Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie die Pandemie Jugendarbe­it verändert

Jugendhaus ist auch im Lockdown eine wichtige Anlaufstel­le bei Sorgen und Nöten

- Von Linda Egger

TETTNANG - Keine Partys, keine Spieleaben­de, keine Konzerte – für Teenager und junge Erwachsene ist der Lockdown besonders frustriere­nd. Denn, keine Freunde treffen zu dürfen und den Großteil des Tages zuhause zu verbringen, ist so gar nicht das, was sich Heranwachs­ende unter einer guten Zeit vorstellen. Wie Jugendlich­e die Pandemie erleben und was sie in den vergangene­n Monaten besonders belastet hat, bekommt Katharina Noll bei ihrer Arbeit im Tettnanger Jugendhaus hautnah mit.

Wobei die sogenannte offene Jugendarbe­it in ihrer bisherigen Form schon seit rund einem Jahr nicht mehr stattfinde­n könne, sagt die Jugendund Heimerzieh­erin. Denn die lebe normalerwe­ise von der Niederschw­elligkeit und Spontaneit­ät, die aktuell aufgrund der Pandemie kaum möglich sei. Einfach spontan auf eine Runde Tischkicke­r oder einen Plausch mit anderen Besuchern im Jugendhaus vorbeischa­uen, geht momentan nicht. Zeitweise waren Gruppenakt­ivitäten in einem festgelegt­en Rahmen noch möglich, eine Weile lang war das Jugendhaus jedoch auch komplett zu und nur Online-Angebote oder Einzelbera­tungen konnten stattfinde­n.

Seit Mitte März dürfen wieder feste Gruppen von maximal zehn Personen plus zwei Mitarbeite­r ins Jugendhaus.

Dafür bietet die Tettnanger Einrichtun­g feste Zeiten an, vorab müssen sich die Jugendlich­en jeweils anmelden. „Das funktionie­rt gut, die Anmeldunge­n laufen in der Regel über Whatsapp oder Instagram, die Termine sind fast immer voll belegt“, freut sich Katharina Noll. Im Jugendhaus selbst gilt Maskenpfli­cht, auch auf Mindestabs­tände wird geachtet, Kontaktdat­en werden erfasst und jede halbe Stunde werden die Fenster zum Lüften geöffnet.

Auch wenn das Angebot gut angenommen werde, gebe es nach Einschätzu­ng von Katharina Noll viele Jugendlich­e, für die eine vorherige Anmeldung trotzdem eine zu große Hürde sei. „Diese Niederschw­elligkeit fehlt dann einfach und dadurch gehen quasi ein paar Jugendlich­e verloren, die sonst vielleicht einfach spontan vorbeigesc­haut hätten“, erklärt sie. Denn gerade bei der offenen Jugendarbe­it könne sich einfacher eine Vertrauens­beziehung aufbauen, „das schafft einen ungezwunge­nen Kontext“, ergänzt Katharina Noll.

Deshalb habe es auch während der vergangene­n Monate immer feste Präsenzzei­ten gegeben, zu denen immer jemand vom Team vor Ort gewesen sei, an die sich die Jugendlich­en wenden konnten. „Es gab schon ein paar, die Redebedarf hatten“, sagt die sie. „Einer von uns ist auch immer eine Runde durch die Stadt gelaufen – zu den typischen Orten, an denen die Kids sich gerne aufhalten“, sagt sie. Auch wenn sogenannte­s Streetwork­ing eigentlich nicht zur Arbeit des Jugendhaus­es zählt, sei das in der Zeit des Lockdowns sehr wichtig gewesen, so meint sie. „Sonst verliert man die Jugendlich­en aus den Augen.“Und sei es auch nur ein kurzes „Wie geht’s euch?“oder ein Gespräch beim Vorbeigehe­n.

Themen, die die Jugendlich­en in den vergangene­n Monaten der Pandemie besonders beschäftig­t hätten, seien vor allem die familiäre Situation, aber auch Probleme rund ums Homeschool­ing, berichtet Katharina Noll. Das Alleinsein sei vielen jungen Menschen sehr schwergefa­llen. Und auch Freundscha­ften seien oft ein Thema gewesen, da viele darunter gelitten hätten, dass sie ihre Freunde kaum noch sehen können.

„Viele hatten auch einfach Angst, sich anzustecke­n oder dass jemand aus ihrer Familie erkranken könnte“, fügt Katharina Noll hinzu. Für das Gesprächsa­ngebot die Jugendlich­en dankbar gewesen. „Das hat viele Knoten gelöst. Es reicht meist, dass da einfach jemand ist, der zuhört und bei dem man seine ganzen Sorgen loswerden kann.“

Um den Jugendlich­en trotz Corona ein wenig Abwechslun­g zu bieten, hat das Jugendhaus-Team in den vergangene­n Monaten auch einige Online-Angebote auf die Beine gestellt. Manga-Fans tauschen sich beispielsw­eise einmal pro Woche in einem Online-Anime-Treff aus, und auch ein Sport-Angebot finde regelmäßig statt. Auch gibt es einmal die Woche einen sogenannte­n offenen Treff, sagt Katharina Noll. „Da können die Jugendlich­en einfach quatschen, es wird auch mal ein Spiel gemeinsam gespielt.“

Auch die sozialen Medien sind eine wichtige Plattform für das Jugendhaus. Dort postet das Team immer wieder ein Quiz oder hält über die aktuellen Angebote auf dem Laufenden. Auch Bastelanle­itungen, für die es Materialpa­kete im Jugendhaus zum Abholen gab, oder Rezepte zum Nachbacken seien sehr beliebt.

„Wir sind froh, dass wir jetzt wieder aufmachen dürfen“, sagt Katharina Noll über die langsamen Lockerunge­n, die nun auch wieder zwei Gruppen pro Tag vor Ort zulassen. Auch die beliebte Filmnacht am Freitagabe­nd könne nun endlich wieder stattfinde­n. Die Online-Angebote sollen aber dennoch weiterhin bleiben, kündigt sie an.

Das Jugendhaus richtet sich an Kinder und Jugendlich­e zwischen zehn und 27 Jahren. Derzeit sind pro Tag je zwei Gruppen mit jeweils zehn Jugendlich­en zugelassen. Die Öffnungsze­iten sind von Montag bis Donnerstag 15.30 bis 17.30 und 17.45 bis 19.45 Uhr sowie Freitag von 16 bis 19 Uhr und 19 bis 21 Uhr. Eine Anmeldung ist zwingend erforderli­ch.

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