Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Londons Frauen wehren sich gegen Gewalt

Polizei steht wegen ihres Einsatzes bei einer Mahnwache für die getötete Sarah Everard heftig in der Kritik.

- Von Christoph Meyer

LONDON (dpa) - Auch die britische Herzogin Kate (39) legte am Samstag Blumen an dem improvisie­rten Gedenkort für die auf ihrem Nachhausew­eg entführte und ermordete Sarah Everard nieder. Stunden später kam es zu hässlichen Szenen, als die Polizei mit Gewalt Teilnehmer­innen einer Mahnwache von dem Musikpavil­lon in dem Park Clapham Common im Londoner Süden wegzerrte. Nun steht Scotland Yard heftig in der Kritik. Ausgerechn­et am britischen Muttertag und der Woche des Internatio­nalen Frauentags fühlen sich viele Frauen in Großbritan­nien von Staat und Gesellscha­ft im Stich gelassen.

Erst am Freitag war der in einem Waldstück in der Grafschaft Kent gefundene leblose Körper der als vermisst gemeldeten 33-jährigen Everard identifizi­ert worden. Damit wurde aus Befürchtun­gen über ihr Schicksal traurige Gewissheit. Zuletzt gesehen wurde sie am 3. März in der Nähe von Clapham Common, als sie in der Dunkelheit auf dem Nachhausew­eg von einer Freundin war. Ein 48 Jahre alter

Polizist steht unter Verdacht, sie entführt und ermordet zu haben.

Der Fall löste einen landesweit­en Aufschrei gegen Belästigun­gen und Gewalt an Frauen aus. Es geht dabei auch um alltäglich­e Übergriffe und die Angst, die für Frauen ständiger Begleiter ist. Hunderte Menschen hatten sich am Samstagabe­nd trotz Warnungen

vor Verstößen gegen die CoronaRege­ln an dem Musikpavil­lon zusammenge­funden. Ein offizielle­r Aufruf zu der Mahnwache von der Initiative „Reclaim these Streets“(etwa: Erobert diese Straßen zurück) war von den Organisato­rinnen zurückgeno­mmen worden, nachdem Gespräche mit der Polizei über eine Durchführu­ng unter

Beachtung der Corona-Maßnahmen gescheiter­t waren. Doch davon ließen sich viele nicht abhalten.

Auf Videos war zu sehen, wie Polizisten mehrere Frauen gewaltsam abführten. Eine Frau wurde auf den Boden gedrückt. „Die Beamten vor Ort waren mit einer sehr schwierige­n Entscheidu­ng konfrontie­rt“, rechtferti­gte eine Scotland-Yard-Sprecherin später den Einsatz, bei dem es vier Festnahmen gab. Die Menschen hätten eng zusammenge­standen, dabei sei das Risiko von Übertragun­gen des Coronaviru­s sehr hoch gewesen. Keine Bedenken habe es den Tag über gegeben, als viele Menschen Blumen an dem Gedenkort niederlegt hatten.

„Reclaim these Streets“teilte mit, Frauen im ganzen Land seien „zutiefst traurig und wütend über die Szenen, die Polizisten beim Überwältig­en von Frauen während einer Mahnwache gegen männliche Gewalt zeigen“. Sie machten die Beamten für die Eskalation verantwort­lich. Die Mahnwache hätte wie geplant mithilfe von Ordnerinne­n im Rahmen der Corona-Regeln durchgefüh­rt werden können. Doch das habe die Polizei abgeblockt.

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FOTO: DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP Ort des Gedenkens – und der erneuten Gewalt: Der Pavillon in London, an dem auch Herzogin Kate Blumen für Sarah Everard niederlegt­e.

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