufland Bürgermoos liefen allerdings bestens. Das kann man von der Frick-Filiale gegenüber des Berufschulzentrums nicht behaupten. Wegen des Homeschoolings sind kaum Schüler vor Ort, die für Umsatz sorgen könnten. Und auch Bärs Brotkultur hat zeitweise Umsatzrückgänge. Der Verkaufsstand beim Städtlesmarkt brummt aber. Wie Monika Lipp berichtet, würden die Kunden bewusster einkaufen und auch etwas mehr. Das liege vermutlich auch daran, dass Spontankäufe weniger, der Wocheneinkauf wieder mehr angesagt sei. Übereinstimmende Freude herrscht bei den Bäckereifachbetrieben darüber, dass man niemanden entlassen und auch keine Kurzarbeit verhängen musste. Dennoch arbeiten die meisten derzeit mit Investitionsstopp und Sparplänen.
Bei Markus Pischl, dem neuen Chef der Feinbäckerei ReckBeck, wäre sogar noch Personalbedarf da: „Derzeit würden wir durchaus noch einen Bäcker oder Gesellen im Bäckerhandwerk einstellen. Auch beim Lieferservice können wir noch etwas Unterstützung brauchen.“Nichtsdestotrotz hat auch er mit einem leichten Umsatzrückgang zu kämpfen. Bäckermeister Pischl relativiert im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“aber schnell: „Ich will mich nicht beklagen – und am erfreulichsten ist die Solidarität unserer Kundschaft.“Und diese schätzt wohl auch eine besondere Produktqualität. Vonseiten der „Feinbäckerei“ReckBeck ebenso wie von der mit „Slowbaking“werbenden Bäckerei Frick und auch bei der ältesten Tettnanger Bäckerei Bär mit viel „Brotkultur“wird großer Wert darauf gelegt, keine oder möglichst wenig Fertigprodukte, Triebmittel oder andere künstlichen Zusätze zu verwenden.
Möglichst natürlich geht’s auch in der ReckBeck-Backstube zu: „Wir haben auch auf E-Nummern-Ware für den Teig der Kleinbrote, wie Brezeln, Wecken und Seelen, also auf zugelassene Zusatzstoffe, ganz verzichtet“, betont Meister Pischl.
Ob sich während der Krise die Backwarenvorlieben geändert haben, beantworten die Bäcker unterschiedlich. So habe sich an der Vorliebe der Tettnanger für Brezeln oder Seelen auch während der Pandemie nicht wirklich viel geändert. Beim ReckBeck hat man allerdings ein besonderes Phänomen beobachtet: eine seit Pandemiebeginn erstaunlich zugenommene Nachfrage nach Schokobananen. Während des ersten Lockdowns habe man bei Frick eine Kaufbegeisterung für Sahne-CrémeRouladen im Klopapier-Look festgestellt, andere Bäcker erzielten Verkaufserfolge mit Fasnets-Krapfen samt Impfspritzen-Dekoration.
An die Hygienemaßnahmen beim Verkauf, die Trennscheiben und die Masken habe man sich – ebenso wie die Kundschaft – gewöhnen müssen. In den heißen Backstuben selbst sei das Tragen keine Freude.
Auf die Frage nach den Auswirkungen der Heimbäckerei oder dem „Hefehamstern“haben die Tettnanger Bäcker eine klare Meinung. So sagt Tobias Bär, der von Seniorchef Hansjörg „Hase“Bär die Leitung der traditionsreichsten Bäckerei der Gegend übernommen hat: „Dass eine steigende Zahl von Menschen sich der Heimbäckerei widmet und qualitätsbewusster geworden ist, sehen wir eher als Vorteil.“Schließlich zeige sich rasch, dass die wahre Backkunst eben viel mit Qualität, Wissen und erheblichem Aufwand zu tun habe, der Seniorchef ergänzt: „und mit Erfahrung“.
Tobias Bär findet, dass sich eine (Wieder-)Belebung der Geschäftsund Tourismus-Atmosphäre und damit mehr Laufkundschaft positiv bemerkbar mache. ReckBeck-Bäckermeister Markus Pischel sieht das ähnlich und stellt fest, dass die Zahl der Heimbäcker schon vor der Corona-Krise gestiegen sei, sich aber in der Pandemie nicht wesentlich verändert habe. Eine für die Lebensmittelbranche ebenso wie fürs Bäckerhandwerk passende Bemerkung zur zukünftigen Entwicklung kommt schließlich von Bäckermeister Pischl: „Wir müssen uns halt durchbeißen“.