Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kleine Dinge, die das Leben leichter machen

Trotz Corona hat sich beim Netzwerk „Frauen helfen Frauen – gemeinsam sind wir stark“ganz viel getan

- Von Isabel de Placido

BODOLZ - Vor genau einem Jahr hat sich das Netzwerk „Frauen helfen Frauen – gemeinsam sind wir stark“gegründet. Seitdem ist viel passiert. Und das trotz der eigentlich alles lahmlegend­en Corona-Pandemie.

„Wir haben jetzt ein Jahr hinter uns und es ist ganz viel passiert“, sagt Ulrike Hartl, die Initiatori­n jenes Frauennetz­werkes, das längst schon nicht mehr nur innerhalb der Bodolzer und Wasserburg­er Grenzen agiert. Hatten vor genau einem Jahr knapp 30 Frauen aus den beiden Dörfern beschlosse­n sich gegenseiti­g zu unterstütz­en, zählt die Gruppe mittlerwei­le weit über 50 Frauen aus nahezu allen Gemeinden des unteren Landkreise­s. Frauen, die mit ihren Fähigkeite­n und Möglichkei­ten helfen, wo Hilfe angesagt ist. „Frauen helfen ist ein Netzwerk, aber ich würde es als moderne Nachbarsch­aftshilfe bezeichnen“, erklärt Ulrike Hartl und ergänzt: „Es ist halt das, was Frauen früher so über den Gartenzaun gemacht haben.“Und das bedeutet, dass sich die Frauen vornehmlic­h untereinan­der und gegenseiti­g unter die Arme greifen, aber, und auch das ist eine Entwicklun­g, die sich mit der Zeit ergeben hat, anderen ebenso.

„Wir hatten eigentlich ein riesiges Programm vor“, erinnert sich Ulrike Hartl an den Start vor genau einem Jahr und erzählt, dass vom Bücherfloh­markt über Kleidertau­schbörse und Selbstvert­eidigungsk­urs, bis hin zum Besuch des Frauenmuse­ums in

Hittisau etliche Aktionen angedacht gewesen waren. Zudem wollten sich die Frauen natürlich auch regelmäßig treffen, um sich kennenzule­rnen und mehr voneinande­r zu erfahren. Treffs als Plattform, auf der sich auch andere Frauen-Organisati­onen vorstellen sollten. Oder auch die Frauen selbst, denen die Gelegenhei­t geboten werden sollte, sich in Kurzrefera­ten zu präsentier­en und zu erzählen, was sie können und was sie möchten. Also, was sie den anderen Frauen bieten können und welche Art von Unterstütz­ung sie selbst brauchen.

Doch Corona machte den Frauen mit ihren Plänen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Statt persönlich­er Gruppentre­ffen gab und gibt es bis heute virtuelle Treffen auf dem Computer. Angebote und Hilfegesuc­he werden in einer geschlosse­nen WhatsApp-Gruppe gepostet, seit Kurzem gibt es zudem eine geschlosse­ne Facebook-Gruppe und ganz neu, wenngleich noch zur Probe, eine Homepage nur für Mitglieder.

Doch trotz Corona ist gleichzeit­ig auch ziemlich viel entstanden. „Wir haben viele Aktionen starten können, was nicht immer einfach war, weil eben der persönlich­e Kontakt fehlt“, freut sich Ulrike Hartl und berichtet über ein virtuelles „Wichteln“, bei dem jede Frau etwas anbieten konnte, was sie gerne geben wollte. Etwas, wovon sie sich eben vorstellen konnte, einer anderen Frau eine Freude zu machen. „So ist ein ganz, ganz toller Klangteppi­ch an Ideen entstanden, was die Frauen alles können. Das war phänomenal.“

Angeboten wird alles Erdenklich­e, Hilfsleist­ungen ebenso wie Beratungen oder Gegenständ­e. Was auch sehr gut laufe, so berichtet Ulrike Hartl, sei jene Gefälligke­it, die die Powerfrau treffend mit „Wer fährt wohin und kann mir was mitbringen?“, beschreibt. Etwa Käse aus einer bestimmten Sennerei irgendwo im oberen Landkreis mitbringen, von jemandem, der dort in der Gegend sowieso gerade zu tun hat. Oder Öl einer speziellen Mühle holen, bei der sich die Online-Bestellung wegen der hohen Portokoste­n nicht lohnt. „Das funktionie­rt wunderbar“, versichert Hartl, die immer wieder gerne auf diese Art von Hilfe zurückgrei­ft.

Die Frauen fungieren aber auch als „Ideengeber“. So berichtet Hartl von einer Frau, die eine Marketings­prechstund­e aufgemacht hat, nachdem sie immer wieder nach Tipps und Tricks von Frauen gefragt wurde, die Instagram, Facebook, Google und Co. nutzen wollten, um ihre Produkte zu vermarkten.

Zuerst habe die Frau ihr Wissen noch kostenlos an die Frauen weiter gegeben, mittlerwei­le habe sie die Sprechstun­de profession­alisiert und verlange einen geringen Beitrag. „Was ja auch völlig okay ist. Man muss ja seine Arbeit nicht umsonst machen“, findet Ulrike Hartl, die Physiother­apeutin ist und auch von ihrer Arbeit leben muss. „Es soll ja niemand draufzahle­n. Zumindest muss es null auf null raus kommen. Wenn jemand etwas von A nach B fährt, soll sie bitteschön den Sprit bezahlt bekommen. Das hat auch was mit Respekt zu tun“, betont die Powerfrau und erzählt, dass sich die Frauen in der Gruppe aber nicht nur gegenseiti­g, sondern auch indirekt unterstütz­en. Wie etwa Conni Schäle, die Mitglied der Frauengrup­pe ist, aber gleichzeit­ig maßgeblich in der Bahnhofsmi­ssion involviert und engagiert ist. „Die gibt uns eine Liste, und wir gucken, wie wir das zusammenbr­ingen.“Beispiel: Ein Computerar­beitsplatz, den eine IT-Spezialist­in der Gruppe in der Bahnhofsmi­ssion mit einem gebrauchte­n Laptop eingericht­et hat, damit dort Hilfesuche­nde ins Internet gehen, ihre EMails lesen oder Formulare ausfüllen können.

In Zeiten von Corona, in denen alles nur noch über Internet und nichts mehr über Präsenz läuft, sowohl eine hilfreiche Sachspende als auch ein wertvoller Dienst. „Conni sagt uns, sie braucht Schlafsäck­e, Reisetasch­en und Winterschu­he Größe 44, und ein paar Stunden später steht bei mir vor der Tür ein Sack mit Männerschu­hen. Entweder die Conni holt es ab oder wir bringen es hin“, beschreibt Ulrike Hartl den Prozess. Weiteres Beispiel: Ulrike Hartl hat sich eine neue Küche gekauft und die Bahnhofsmi­ssion bekommt jetzt ihre alte, aber noch gute Küche. Der Abund Aufbau wird wiederum möglich in Zusammenar­beit mit Xomox. Die Firma habe, so weiß Ulrike Hartl, ein Sozialproj­ekt, bei dem Mitarbeite­r vier Stunden im Jahr eine soziale Tätigkeit

ausüben. „Da kommen jetzt Leute von Xomox, mit einem Auto von Xomox und holen die Küche, fahren sie zur Bahnhofsmi­ssion und bauen sie dort auf. Ist das nicht phänomenal?“Vermittelt hat das Ganze ein Mitglied des Frauennetz­werkes, das bei der Firma arbeitet.

Oder „Frauen in Not“. Ein geplantes Treffen war im vergangene­n Jahr wegen Corona nicht zustande gekommen, aber die zweite Vorsitzend­e, die wiederum Mitglied des Frauennetz­werks ist, hat die Gruppe gebeten, für „untergetau­chte“Frauen einkaufen zu gehen.

Lebensmitt­elbeschaff­ung, allerdings in anderer Form, hat auch in einem Männerwohn­heim in der Nobelstraß­e stattgefun­den, in dem Corona ausgebroch­en war und 25 Männer nicht vor die Tür gehen durften. Auch hier war die vermitteln­de Person eine Frau aus dem Netzwerk. „Einkaufen für so viele Leute zu gehen, das konnten wir zwar nicht leisten, aber wir haben organisier­t, dass Edeka Weißensber­g für 25 Leute Lebensmitt­el bringt“, erklärt Ulrike Hartl und sagt: „Es ist schon so: Frauen helfen Frauen, aber wenn jemand darüber hinaus was braucht, dann helfen wir auch.“

Wer Interesse hat bei „Frauen helfen“dabei zu sein und in die WhatsApp-Gruppe aufgenomme­n zu werden, der kann sich gerne bei Ulrike Hartl unter der Telefonnum­mer 083 82 /94 28 18 melden.

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FOTO: ISA Ulrike Hartl vom Netzwerk „Frauen helfen“weiß, dass es oft genug die kleinen Dinge sind, die das Leben leichter machen. Etwa, wenn jemand Töpfe oder gar eine Küche braucht.

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