Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das klassische Büro gibt es nicht mehr“
Prisma-Geschäftsführer Stefan Nachbaur über neue Arbeitsmodelle und einen beschleunigten Strukturwandel schon lange vor Corona
FRIEDRICHSHAFEN - Viele Branchen setzen gegenwärtig auf Homeoffice. Wird das Büro durch die Corona-Krise zum Auslaufmodell? Über Fragen dieser Art hat Sandra Philipp mit Prisma-Geschäftsführer Stefan Nachbaur gesprochen. Die Unternehmensgruppe mit Standort Friedrichshafen vermarktet nicht nur Büroflächen, sondern integriert bereits seit Jahren neue Arbeitskonzepte in den Alltag vieler Menschen.
Herr Nachbaur, macht Sie der verstärkte Trend hin zum Homeoffice nervös?
Nein. Wir erleben nicht erst seit Corona, dass sich Strukturen und Arbeitsmodelle verändern. Da wir Bedarfsflächen für Firmen passgenau ausbauen, stellen wir bereits seit Jahren fest, dass es das klassische Büro von vor zehn Jahren heute gar nicht mehr gibt. Gegenwärtig werden Synergien
genutzt und Räume kurzfristig auf ihre Nutzung hin verändert. Zudem macht es die Technik möglich, zeitweise von zu Hause aus oder von unterwegs zu arbeiten.
Was meinen Sie mit „Synergien nutzen“?
Wir haben zum Beispiel ein Bürogebäude, in dem verschiedene Unternehmen angesiedelt sind. Dann muss doch nicht jeder eigene Seminaroder Besprechungsräume vorhalten. Es geht darum, Ressourcen zu teilen, wo es möglich ist. So steigt auch die Nachfrage nach Coworking-Lösungen. Das heißt, man arbeitet zusammen mit anderen Personen in Großraumbüros, abgetrennten Arbeitsbereichen oder ähnlich angelegten Räumen. Der Nutzer hat dann oft nur eine geringe Gebühr zu entrichten und keinen festen Platz. Die restliche Infrastruktur wie Sanitärräume oder
Kaffeeküche teilt er mit anderen.
Wird das Büro ein Auslaufmodell?
Das halte ich für eine sehr pessimistische Grundeinstellung (lacht). Natürlich
richten Firmen sich heutzutage bedarfsgerecht aus. Überkapazitäten hält heute keiner mehr vor. Entscheidungen fallen bewusster und überlegter als vor zwei oder drei Jahren. Allerdings ist das Homeoffice nicht die Patentlösung. Nicht alle Jobs lassen sich an den heimischen Schreibtisch verlagern. Zudem ist das Büro ein Ort, wo Austausch stattfindet und als Treffpunkt Teambuilding und Kontaktpflege ermöglicht. Darüber hinaus wird Unternehmenskultur erlebbar und gefestigt.
Worauf liegt der Fokus heute?
Es kommt auf mehrere Faktoren an. Unternehmen, die Büroflächen suchen, stellen sich verschiedenste Fragen. Beispielsweise: Wie anpassungsfähig ist ein Standort? Welchen Mehrwert bietet er? Gibt es eine Kinderbetreuung im Haus? Wie gut ist das Büro zu erreichen?
Lässt sich der Wandel weg vom Büro in der Region in Zahlen fassen?
Ich wüsste nicht, an welchen Kriterien wir das festmachen sollten. Für unser Unternehmen gesprochen kann ich sagen, die Nachfrage ist weiterhin da. Wir sind ausgelastet und bieten verschiedene Lösungen an, beispielsweise Büroflächen in den verschiedensten Größenordnungen oder Coworking-Bereiche.
Glauben Sie, dieser Trend hält in den nächsten Jahren an?
Grundsätzlich ist Corona nicht mit der Finanzkrise 2008/09 vergleichbar. Denn wegen Corona steht die Welt nicht still. Allerdings beobachten wir schon, dass Unternehmen die Situation bewusster betrachten und überprüfen, ob ihre Strukturen noch passen. Corona beschleunigt den Strukturwandel schon und verändert damit auch die Arbeitsprozesse.