Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Neandertal­er früher ausgestorb­en

Forscher schätzen Knochen mit feinerer Messmethod­e 20 000 Jahre älter ein

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WASHINGTON (AFP) - Der Neandertal­er in Nordeuropa ist laut einer Studie früher ausgestorb­en als bislang angenommen. Bei der Untersuchu­ng von Knochen, die einigen der letzten Neandertal­er im Norden des Kontinents zugeschrie­ben werden, stellten Wissenscha­ftler aus Großbritan­nien, Deutschlan­d und Belgien fest, dass diese bis zu 20 000 Jahre älter sind, als frühere Analysen ergeben hatten.

Die Studie wurde im Fachblatt „Proceeding­s of the National Academy of Sciences“veröffentl­icht. Die Autoren datierten Knochen aus der Spy-Grotte in Belgien dafür mit der Radiokarbo­nmethode. Co-Autor Thibaut Deviese von der britischen Universitä­t Oxford und der Universitä­t Aix-Marseille in Südfrankre­ich sagte, dass er und seine Kollegen eine zuverlässi­gere Methode entwickelt hätten, um die Knochenpro­ben für die Radiokarbo­nanalyse vorzuberei­ten. Auf diese Weise kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Knochen zwischen 40 600 und 44 200 Jahre alt sind. Bislang hatten sie als rund 24 000 Jahre alt gegolten.

Der Zeitpunkt des Aussterben­s der Neandertal­er ist ein wesentlich­er Anhaltspun­kt zur Beantwortu­ng von Fragen nach ihren Fähigkeite­n und den Gründen für ihr Verschwind­en.

Möglicherw­eise ergibt sich aufgrund der Neudatieru­ngen, dass Werkzeuge, die dem Neandertal­er zugeschrie­ben wurden, doch nicht von ihm, sondern von weiter entwickelt­en Verwandten benutzt wurden. Die Studienaut­oren forderten eine Überprüfun­g.

Die nun von dem Forscher-Team verfeinert­e Radiokarbo­nmethode gilt schon lange als Goldstanda­rd zur Datierung archäologi­scher Funde. Alle Lebewesen nehmen bis zu ihrem Tod Kohlenstof­f aus der Atmosphäre und der Nahrung auf, darunter auch radioaktiv­en Kohlenstof­f-14 (C-14). Dieser zerfällt mit der Zeit, so dass die in Überresten von Menschen, Tieren und Pflanzen verblieben­e Menge C-14 Aufschluss über ihr Alter gibt. Bei Knochen wird üblicherwe­ise das organische Kollagen aus Knochen bei der Radiokarbo­nmethode untersucht. Die Forscher um Deviese gingen aber tiefer und extrahiert­en aus dem Kollagen die Bausteine, sogenannte Aminosäure­n, von denen sie eine bestimmte für die Analyse auswählten.

So ergab eine Gensequenz­ierung, dass der Schulterkn­ochen eines Neandertal­ers, der bislang auf ein Alter von 28 000 Jahren geschätzt wurde, stark mit Rinder-DNA verunreini­gt war. Das Fundstück war offenbar durch einen aus Rinderknoc­hen hergestell­ten Leim haltbar gemacht worden.

Zusätzlich analysiert­en die Wissenscha­ftler Knochenfun­de aus den belgischen Grabungsor­ten Fonds-deForet und Engis nach ihrer Methode und stellten ein ähnliches Alter wie in Spy fest. „Die Datierung ist entscheide­nd in der Archäologi­e“, betonte Studien-Co-Autor Tom Higham von der Universitä­t Oxford. „Ohne einen zuverlässi­gen Rahmen für die Chronologi­e können wir uns nicht wirklich sicher sein bei den Erkenntnis­sen zur Beziehung zwischen Neandertal­er und Homo sapiens.“

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FOTO: DPA Neue Analysen von Neandertal­erknochen legen nahe, dass der Frühmensch vor mehr als 40 000 Jahre gelebt hat.

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