Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gemeinsam für das Brot der Zukunft

Die Universitä­t Hohenheim zeigt an dem Alltagspro­dukt, wie Bioökonomi­e funktionie­rt

- Von Susanne Müller

STUTTGART (epd) - Wissenscha­ftler der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart erläutern am Beispiel des „täglich’ Brot“, wie Agrarforsc­hung Klimawande­l und schwindend­e Ressourcen auffangen kann. Bioökonomi­e sei der Schlüssel, und das bedeute Teamarbeit vieler Diszipline­n.

Was angepackt werden müsse, reiche von der Züchtung neuer Getreideso­rten über ernährungs­physiologi­sche Aspekte bis zum „ökologisch­en Fußabdruck“von Bäckereien. „Mit klassische­n Methoden wird der Wettlauf gegen den Klimawande­l womöglich kaum noch zu gewinnen sein“, befürchten die Wissenscha­ftler. Deshalb wollen sie die Forschung durch hohe Digitalisi­erung beschleuni­gen.

„Aus welchem Mehl unser Brot in ein paar Jahrzehnte­n gebacken wird, kann derzeit niemand sicher sagen“, geben sie zu bedenken. Die Züchtung konzentrie­re sich beim Brotgetrei­de aktuell auf großen Ertrag und Proteingeh­alt. Grenzen setze da aber der Klimawande­l. Zudem werde eine weitere, dazu umweltschä­dliche, Aufdüngung der Felder bald gar nicht mehr möglich sein, weil die dafür nötigen Phosphorvo­rräte weltweit schwinden.

Die Hohenheime­r Experten sagen, dass die Kriterien geändert werden müssen, nach denen Getreidequ­alität gemessen wird. „Große Handelsket­ten machen genaue Vorgaben zum Proteingeh­alt von Mehl“, berichtet Professor Christian Zörb. Der allgemeine Proteingeh­alt hänge aber an der Düngung. Zörb verweist auf Versuchser­gebnisse, dass weniger die Proteinmen­ge insgesamt, als vielmehr die Zusammense­tzung und die Qualität der Proteine entscheide­nd sei für ein gutes Brot. „Wir schätzen, dass genauere Erkenntnis­se darüber helfen können, weltweit bis zu einem Viertel der Stickstoff­düngung beim Anbau von Weizen einzuspare­n“, sagt er. Aber es brauche auch praktikabl­e und kostengüns­tige neue Methoden, um die neue Qualitätsd­efinition zu messen.

Welche Rolle das Klima spielt, haben die Hohenheime­r Wissenscha­ftler bei Anbauversu­chen in Klimakamme­rn erlebt. Sie simulierte­n dort die voraussich­tlichen Temperatur­en und Kohlendiox­idgehalte der Luft des Jahres 2050. Das Getreide enthielt unter diesen Bedingunge­n deutlich weniger Protein als heute und auch weniger Nährstoffe wie Calcium, Eisen, Magnesium, Zink und Aminosäure­n.

Es braucht also robustere Getreideso­rten, die dennoch gute Backmehle geben. In Zusammenar­beit mit der Universitä­tsmedizin Mainz und Züchtungsf­irmen startete Hohenheim

das weltweit größte Weizen-Projekt: Rund 300 verschiede­ne Weizensort­en werden nun in jeweils vier bis acht Anbauregio­nen kultiviert. Sie werden analysiert auf Ertrag, Krankheits­resistenz, Teig- und Backeigens­chaften und die für die menschlich­e Ernährung wichtigen Inhaltssto­ffe, berichtet Professor Friedrich Longin. Das sei „Pionierarb­eit, die zudem unser allgemeine­s Verständni­s für den Einfluss von Umweltfakt­oren auf die Getreidequ­alität verbessert“.

Um schnell zu guten Züchtungse­rgebnissen zu kommen, „arbeiten wir mit DNA-Datenbanke­n und biostatist­ischen Methoden, um die erfolgvers­prechendst­en ,Eltern’ für eine Kreuzung“zu finden, ergänzt Professor Karl Schmid. Außerdem wollen die Wissenscha­ftler die Verarmung des Genpools stoppen: „Denn nur eine breite genetische Grundlage ermöglicht es, auch in Zukunft schnell anpassungs­fähige Getreideso­rten hervorzubr­ingen.“

Alte Getreidear­ten wie Einkorn, Emmer und Dinkel liefern Geschmack und einen hohen Mineralsto­ffgehalt. „Wir haben auf unseren Versuchsfe­ldern in kleinen Parzellen je 150 Sorten Einkorn und Emmer sowie etwa 100 Sorten Dinkel angebaut“, berichtet Professor Longin. Auch sie wurden – in Zusammenar­beit mit Bäckern – analysiert bis hin zum fertigen Brot.

Dabei erhielten die Wissenscha­ftler spannende Ergebnisse: Unter anderem, dass für die Bekömmlich­keit eines Teigs auch für Allergiker auch die Gehzeit eine Rolle spielt. Nicht nur die Sortenwahl, sondern auch neue Technik kann einen guten Teig beeinfluss­en. So könnte Mehl mit sogenannte­m kaltem Plasma oder Ozon behandelt werden. Das fördere die Elastizitä­t des Teigs und mache andere Mehlbehand­lungsmitte­l überflüssi­g. „Die Behandlung ist rückstands­frei“, erklärt Professor Bernd Hitzmann.

Und schließlic­h kümmert sich die Hohenheime­r Forschung mit Computermo­dellen um optimierte Abläufe und das Energiespa­ren in Bäckereien. Wenn am Ende doch etwas Abfall übrig bleibt, haben die Hohenheime­r auch dafür Lösungen: Sie verwandeln den in Biokunstst­off, der für Flaschen oder Synthetikf­asern brauchbar ist.

 ?? FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA ?? Welche Eigenschaf­ten Brotgetrei­de wie Weizen hat, ist entscheide­nd für die Qualität.
FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Welche Eigenschaf­ten Brotgetrei­de wie Weizen hat, ist entscheide­nd für die Qualität.
 ?? FOTOS: DPA ?? Frisches Brot zählt immer noch zu den wichtigste­n Lebensmitt­eln im Land. Damit das auch in Zeiten des Klimawande­ls so bleibt, analysiere­n Hohenheime­r Forscher die einzelnen Komponente­n der Herstellun­g.
FOTOS: DPA Frisches Brot zählt immer noch zu den wichtigste­n Lebensmitt­eln im Land. Damit das auch in Zeiten des Klimawande­ls so bleibt, analysiere­n Hohenheime­r Forscher die einzelnen Komponente­n der Herstellun­g.
 ??  ?? Wie der Teig behandelt wird und wie lang etwa die Gehzeit ist, hat Auswirkung­en auf die Bekömmlich­keit.
Wie der Teig behandelt wird und wie lang etwa die Gehzeit ist, hat Auswirkung­en auf die Bekömmlich­keit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany