Schwäbische Zeitung (Tettnang)
DRK-Notfallnachsorgedienst: Einsatzzahlen steigen
Vor allem Polizei und Rettungsdienst fordern die ehrenamtlichen Helfer an – Sie leisten „Erste Hilfe für die Seele’’
BODENSEEKREIS (sz) - Fast 30 Prozent mehr Einsätze gegenüber 2019 hat der Notfallnachsorgedienst (NND) des DRK-Kreisverbands Bodenseekreis zu verzeichnen gehabt. Das sei jedoch nicht der Corona-Pandemie geschuldet gewesen, wie Markus Klein aus dem Leitungsteam des NND erläutert. Während zu Beginn der Pandemie etliche Gruppen für psychosoziale Notfallversorgung in Baden-Württemberg ihren Dienst vorübergehend einstellten, blieb der NND im Bodenseekreis unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen weiterhin einsatzbereit.
Die Mitglieder hielten sich die Möglichkeit offen, das Angebot telefonisch aufrechtzuerhalten, falls das Risiko einer Corona-Infektion zu groß erschienen wäre. Einige Mitglieder machten von dem Angebot Gebrauch, sich vorübergehend aus dem ehrenamtlichen Dienst zurückzuziehen, da sie in systemrelevanten Berufen arbeiten.
Klein, der den Notfallnachsorgedienst gemeinsam mit Franziska Trunz leitet, erklärt: „Wir hätten dank der Unterstützung durch das Landratsamt Bodenseekreis auch auf Schutzkleidung zurückgreifen können, die dafür bereitgestellt wurde.“Das sei jedoch glücklicherweise nicht nötig gewesen. Zusätzlich sei mit dem Führungsstab des Landkreises am Aufbau eines Konzepts zur psychosozialen Notfallversorgung gearbeitet worden, um im Falle eines massiven Corona-Ausbruchs im Bodenseekreis auf jegliche Situation vorbereitet zu sein.
Auch die Arbeit jenseits der Einsätze sei unter dem Einfluss der Corona-Pandemie gestanden. „Wir mussten fast alle Fortbildungen absagen, viele Dienstabende mussten ausfallen oder wurden in Kleingruppen abgehalten.“Dass die Hilfe gebraucht und geschätzt wird, zeigen die Einsatzzahlen: Sie steigen jedes
Jahr kontinuierlich an. Vor allem die Polizei bittet häufig um Unterstützung: Unter anderem 30-mal begleiteten die NND-Kräfte im vergangenen Jahr Polizeibeamte, wenn diese nach Unfällen oder Suizid Menschen die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbringen mussten. Die Helferinnen und Helfer standen Menschen zur Seite, die miterleben mussten, wie ein Angehöriger nach einem medizinischen Notfall nicht mehr wiederbelebt werden konnte. Sie waren für Menschen da, die durch einen Wohnungsbrand ihr Hab und Gut verloren hatten. Sie fingen junge Eltern auf, deren Baby plötzlich tot in seinem Bettchen lag. Und sie begleiteten Augenzeugen oder Ersthelfer schrecklicher Unfälle, die das eben Miterlebte mit einem Zuhörer und Gesprächspartner teilen wollten.
In diesen Fällen leisten die Einsatzkräfte „Erste Hilfe für die Seele“. Sie sind in den ersten Stunden zur Stelle, damit Menschen nach einem Unfall, Unglück oder Notfall nicht allein sind, bis Angehörige oder Freunde ihnen zur Seite stehen können.
Der NND wird auch von Feuerwehr, Rettungsdienst oder Hausarzt gerufen. Auch Privatpersonen können den NND hinzuziehen. Klein betont: „Jeder kann den Notfallnachsorgedienst verständigen.
Er braucht dazu nur bei der Integrierten Leitstelle des Bodenseekreises anzurufen, Telefon 07541 / 192 22, und wir werden verständigt.“Die NND-Helfer sind in einer Art Schichtdienst organisiert, ein Zweierteam ist in der Regel immer erreichbar.
Jeder Helfer wird in einer umfassenden Ausbildung an der DRK-Landesschule auf seine Aufgabe vorbereitet. Das Angebot ist kostenlos und offen für Menschen aller Nationalitäten und Kulturen.