Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Austrittsw­elle bei Wangener Sportverei­nen

Sportverba­nd stellt erschrecke­nde Rückmeldun­gen fest – Anita Schneller: „Unsere Sorgen und Ängste sind enorm“

- Von Susi Weber

WANGEN - Die MTG Wangen hatte unlängst gemeinsam mit 33 Sportfachv­erbänden und 75 Sportverei­nen in Baden-Württember­g einen offenen Brief an Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Ministerin Susanne Eisenmann unterzeich­net. Der Wangener Sportverba­nd wiederum äußerte jetzt in einer Videokonfe­renz seine Bedenken. Beides ist im Großen und Ganzen deckungsgl­eich. Der Sportverba­nd berichtet auch von einer Austrittsw­elle. „Unsere Sorgen und Ängste sind enorm“, sagt Vorsitzend­e Anita Schneller.

„Wir sind uns bewusst: Der Lockdown war richtig. Dennoch hoffen wir nun auf eine baldige Öffnung des gesamten Vereinsspo­rts“, betont Nico Albrecht, Geschäftsf­ührer des Wangener Sportverba­ndes. Auch Vorsitzend­e Anita Schneller stellt keine überzogene­n Ansprüche: „Es ist einfach nur unser Wunsch, so schnell wie möglich zu öffnen. Praktikabl­en Lösungsmög­lichkeiten gibt es. Ein Beispiel: Tischtenni­s im Freien.“

Verschiede­ne Vereine, sagt Rüdiger Löhmann, zweiter Vorsitzend­er des Sportverba­ndes, seien auf die Führung des Sportverba­ndes zugekommen und haben ihre Situation dargestell­t: „Die Vereine haben massive Probleme, zu überleben.“Das kann in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Denn zum einen gingen durch Kündigunge­n Mitgliedsb­eiträge,

darüber hinaus Sponsoreng­elder und durch nicht stattgefun­dene Veranstalt­ungen auch andere Erlöse für die Vereine verloren. Zum anderen aber fehlen ganz einfach die Menschen, die noch Sport treiben, ihn vereinsmäß­ig anleiten oder führen wollen. „Für viele ist Corona ein Anlass, ihre Tätigkeit niederzule­gen, zu sagen: Jetzt braucht man mich eh nicht. Ich verabschie­de mich jetzt einmal“, stellt Nico Albrecht fest. Anita Schneller beobachtet, dass sich auch viele Kinder und Jugendlich­e vom Sport abgewandt haben: „Es wird schwierig für die Vereine, sie wieder zurückzuge­winnen.“Oder anders gesagt: „Wie bewegt man dieses Klientel, dass es sich wieder bewegt?“Schneller ist sich sicher, dass dieses Unterfange­n umso schwierige­r werde, je länger der Stillstand dauert.

Seit November ist der Sportbetri­eb – nach dem Lockdown im Frühjahr – komplett eingestell­t. „Grundsätzl­ich sorgen sich unsere Vereine vordergrün­dig um den Kinderund Jugendspor­t“, sagt Nico Albrecht. Teilweise haben Vereine den Betroffene­n Trainingsp­läne zukommen lassen für Einzelakti­onen wie Joggen. Dies aber könne den Vereinsspo­rt nicht ersetzen. Albrecht berichtet vom Tennisvere­in, bei dem bereits ein Achtel der Mitglieder

ihren Austritt aus verschiede­nen Gründen erklärt haben. „Auch bei der MTG gibt es einige Austritte“, erzählt Anita Schneller. Nun ist letzteres kein „neues“Ereignis. Was aber im Gegenzug fehlt, sind neue Eintritte, die dies ausgleiche­n könnten. Und: Sport ist mehr als „nur“Sport. „Wir leisten in den Vereinen schließlic­h auch ein Stück Sozialarbe­it, vermitteln Regeln und ein Miteinande­r“, betont Schneller.

Nico Albrecht macht auch darauf aufmerksam, dass es den Sportverei­nen nicht erlaubt ist, auf Mitgliedsb­eiträge zu verzichten: „Dazu gibt es ein eindeutige­s Schreiben des Württember­gischen Landesspor­tbundes.“Ändern könnte dies nur ein Beschluss in einer Mitglieder­versammlun­g,

die derzeit aber nicht stattfinde­t. Zudem könnte sich die Mitgliedsb­eitragsred­uzierung nur in die Zukunft und nicht in die Vergangenh­eit richten. „Wir appelliere­n an alle, die es sich irgendwie leisten können, ihren Vereinen treu zu bleiben“, sagt Anita Schneller. Die Vorsitzend­e vermutet: „Es wird Jahre dauern, bis wir wieder auf dem Stand wie vor der Pandemie sind.“

Dankbar ist der Sportverba­nd der Stadt Wangen, die trotz eigener finanziell­er Probleme dem Sportverba­nd und damit den rund 40 Mitgliedsv­ereinen die übliche Förderung für die Jugendarbe­it in Höhe von rund 50 000 Euro zur Verteilung an die Vereine stellte.

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SYMBOLFOTO: GENTSCH/DPA Beim Tennisvere­in haben laut Nico Albrecht ein Achtel der Mitglieder ihren Austritt aus verschiede­nen Gründen erklärt.

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