Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Maßlos in jeder Hinsicht
Ausstellung im Stuttgarter Haus der Geschichte über die Gier
STUTTGART (epd) - Der Kirche gilt sie als Todsünde, Wirtschaft und Wissenschaft sehen in ihr einen Entwicklungsmotor: Gier motiviert Menschen zu Außerordentlichem, Gefährlichem, Kriminellem. Das Stuttgarter Haus der Geschichte widmet ihr nun eine Ausstellung.
Es wäre so einfach, sich über die Gier des Menschen zu empören – wenn diese Gier nicht in jedem Menschen steckte. Der Bankencrash 2008 wurde vielfach auf die „Gier der Manager“zurückgeführt, die vor windigen Geschäften nicht zurückschreckten, bis die Investitionsblase platzte. Dabei waren es auch die kleineren Anleger, die für das Versprechen von ein paar Promille mehr Rendite munter die Anlage wechselten. Gier regiert. Im Haus der Geschichte in Stuttgart führt die Sonderausstellung „Gier. Was uns bewegt“an 31 Stationen durch vielfältige Formen der Maßlosigkeit.
Breite goldene Bänder durchziehen den dunklen Raum und deuten an, wie die Gier menschliches Handeln und damit auch den Verlauf der Geschichte beeinflusst. Wirtschaftsskandale nehmen erwartungsgemäß größeren Raum in der Schau ein. Dazu gehört der Cum-Ex-Betrug, bei dem sich Aktienhändler die Kapitalertragssteuer mehrfach zurückbezahlen ließen und einen Schaden von mindestens zehn Milliarden Euro anrichteten. Oder der legendäre Flowtex-Skandal, bei dem der Unternehmer Manfred Schmider Maschinen verkaufte, die nur auf dem Papier existierten, und sich in einer Art Schneeballsystem gigantische Kredite besorgte.
Licht und Schatten der Gier lassen sich bei wenigen Menschen so anschaulich zeigen wie bei dem genialen Chemiker Fritz Haber. Ihm gelang 1909 in Karlsruhe die Produktion von Ammoniak, womit er die Herstellung von Düngemitteln revolutionierte – mit segensreichen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung. Im Ersten Weltkrieg aber leitete Haber das deutsche Chemiewaffenprogramm und organisierte den Einsatz von Giftgas. Die Ausstellung zeigt die Urkunde des Chemie-Nobelpreises, der dem neugierigen und erfolgsgierigen Haber 1919 verliehen wurde.
Zum Thema passt auch die Leidenschaft des Offenburger Ehepaars Hermann und Gretchen Cron, das Großwildtrophäen aus Afrika sammelte. Die Gier nach Elfenbein oder dem Horn des Nashorns ist bis heute unermesslich. So brachen spezialisierte Diebe 2012 ins Offenburger Museum ein, um dem ausgestellten Nashorn das Horn zu entreißen. Die Täter wurden später gefasst, das Horn ging wohl für immer verloren.
Ein Blickfang der Ausstellung sind 135 Paare Turnschuhe des Stuttgarter „Jägers und Sammlers“Danijel Balasevic. Er erzählt in einem Video, wie es zu dieser Leidenschaft kam. Während es allgemein verpönt ist, als gierig zu erscheinen, sieht das in einer Disziplin anders aus: beim Fußball. Im Profi-Segment erklären Trainer eine Niederlage schnell mit dem Satz, die Mannschaft sei „nicht gierig genug“gewesen. Besonders Jürgen Klopp, der momentan als möglicher Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw gehandelt wird, hat dieses Motiv immer wieder aufgegriffen.
Gier ist nicht das Privileg der Reichen und Mächtigen. Das zeigt die „Geiz ist geil“-Mentalität, die in allen Bevölkerungsschichten präsent ist. TV-Formate wie „Shopping Queen“oder die Schnäppchenjagd in der Outlet-City Metzingen verdeutlichen, wie die Sucht nach „immer mehr“gesellschaftsfähig geworden ist.
Auch der Journalismus ist keine gierfreie Zone. Illustriert wird das in der Ausstellung mit dem Skandal um die angeblichen Hitler-Tagebücher. Vor knapp 40 Jahren ging das Magazin „Stern“dem Stuttgarter Fälscher Konrad Kujau auf den Leim und gierte danach, die deutsche Geschichte umzuschreiben. Tatsächlich hat der „Stern“damit nur selbst eines der traurigsten Kapitel der Mediengeschichte geschrieben.
Was überraschenderweise in dieser Ausstellung fehlt, ist das Thema Sex. Dabei ist insbesondere die männliche Gier nach Befriedigung geschichtsprägend und führt bis heute zu kriminellen Geschäften, etwa zu Menschenhandel. Ausstellungsleiter Rainer Schimpf kann sich vorstellen, diesen Aspekt beim dritten Teil der Ausstellungs-Trilogie über Gefühle aufzugreifen, in dem es – durchaus kontrovers – um das Thema Liebe gehen wird. Der zweite Teil widmet sich dem Hass und soll kurz vor Weihnachten starten.
Gier. Was uns bewegt. Sonderausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart. Nach vorheriger Terminvereinbarung unter 0711/212 3989 oder besucherdienst@hdgbw.de, Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.
Regel 2 war noch in den 1980ern unumstößlich, wurde aber spätestens seit den Jahren der Rechtschreibreform aufgeweicht – wohl auch eine Folge der schnellen digitalen Medien, bei denen Satzzeichen wie der Apostroph zusätzlichen Aufwand erfordern. So sind beim Abkürzen von es heute beide Varianten gestattet. Wird der Lesefluss nicht erschwert, favorisiert der Duden sogar die Schreibung ohne Apostroph: „Die CDU hats nicht leicht gehabt bei diesem grünen Gegner“. In einem Satz wie „Die Partei sondiert gerade, wo’s bei der Wahl besonders schlecht gelaufen ist“rät er allerdings zum Apostroph.
Man merke: Der Duden wird allemal immer flexibler. Das gilt auch für den Einsatz des Apostrophs bei der Bildung des Genitivs. Was hat man nicht vor rund 20 Jahren über den sogenannten Deppenapostroph gelästert, der sich durch den wachsenden Einfluss des Angloamerikanischen breitmachte! Weil McDonald’s mit Apostroph so schick aussah, musste es bei uns auch Willi’s Würstchenbude sein … Das Regelwerk gab das damals nicht her. Allenfalls zur Unterscheidung
Generell ist jedoch der Genitiv mit Apostroph weiterhin verpönt. Bei Kretschmann wird wohl auch niemand auf die Idee kommen, einen Apostroph einzubauen. Es heißt also: „Kretschmanns Vorteil ist, dass er nun entscheiden kann, mit wem er sich einlassen will.“Er wird’s vielleicht insgeheim schon wissen, wirds uns aber nicht auf die Nase binden. Er hat die Wahl – wir auch, allerdings nur beim Apostroph.
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