Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kümmerer mit Porsche und Rolex
Der Salemer Landwirt Klaus Hoher fährt für die FDP ein überragendes Ergebnis ein
FRIEDRICHSHAFEN - Er fährt einen flotten Sportwagen und trägt lässig die Rolex am Handgelenk, dennoch gilt er als volksnah und Kümmerer: Mit einem Hauptschulabschluss schaffte es der Salemer Landwirt Klaus Hoher (52) in den Landtag. Jetzt holte er mit 13,3 Prozent der Stimmen ein fantastisches Ergebnis für die FDP im Bodenseekreis. Hoher vertritt die Region weitere fünf Jahre in Stuttgart und verspricht im Gespräch mit der SZ, sich für die Menschen und vor allem für die regionale Wirtschaft einsetzen zu wollen.
Mit seinem Porsche darf Klaus Hoher nur noch bis zum 1. April in die Innenstadt von Stuttgart reinfahren. Und das auch nur, weil er eine Ausnahmegenehmigung bekommen hat. Der Diesel mit 220 000 gefahrenen Kilometern auf dem Tacho erfüllt die geforderten Umweltstandards nicht. Und vor der Wahl wollte er sich kein neues Auto kaufen, sagt er. Jetzt muss er sich aber dringend was überlegen. Denn seit Sonntag ist klar, dass Hoher auch in den nächsten fünf Jahren regelmäßig die Landeshauptstadt besuchen wird, genauer gesagt die Konrad-AdenauerStraße
3, den Landtag von BadenWürttemberg.
Satte 13,3 Prozent hat der FDPMann am Sonntag bei der Landtagswahl eingefahren, das beste Ergebnis der Partei in den elf Wahlkreisen im Regierungsbezirk Tübingen. Das zweitbeste Stimmenergebnis (11 504 Stimmen) im Land. Erstmals schafft ein FDP-Kandidat am Bodensee den Wiedereinzug in den Landtag. Es ist das stärkste FDP-Ergebnis im Bodenseekreis überhaupt seit 1952. „Ich bin überwältigt“, sagt Hoher. „Ich habe darauf gehofft, weil ich fünf Jahre sehr fleißig war.“
Dass er der CDU einige Stimmen abgejagt hat, ist für Hoher klar. „Der Trend bei der CDU war schlecht, die haben in den letzten fünf Jahren keine so tolle Arbeit geleistet“, sagt er. Dazu mit Dominique Emerich eine Kandidatin, die nicht aus dem Wahlkreis stammt. „Von der anderen Seeseite“– das habe dem ein oder anderen nicht geschmeckt. Den Wahlkreis wechseln, das wäre für ihn undenkbar: „Ich bin 52 Jahre alt und wohne seit 52 Jahren hier. Ich verkörpere die absolute Bodenständigkeit.“Hier, das ist für ihn Salem und der Bodenseekreis, hier gehöre er her, für diese Region kämpfe er.
Hoher sieht sich als Typ, der entschlossen anpackt. So ist er auch seine zweite Kandidatur für den Landtag angegangen. Kurz vor dem ersten Lockdown, im März 2020, wollte er unbedingt noch seine Nominierungsveranstaltung durchziehen, während man ihm schon zur Absage riet. „Wenn es rechtlich möglich ist, wird es gemacht“, sagte Hoher damals und setzte sich durch: am Freitag wurde nominiert, ab Montag war Lockdown. Die anderen Parteien brauchten teilweise bis zum Spätsommer, um einen Kandidaten aufzustellen. Einige Zeit war Hoher der einzige nominierte Kandidat. Für den Wahlerfolg sei das aber nicht entscheidend gewesen, meint er.
„Inhalte vor Dienstwagen“– das fordert Hoher in Bezug auf mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Nur um des Regierens willens regieren, komme nicht infrage. Hoher ritt in den vergangenen fünf Jahren vor allem bei seinem Thema Landwirtschaft Attacken gegen die grüngeführte Landesregierung. Etwa beim Thema Artenschutz. „Das Amt kommt zur Person“, sagt Hoher in Bezug auf mehr Verantwortung in Stuttgart. Er werde sich nicht aufdrängen. „Ich möchte in erster Linie dem Wahlkreis dienen.“Sollten größere Aufgaben auf ihn zukommen, werde er sich denen aber stellen. Dabei könne es aber nur um das Thema Landwirtschaft gehen.
In den nächsten fünf Jahren geht es für Hoher im Bodenseekreis darum, die Wirtschaft nach der Corona-Krise zu stabilisieren. Dass der Verbrennungsmotor nicht für tot erklärt wird, gehöre im Sinne der Zulieferindustrie dazu. „Ohne stabile Wirtschaft gibt es keinen Wohlstand“, sagt Hoher, das sei sein Credo.
Dabei sei man bei der FDP durchaus bereit, neue Umweltstandards zu akzeptieren.
Auto, Uhr, Harley Davidson: Dass er nicht zu den Bedürftigen gehört, ist klar. Dennoch gilt er bei vielen als Mann des Volkes. Wie geht das zusammen? „Die Menschen schätzen es, dass ich mir das mit harter Arbeit verdient habe“, sagt Hoher. Er habe ja nicht an der Börse spekuliert oder Leute übers Ohr gehauen. Hoher hat den elterlichen, landwirtschaftlichen Betrieb in Salem-Grasbeuren übernommen, betreibt einen Reitstall samt Gastronomie und entwickelte immer wieder Immobilienprojekte, wie er im Gespräch mit der SZ erklärt. Aus leer stehenden Scheunen machte er demnach Mehrfamilienhäuser. Hoher hat einen Hauptschulabschluss und lernte Landwirt im eigenen Betrieb. Dazu kamen noch zwei Semester „Wirtschafter“, wie er sagt, als Vorbereitung zum Meister. „Dafür habe ich aber keine Zeit mehr gefunden.“Seine Schule sei das Leben gewesen –
LANDTAGSWAHLEN 2021 und sein Betrieb. „Ich musste mir alles selbst aneignen.“
Sein Hauptantrieb, in die Politik zu gehen, sei der Kampf gegen „sinnlose Bürokratie und Regulierungswahn“gewesen. Hoher wollte als Unternehmer nicht von der Politik gegängelt werden und wollte stattdessen selbst mitgestalten.
Der Einzug in den Landtag für die FDP klappte 2016 auf Anhieb, wenn auch knapp mit 9,1 Prozent der Stimmen. Seit er im Amt ist, hat er nach eigener Aussage keinen Tag Urlaub gemacht. „Ich wollte die Zeit maximal ausnutzen. Ich habe jede E-Mail beantwortet und alle Themen abgearbeitet“, sagt er. Das hätten die Menschen jetzt honoriert. „Wenn man einen starken Job macht, klappt das auch“, sagt Hoher, der den Menschen auch künftig „bei kleinen Angelegenheit zur Seite stehen“will. Das gute Ergebnis gebe ihm jetzt Motivation für die nächsten fünf Jahre. Dennoch plant er für diese Wahlperiode einen oder zwei Tage Urlaub ein. Und wie kommt er künftig nach Stuttgart? „Vielleicht kaufe ich meiner Frau ein neues Auto, mit dem ich dann nach Stuttgart fahre“, sagt Hoher. Im Zug kann man sich ihn auch schlecht vorstellen.