Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gemeinsam für das Brot der Zukunft
Die Universität Hohenheim zeigt an dem Alltagsprodukt, wie Bioökonomie funktioniert
STUTTGART (epd) - Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart erläutern am Beispiel des „täglich’ Brot“, wie Agrarforschung Klimawandel und schwindende Ressourcen auffangen kann. Bioökonomie sei der Schlüssel, und das bedeute Teamarbeit vieler Disziplinen.
Was angepackt werden müsse, reiche von der Züchtung neuer Getreidesorten über ernährungsphysiologische Aspekte bis zum „ökologischen Fußabdruck“von Bäckereien. „Mit klassischen Methoden wird der Wettlauf gegen den Klimawandel womöglich kaum noch zu gewinnen sein“, befürchten die Wissenschaftler. Deshalb wollen sie die Forschung durch hohe Digitalisierung beschleunigen.
„Aus welchem Mehl unser Brot in ein paar Jahrzehnten gebacken wird, kann derzeit niemand sicher sagen“, geben sie zu bedenken. Die Züchtung konzentriere sich beim Brotgetreide aktuell auf großen Ertrag und Proteingehalt. Grenzen setze da aber der Klimawandel. Zudem werde eine weitere, dazu umweltschädliche, Aufdüngung der Felder bald gar nicht mehr möglich sein, weil die dafür nötigen Phosphorvorräte weltweit schwinden.
Die Hohenheimer Experten sagen, dass die Kriterien geändert werden müssen, nach denen Getreidequalität gemessen wird. „Große Handelsketten machen genaue Vorgaben zum Proteingehalt von Mehl“, berichtet Professor Christian Zörb. Der allgemeine Proteingehalt hänge aber an der Düngung. Zörb verweist auf Versuchsergebnisse, dass weniger die Proteinmenge insgesamt, als vielmehr die Zusammensetzung und die Qualität der Proteine entscheidend sei für ein gutes Brot. „Wir schätzen, dass genauere Erkenntnisse darüber helfen können, weltweit bis zu einem Viertel der Stickstoffdüngung beim Anbau von Weizen einzusparen“, sagt er. Aber es brauche auch praktikable und kostengünstige neue Methoden, um die neue Qualitätsdefinition zu messen.
Welche Rolle das Klima spielt, haben die Hohenheimer Wissenschaftler bei Anbauversuchen in Klimakammern erlebt. Sie simulierten dort die voraussichtlichen Temperaturen und Kohlendioxidgehalte der Luft des Jahres 2050. Das Getreide enthielt unter diesen Bedingungen deutlich weniger Protein als heute und auch weniger Nährstoffe wie Calcium, Eisen, Magnesium, Zink und Aminosäuren.
Es braucht also robustere Getreidesorten, die dennoch gute Backmehle geben. In Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Mainz und Züchtungsfirmen startete Hohenheim
das weltweit größte Weizen-Projekt: Rund 300 verschiedene Weizensorten werden nun in jeweils vier bis acht Anbauregionen kultiviert. Sie werden analysiert auf Ertrag, Krankheitsresistenz, Teig- und Backeigenschaften und die für die menschliche Ernährung wichtigen Inhaltsstoffe, berichtet Professor Friedrich Longin. Das sei „Pionierarbeit, die zudem unser allgemeines Verständnis für den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Getreidequalität verbessert“.
Um schnell zu guten Züchtungsergebnissen zu kommen, „arbeiten wir mit DNA-Datenbanken und biostatistischen Methoden, um die erfolgversprechendsten ,Eltern’ für eine Kreuzung“zu finden, ergänzt Professor Karl Schmid. Außerdem wollen die Wissenschaftler die Verarmung des Genpools stoppen: „Denn nur eine breite genetische Grundlage ermöglicht es, auch in Zukunft schnell anpassungsfähige Getreidesorten hervorzubringen.“
Alte Getreidearten wie Einkorn, Emmer und Dinkel liefern Geschmack und einen hohen Mineralstoffgehalt. „Wir haben auf unseren Versuchsfeldern in kleinen Parzellen je 150 Sorten Einkorn und Emmer sowie etwa 100 Sorten Dinkel angebaut“, berichtet Professor Longin. Auch sie wurden – in Zusammenarbeit mit Bäckern – analysiert bis hin zum fertigen Brot.
Dabei erhielten die Wissenschaftler spannende Ergebnisse: Unter anderem, dass für die Bekömmlichkeit eines Teigs auch für Allergiker auch die Gehzeit eine Rolle spielt. Nicht nur die Sortenwahl, sondern auch neue Technik kann einen guten Teig beeinflussen. So könnte Mehl mit sogenanntem kaltem Plasma oder Ozon behandelt werden. Das fördere die Elastizität des Teigs und mache andere Mehlbehandlungsmittel überflüssig. „Die Behandlung ist rückstandsfrei“, erklärt Professor Bernd Hitzmann.
Und schließlich kümmert sich die Hohenheimer Forschung mit Computermodellen um optimierte Abläufe und das Energiesparen in Bäckereien. Wenn am Ende doch etwas Abfall übrig bleibt, haben die Hohenheimer auch dafür Lösungen: Sie verwandeln den in Biokunststoff, der für Flaschen oder Synthetikfasern brauchbar ist.