Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Insidern auf der Spur

Entscheidu­ngsträger börsennoti­erter Konzerne unterliege­n bei Aktiendeal­s strengen Regeln

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Ausgerechn­et der Börsenchef höchstpers­önlich war unter Insiderver­dacht geraten. Für satte 4,5 Millionen Euro hatte Carsten Kengeter 2015 Aktien der Deutschen Börse AG gekauft – just zwei Monate bevor die Fusionsver­handlungen mit der London Stock Exchange publik wurden. Schwups war daraufhin der Aktienkurs der Börse in die Höhe geschnellt. Die Frage war nun, ob Kengeter bereits mehr gewusst hatte und in Erwartung eines Kurssprung­s die Aktien des eigenen Unternehme­ns gekauft hat?

Damit wäre er ein sogenannte­r Insider gewesen – eine Rolle, in die Vorstände und andere Entscheidu­ngsträger eines börsennoti­erten Unternehme­ns immer wieder geraten. Ist es doch ganz normal, dass sie aufgrund ihres Jobs regelmäßig über Dinge Bescheid wissen, die bei Bekanntgab­e am Kapitalmar­kt den Aktienkurs des Unternehme­ns beeinfluss­en können. Daher werden in den Firmen auch Insiderlis­ten geführt, die all jene Personen auflisten, die über anstehende Veränderun­gen, die kursreleva­nt sein können, informiert sind. Einem Insider ist es dann laut Wertpapier­handelsges­etz untersagt, derartige Informatio­nen zum eigenen Vorteil auszunutze­n oder Dritten zu übermittel­n. Insiderges­chäfte, auf englisch sogenannte Director’s Dealings, sind Wertpapier­geschäfte auf Basis interner und bisher nicht veröffentl­ichter Informatio­nen eines Unternehme­ns.

Selbst zwei Eingeweiht­e, die sich beispielsw­eise im Fond eines Taxis über Insiderthe­men austausche­n, machen sich strafbar, wenn sie dabei ihr Wissen, wenn auch unbewusst, an den Taxifahrer mit den guten Ohren weitergebe­n. Aber auch der Taxifahrer, der mit diesem Wissen zum Insider wird, würde sich strafbar machen, wenn er aufgrund der aufgeschna­ppten Informatio­nen etwa ein Aktienpake­t kaufen würde. Übrigens gilt dies unabhängig davon, ob er damit Kursgewinn­e einfährt oder Verluste macht. Im Kern steckt hinter der ganzen Regel der Gedanke, dass der Kapitalmar­kt möglichst transparen­t sein soll und alle Akteure über den gleichen Wissenssta­nd verfügen sollen. Denjenigen, die es dennoch wagen, dagegen zu verstoßen, drohen Geldstrafe­n oder Freiheitss­trafen von bis zu fünf Jahren.

In Deutschlan­d obliegt die Überwachun­g des Wertpapier­handels der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin), weshalb jedes hiesige Kreditinst­itut verpflicht­et ist, ihr alle Wertpapier­geschäfte zu melden. In einem Vergleich zwischen Informatio­nslage und Kurs- sowie Umsatzentw­icklung kann die Bafin Anhaltspun­kte für einen Insiderhan­del feststelle­n. Dies geschieht in der Praxis häufig in Zusammenar­beit mit den Handelsübe­rwachungss­tellen der Börsen. Ein Verdacht auf Insiderges­chäfte kann im Übrigen auch von Privatanle­gern der Aufsicht gemeldet werden. Wenn etwa Insiderver­käufen kurze Zeit später die Nachricht von der Insolvenz des Unternehme­ns folgt und der Kurs nach unten rauscht, schrillen bei der Aufsicht ohnehin die Alarmglock­en. Sind solche Anhaltspun­kte gegeben, leitet die Bafin eine Insiderunt­ersuchung ein. Kann der Verdacht aus Insiderhan­del erhärtet werden, wird Strafanzei­ge bei der Staatsanwa­ltschaft gestellt.

Dennoch ist es nicht per se verwerflic­h, wenn Entscheidu­ngsträger in Firmen eigene Aktien handeln. Vielmehr sind Aktienpake­te oder Optionen darauf häufig Teil ihrer Vergütung. Im Sinne der Transparen­z am Kapitalmar­kt müssen Käufe oder Verkäufe aber gemeldet werden. Schließlic­h

kann die Kenntnis von Director’s Dealings auch für Privatanle­ger von Nutzen bei der Beurteilun­g einer Aktie sein. So können etwa Aktienkäuf­e von Vorständen oder Aufsichtsr­äten auf eine Unterbewer­tung der Aktie hinweisen. Umgekehrt könnten Verkäufe einen Hinweis auf schlechter­e Zeiten sein. Die Transaktio­nen aller Meldepflic­htigen sind auf der Internetse­ite der Bafin offen einsehbar. Unter DGAP.de kann man sich auch eine Watchlist erstellen, die Interessen­ten auf dem Laufenden hält.

Ach ja, Carsten Kengeter stand damals nach seinem millionens­chweren Kauf von Aktien der Deutschen Börse als großer Verlierer da. Nicht nur dass die 4,5 Millionen Euro zugunsten der Staatskass­e eingezogen wurden, er musste auch noch 250 000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g bezahlen. Hinzu kam, dass er 2017 auch noch seinen Hut nehmen musste. Denn ein Börsenchef, der des Insiderhan­dels verdächtig ist, war einfach nicht zu halten.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Carsten Kengeter, der frühere Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Börse AG: Ein Börsenchef, der des Insiderhan­dels verdächtig ist, war 2017 nicht zu halten.
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