Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das Duell ist Rock ’n’ Roll“
Markus Babbel freut sich auf das Spiel Bayern gegen Stuttgart
anderen. In dem Moment, in dem der Schlusspfiff kommt und der Titel sicher ist, ist das Gefühl immer unbeschreiblich.
Sie haben den Südschlager von beiden Seiten aus erlebt. Für wen hat das Spiel eine größere Bedeutung?
Dadurch, dass die Bayern permanent in der Champions League vertreten sind, haben sie natürlich andere Höhepunkte. Die Faszination für ein Duell mit Stuttgart ist über die Jahre hinweg schon etwas gesunken, weil der VfB zwischenzeitlich ja auch in der Versenkung verschwunden war. Zu meiner Bayern-Zeit war das noch anders. Da war es auch für uns ein herausragendes Spiel, wenn es gegen Bobic, Balakow und Elber ging. Heute ist die Aufmerksamkeit und die Leidenschaft beim VfB sicher einen Tick höher als beim FC Bayern.
Egal, wie die Partie ausgeht, der VfB wird am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt haben. Im Sommer haben Sie in einem Interview gesagt, der Stuttgarter Kader sei nicht erstligareif. Müssen Sie nun Abbitte leisten?
Das ist wirklich eine sehr positive Überraschung für mich. Tatsächlich hatte ich große Zweifel, dass das mit dieser jungen Mannschaft gut geht. Ich habe sehr viele Spiele der Stuttgarter in der zweiten Liga gesehen und da waren zum Teil unterirdische Leistungen dabei. Wenn man ehrlich ist, hätten sie in 100 Jahren nicht aufsteigen dürfen und durften sich am Ende beim HSV bedanken, der so dämlich war, den Aufstieg wieder mal zu vergeigen. Deshalb hätte ich nicht gedacht, dass sie mit dem fußballerischen Wechsel von der zweiten zur ersten Liga so schnell, so gut klarkommen. Aber es freut mich für den Verein und die Verantwortlichen, die den Mut hatten, mit so einer jungen Mannschaft in die Saison zu gehen und nun Recht bekommen.
Dabei haben die Verantwortlichen mit ihrem Machtkampf um die Vereinsspitze doch für ordentlich Unruhe gesorgt.
In der Tat hatte ich große Befürchtungen, dass sich das auf die sportlichen Leistungen der Mannschaft auswirkt. Aber Hut ab vor der Truppe, dass sie das nicht als Alibi gesehen hat, um einen Gang zurückzuschalten, sondern weiter fokussiert an ihren Zielen gearbeitet hat. Da gebührt dem Trainer aber auch dem Sportlichen Leiter, Sven Mislintat, ein ganz großer Respekt, dass es ihnen gelungen ist, das
Thema von der Mannschaft fernzuhalten. Es gibt genügend Beispiele, bei denen die Mannschaft nicht so charakterstark war wie jetzt beim VfB.
Sie kennen die Strukturen in Stuttgart. Glauben Sie, dass nach der Entlassung vieler Mitarbeiter in der Führungsebene wieder Ruhe einkehren kann?
Die Frage ist: Hat es die Richtigen getroffen? Ich kenne ja viele der Herren, die jetzt gehen mussten und das waren in meinen Augen hervorragende Leute – charakterlich und fachlich. Das ist für mich das Traurige an der Geschichte: Es mussten Leute gehen, die in meinen Augen eigentlich gar nichts dafür konnten, und die Herren, die das Ganze eingebrockt haben, sind nach wie vor da.
Beim FC Bayern scheint die Unruhe erst jetzt aufzukommen. Können Sie nachvollziehen, dass Hansi Flick mehr Mitspracherecht bei der Kaderplanung wünscht?
Natürlich will man als Trainer in so einer wichtigen Sache auch gefragt werden. Beim FC Bayern müssen Hochkaräter kommen, Spieler, die dich weiterbringen. Da geht es auch um die Breite, als Topclub brauchst du 16 bis 18 Spieler, die du immer bringen
Der Streit könnte bald vorbei sein, wenn Flick nach der EM doch die Nachfolge von Joachim Löw als Bundestrainer antritt. Neben ihm sind mit Ralf Rangnick und Lothar Matthäus zwei weitere Kandidaten im Gespräch, die ebenfalls eng mit Stuttgart und München verbunden sind. Wem würden Sie es am ehesten zutrauen?
Mein Topfavorit ist Stefan Kunz. Wenn er es schafft, mit der U21 bei der EM wieder so erfolgreich abzuschneiden wie zuletzt, dann wird er mit Sicherheit ein ganz heißes Thema sein. Er kennt die Strukturen beim DFB und man muss keinen aus einem laufenden Vertrag rausholen. Aber natürlich kann ich mir auch gut vorstellen, dass sich Hansi Flick, wenn er mit den Bayern noch mal eine so erfolgreiche Saison hat, fragt, was soll ich eigentlich noch erreichen, und dann eher die Nationalmannschaft als reizvoll ansieht. Bei Ralf Rangnick stellt sich sicher die Frage, ob er so lange warten kann – weil der DFB sich ja Zeit nehmen möchte –, wenn er die Möglichkeit hat, einen Traditionsverein wie Schalke zu übernehmen und wieder in die Spur zu bringen. Und natürlich ist auch Lothar Matthäus ein Mann, über den man diskutieren muss. Als Fußballer war er der beste, den Deutschland je hatte und ich denke, aufgrund seines Alters ist er jetzt auch etwas ruhiger geworden – auch im privaten Bereich. Ihn könnte ich mir also auch gut als Bundestrainer vorstellen.
Und was ist mit Ihnen, sehen Sie sich selbst auch noch einmal auf der Trainerbank?
Ganz ehrlich, weiß ich das nicht. Ich sehe, dass das Fußballbusiness immer verrückter wird und viele Dinge für mich nicht mehr nachvollziehbar ist. Da stellt sich schon die Frage, will man das noch. Aber ich bin im Moment offen für alles und mache mir viele Gedanken, wo die Reise hingehen könnte. Und da kann ich definitiv nicht ausschließen, dass es mich auch noch einmal als Trainer in die Bundesliga zieht. Die Frage ist aber, wie wahrscheinlich das ist. Offenbar muss man heutzutage ja zu einem Projekt wie Red Bull gehen, noch mal als Jugendtrainer arbeiten oder die Fußballlehrer-Ausbildung mit 1,0 abschließen, um eine Chance zu bekommen. Leider sind gewisse Qualitäten nicht mehr gefragt, Hauptsache man hat einen Laptop in der Hand. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, für mich stehen die Menschen und Spieler im Vordergrund.