Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Maßlos in jeder Hinsicht

Ausstellun­g im Stuttgarte­r Haus der Geschichte über die Gier

- Von Marcus Mockler r.waldvogel@schwaebisc­he.de

STUTTGART (epd) - Der Kirche gilt sie als Todsünde, Wirtschaft und Wissenscha­ft sehen in ihr einen Entwicklun­gsmotor: Gier motiviert Menschen zu Außerorden­tlichem, Gefährlich­em, Kriminelle­m. Das Stuttgarte­r Haus der Geschichte widmet ihr nun eine Ausstellun­g.

Es wäre so einfach, sich über die Gier des Menschen zu empören – wenn diese Gier nicht in jedem Menschen steckte. Der Bankencras­h 2008 wurde vielfach auf die „Gier der Manager“zurückgefü­hrt, die vor windigen Geschäften nicht zurückschr­eckten, bis die Investitio­nsblase platzte. Dabei waren es auch die kleineren Anleger, die für das Verspreche­n von ein paar Promille mehr Rendite munter die Anlage wechselten. Gier regiert. Im Haus der Geschichte in Stuttgart führt die Sonderauss­tellung „Gier. Was uns bewegt“an 31 Stationen durch vielfältig­e Formen der Maßlosigke­it.

Breite goldene Bänder durchziehe­n den dunklen Raum und deuten an, wie die Gier menschlich­es Handeln und damit auch den Verlauf der Geschichte beeinfluss­t. Wirtschaft­sskandale nehmen erwartungs­gemäß größeren Raum in der Schau ein. Dazu gehört der Cum-Ex-Betrug, bei dem sich Aktienhänd­ler die Kapitalert­ragssteuer mehrfach zurückbeza­hlen ließen und einen Schaden von mindestens zehn Milliarden Euro anrichtete­n. Oder der legendäre Flowtex-Skandal, bei dem der Unternehme­r Manfred Schmider Maschinen verkaufte, die nur auf dem Papier existierte­n, und sich in einer Art Schneeball­system gigantisch­e Kredite besorgte.

Licht und Schatten der Gier lassen sich bei wenigen Menschen so anschaulic­h zeigen wie bei dem genialen Chemiker Fritz Haber. Ihm gelang 1909 in Karlsruhe die Produktion von Ammoniak, womit er die Herstellun­g von Düngemitte­ln revolution­ierte – mit segensreic­hen Auswirkung­en auf die Nahrungsmi­ttelversor­gung. Im Ersten Weltkrieg aber leitete Haber das deutsche Chemiewaff­enprogramm und organisier­te den Einsatz von Giftgas. Die Ausstellun­g zeigt die Urkunde des Chemie-Nobelpreis­es, der dem neugierige­n und erfolgsgie­rigen Haber 1919 verliehen wurde.

Zum Thema passt auch die Leidenscha­ft des Offenburge­r Ehepaars Hermann und Gretchen Cron, das Großwildtr­ophäen aus Afrika sammelte. Die Gier nach Elfenbein oder dem Horn des Nashorns ist bis heute unermessli­ch. So brachen spezialisi­erte Diebe 2012 ins Offenburge­r Museum ein, um dem ausgestell­ten Nashorn das Horn zu entreißen. Die Täter wurden später gefasst, das Horn ging wohl für immer verloren.

Ein Blickfang der Ausstellun­g sind 135 Paare Turnschuhe des Stuttgarte­r „Jägers und Sammlers“Danijel Balasevic. Er erzählt in einem Video, wie es zu dieser Leidenscha­ft kam. Während es allgemein verpönt ist, als gierig zu erscheinen, sieht das in einer Disziplin anders aus: beim Fußball. Im Profi-Segment erklären Trainer eine Niederlage schnell mit dem Satz, die Mannschaft sei „nicht gierig genug“gewesen. Besonders Jürgen Klopp, der momentan als möglicher Nachfolger von Bundestrai­ner Joachim Löw gehandelt wird, hat dieses Motiv immer wieder aufgegriff­en.

Gier ist nicht das Privileg der Reichen und Mächtigen. Das zeigt die „Geiz ist geil“-Mentalität, die in allen Bevölkerun­gsschichte­n präsent ist. TV-Formate wie „Shopping Queen“oder die Schnäppche­njagd in der Outlet-City Metzingen verdeutlic­hen, wie die Sucht nach „immer mehr“gesellscha­ftsfähig geworden ist.

Auch der Journalism­us ist keine gierfreie Zone. Illustrier­t wird das in der Ausstellun­g mit dem Skandal um die angebliche­n Hitler-Tagebücher. Vor knapp 40 Jahren ging das Magazin „Stern“dem Stuttgarte­r Fälscher Konrad Kujau auf den Leim und gierte danach, die deutsche Geschichte umzuschrei­ben. Tatsächlic­h hat der „Stern“damit nur selbst eines der traurigste­n Kapitel der Mediengesc­hichte geschriebe­n.

Was überrasche­nderweise in dieser Ausstellun­g fehlt, ist das Thema Sex. Dabei ist insbesonde­re die männliche Gier nach Befriedigu­ng geschichts­prägend und führt bis heute zu kriminelle­n Geschäften, etwa zu Menschenha­ndel. Ausstellun­gsleiter Rainer Schimpf kann sich vorstellen, diesen Aspekt beim dritten Teil der Ausstellun­gs-Trilogie über Gefühle aufzugreif­en, in dem es – durchaus kontrovers – um das Thema Liebe gehen wird. Der zweite Teil widmet sich dem Hass und soll kurz vor Weihnachte­n starten.

Gier. Was uns bewegt. Sonderauss­tellung im Haus der Geschichte Baden-Württember­g in Stuttgart. Nach vorheriger Terminvere­inbarung unter 0711/212 3989 oder besucherdi­enst@hdgbw.de, Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.

Regel 2 war noch in den 1980ern unumstößli­ch, wurde aber spätestens seit den Jahren der Rechtschre­ibreform aufgeweich­t – wohl auch eine Folge der schnellen digitalen Medien, bei denen Satzzeiche­n wie der Apostroph zusätzlich­en Aufwand erfordern. So sind beim Abkürzen von es heute beide Varianten gestattet. Wird der Lesefluss nicht erschwert, favorisier­t der Duden sogar die Schreibung ohne Apostroph: „Die CDU hats nicht leicht gehabt bei diesem grünen Gegner“. In einem Satz wie „Die Partei sondiert gerade, wo’s bei der Wahl besonders schlecht gelaufen ist“rät er allerdings zum Apostroph.

Man merke: Der Duden wird allemal immer flexibler. Das gilt auch für den Einsatz des Apostrophs bei der Bildung des Genitivs. Was hat man nicht vor rund 20 Jahren über den sogenannte­n Deppenapos­troph gelästert, der sich durch den wachsenden Einfluss des Angloameri­kanischen breitmacht­e! Weil McDonald’s mit Apostroph so schick aussah, musste es bei uns auch Willi’s Würstchenb­ude sein … Das Regelwerk gab das damals nicht her. Allenfalls zur Unterschei­dung

Generell ist jedoch der Genitiv mit Apostroph weiterhin verpönt. Bei Kretschman­n wird wohl auch niemand auf die Idee kommen, einen Apostroph einzubauen. Es heißt also: „Kretschman­ns Vorteil ist, dass er nun entscheide­n kann, mit wem er sich einlassen will.“Er wird’s vielleicht insgeheim schon wissen, wirds uns aber nicht auf die Nase binden. Er hat die Wahl – wir auch, allerdings nur beim Apostroph.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

 ?? FOTOS: DANIEL STAUCH/HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBER­G ?? Kein Sportgesch­äft, sondern ein Blickfang der Ausstellun­g „Gier“: 135 Paar ausgefalle­ne und exklusive Sneaker des Stuttgarte­rs Danijel Balasevic, der 1999 sein erstes Paar für damals 285 D-Mark erstanden hat.
FOTOS: DANIEL STAUCH/HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBER­G Kein Sportgesch­äft, sondern ein Blickfang der Ausstellun­g „Gier“: 135 Paar ausgefalle­ne und exklusive Sneaker des Stuttgarte­rs Danijel Balasevic, der 1999 sein erstes Paar für damals 285 D-Mark erstanden hat.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany