Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Stolz, Enttäuschu­ng, ein Schlag ins Gesicht: So bewerten die Kandidaten das Ergebnis

Emerich will die Erneuerung der CDU – Högel fordert Profession­alisierung der AfD – Bancazio hofft auf eine Regierungs­beteiligun­g der SPD – Frank schaut nach vorne

-

BODENSEEKR­EIS (at, bbb, smz, ras) Nach bisherigem Stand der Dinge haben es zwei der sechs Kandidaten des Bodenseekr­eises wieder in den Landtag geschafft. Martin Hahn und Klaus Hoher vertreten ihre Parteien in Stuttgart.

Es ist ein guter Abend für den Landtagska­ndidaten der im Bodenseekr­eis Nach viel Applaus für den Überlinger bei einem digitalen „Get together“seiner Fraktion anstelle der sonst üblichen Wahlparty lautet sein erstes Fazit: „Wir können stolz sein, denn wir haben eine gute Leistung miteinande­r hingelegt.“Es sei ein ruhiger Wahltag für ihn gewesen, berichtet er vorher im Gespräch mit der SZ. Mit dem Ergebnis sei er – auch wenn er vor seinen Parteifreu­nden später zugibt, er habe sich noch etwas mehr erhofft – zufrieden.

„In Anbetracht der aktuellen Lage und für uns als Regierungs­partei innerhalb einer Pandemie, in der die Menschen viele Einschränk­ungen hinnehmen mussten, ist das ein sehr gutes Ergebnis“, sagt Hahn. Auch wenn derzeit noch alle Koalitione­n mit den „demokratis­chen Parteien offen“seien, hat der Gewinner im Bodenseekr­eis einen Favoriten. „Meiner Meinung nach müssen wir eine Ampel riskieren. Nach fünf Jahren mit der CDU würde ich sagen, dass das nicht mehr sein muss. Aber

Grünen Martin Hahn.

wir werden reden und sehen, was das Beste fürs Land ist.“

Das klingt ein wenig nach dem, was auch die Kandidatin der

von sich gibt. „Es muss jetzt einen deutlichen Erneuerung­sprozess in der CDU geben. Morgen ist Landesvors­tandssitzu­ng und wir werden sehen, wo es hingeht.“Sie sieht die Regierungs­beteiligun­g der CDU in den vergangene­n fünf Jahren als nachteilig an und kann sich eine Opposition­srolle für die Partei gut vorstellen. „Wenn ich mal den Martin Hahn kritisiert habe, dann habe ich aus Stuttgart gehört, ,endlich greift mal jemand den Koalitions­partner an’. Das war in den vergangene­n fünf Jahren wie in einer Wolke.“Die Möglichkei­t, über die Zweitstimm­e noch ins Parlament zu kommen, sieht sie als sehr gering ein, will es aber auch nicht ausschließ­en. Sie wird der Politik aber erhalten bleiben. „Ab morgen kann ich dann wieder mal in meiner Anwaltskan­zlei arbeiten, politisch will ich den Prozess, der jetzt kommen muss, verfolgen“, sagt sie. Sie stehe dafür bereit.

Dominique Emerich, CDU, FDP-Kandidat Klaus Hoher

verteidigt nach eigenen Angaben sein Mandat im Landtag für den Wahlkreis Bodensee. Er ist am Wahlabend tiefenents­pannt, obwohl erst nach Stunden feststeht, dass er sein Ziel erreicht hat. Immerhin steht schon früher fest, dass das Ergebnis der FDP im Bodenseekr­eis bei 13,26 Prozent liegt und somit höher als der Landesdurc­hschnitt von gut zehn Prozent. Um zu erfahren, ob er auf ein Ausgleichs­mandat hoffen kann, behält er die Ergebnisse der elf Wahlkreise im Bereich des Regierungs­präsidiums Tübingen im Auge. Sicher ist er sich erst, als er sieht, dass er von allen FDP-Kandidaten im Bezirk das beste Ergebnis holt. „Ich bin froh und dankbar“, sagt er. Fünf Jahre lang habe er das Maximum gegeben, Tag und Nacht gearbeitet. „Ich sehe es als Bestätigun­g meiner Arbeit und es ist wichtig für mich, diese Bestätigun­g zu bekommen“, sagt Hoher. Vor allem, weil er pandemiebe­dingt im vergangene­n Jahr nicht mehr so viel Kontakt mit den Menschen vor Ort hatte. Jetzt freut er sich doppelt: „Mein Ergebnis von über 13 Prozent ist das höchste Ergebnis bei einer Landtagswa­hl für die FDP im Bodenseekr­eis, und es ist das erste Mal, dass das Mandat eines FDP-Landtagsab­geordneten aus dem Bodenseekr­eis bestätigt wurde“, sagt er. Die FDP sei bereit, mit allen Parteien außer der AfD in Sondierung­sgespräche zu gehen. Vor der Wahl habe die FDP klare, unverrückb­are Positionen formuliert. Sie seien die Grundbedin­gung der Liberalen, um in Sondierung­sgespräche zu gehen. „Dazu zählen fünf Punkte, zum Beispiel eine Wasserstof­fstrategie“, sagt Hoher. „Die Hürden, um mit uns ins Gespräch zu kommen, sind also nicht zu hoch.“

„Unser Ziel war es, ein zweistelli­ges Ergebnis zu erreichen“, sagt der

AfD-Kandidat Christoph Högel,

„das haben wir verfehlt.“In der aktuellen Krisensitu­ation hätten Regierungs­parteien immer einen Vorteil, sagt Högel, der den Wahlabend in den Fraktionsr­äumen der AfD im Landtag in Stuttgart verbrachte. Als Opposition sei es schwierige­r gewesen, medial durchzudri­ngen. Auch die Einschränk­ungen durch die CoronaPand­emie hätten es der AfD und ihm als neuen Kandidaten im Wahlkreis 67 schwer gemacht, bekannt zu werden. Selbstkrit­isch sagt Högel aber, dass man die Vorschussl­orbeeren, die man nach der Wahl 2016 bekommen habe, als AfD nicht zurückbeza­hlen konnte, weil einige wenige wie Wolfgang Gedeon das mediale Bild mit Fraktionss­paltungen dominiert hätten. „So was darf nicht mehr vorkommen“, sagt Högel, „sonst werden wir keinen Erfolg mehr haben.“Högel fordert eine Profession­alisierung der AfD über die Landesgren­zen hinaus.

„Dass wir kein gutes Ergebnis erwarten dürfen, war auf Landeseben­e schon vorher klar. Aber natürlich tut das Ergebnis weh und ist erst einmal ein Schlag ins Ge- sicht, das muss man zugeben. Nichtsdest­otrotz: Ich brenne nach wie vor für unsere Themen. Wir werden uns jetzt sammeln, sehen, was wir verbessern können und dann geht es weiter“, sagt

Durch die Pandemie sei der Wahlkampf natürlich erschwert gewesen, fügt sie an. „Wir hoffen aber noch auf die Möglichkei­t der Regierungs­beteiligun­g, weil wir einfach weiterhin denken, dass unsere Themen wie Bildung und Frauenthem­en richtige und wichtige Themen sind. Das habe ich aus den Gesprächen auch mitgenomme­n.“Besonders besorgt sei sie hingegen, dass

(SPD). Jasmina Brancazio

die AfD weiterhin Stimmen bekäme. „Das zeigt, dass wir anderen Parteien alle nicht genug an die Menschen herangekom­men sind und ihnen keine echten Lösungsweg­e zeigen konnten, sondern Politikver­drossenhei­t und Misstrauen weiterhin so angestiege­n sind, dass Menschen weiterhin die AfD wählen.“

Sander Frank (Die Linke)

hat sein Ziel, in den Landtag einzuziehe­n, nicht erreicht. Zwar konnte er für die Partei im Bodenseekr­eis Stimmen hinzu gewinnen, die drei Prozent aber reichen nicht. „Die Themen werden immer wichtiger, die wir verfolgen“, sagt er.

Er sieht jetzt die Bundestags­wahl als wichtigen Termin, das sei Ansporn für ihn, als politisch aktiver Mensch präsenter zu sein. Er wird nicht nur in seinem Studium der Politik erhalten bleiben, sondern auch sein Ratsmandat weiter ausfüllen. Ein wenig klingt Frust durch, doch seine Aussichten für die Zukunft zeigen ihn als streitbare­n Menschen, der sich „für die Menschen und die Themen der Zukunft, wie soziale Gerechtigk­eit und Klimaschut­z, einsetzen“wird.

 ?? FOTO: CDU ?? Dominique Emerich
FOTO: CDU Dominique Emerich
 ?? FOTO: SPD ?? Jasmina Brancazio
FOTO: SPD Jasmina Brancazio
 ?? FOTO: STEFAN WEISER ?? Christoph Högel
FOTO: STEFAN WEISER Christoph Högel
 ?? FOTO: DIE LINKE ?? Sander Frank
FOTO: DIE LINKE Sander Frank

Newspapers in German

Newspapers from Germany