Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Maßnehmen geht nicht auf Distanz“
LANGENARGEN - Yunus Polat (Foto: ah) ist Kurde und betreibt in Langenargen seit viereinhalb Jahren eine Änderungsschneiderei in der Oberen Seestraße 7/1. Neben den üblichen Reparaturarbeiten an Gewändern und Ausstattungen näht und fertigt der gelernte Schneider auch Puppenkleider, Polsterbezüge und Schutzmasken. SZ-Mitarbeiter Andy Heinrich hat mit ihm darüber gesprochen, ob eine Schneiderei in der Wegwerfgesellschaft heute noch angenommen wird.
Es gibt nicht mehr viele Schneidereien. Wie läuft es bei Ihnen, auch mit Blick auf die Corona-Krise?
Ich komme ganz gut klar. Trotz der Tatsache, dass es sehr viel billige Kleidungsstücke zu kaufen gibt, schätzen immer mehr Menschen die gute Handwerksarbeit eines Schneiders. Es lohnt sich, seine schönen und liebgewonnenen Stücke von einem Fachmann reparieren und aufhübschen zu lassen. Gute Arbeit spricht sich herum, wobei wir bis vor Kurzem auch Mund-Nasen-Schutzmasken aus Stoff individuell hergestellt haben. Inzwischen werden diese jedoch wegen der FFP2- und der medizinischen Masken kaum mehr nachgefragt.
Welchen Arbeiten beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Vorwiegend Änderungen. Tatsächlich wächst die Nachfrage, Kleidungsstücke in puncto Größe anzupassen, weil diese aufgrund von mangelnder Bewegung und schlechter Ernährung in CoronaZeiten zu klein geworden sind. Dazu kommen Reißverschlüsse, kaputte Hosen, Hemden, Röcke und Jacken und weitere typische Arbeiten, die ein Schneider ausführt.
Was hat sich für Sie während der Pandemie verändert, was erschwert womöglich ihre Arbeit?
Eine der wichtigsten Tätigkeiten eines Schneiders ist die Kunst, am Kunden Maß zu nehmen. Das geht aber nicht auf zwei Meter Distanz. Ich muss mit dem Maßband sehr genau und exakt am Körper vorgehen, damit das Endergebnis meiner Arbeit dem Auftraggeber letztlich gefällt. So gesehen ist dieser Vorgang durchaus eine Herausforderung für mich.
Gibt es auch Sonderwünsche, Aufträge, die nicht alltäglich sind?
Das ist genau das, was mir besonders Spaß macht. Herausforderungen sind beispielsweise Puppenkleider zu nähen oder wiederherzustellen. Oft handelt es sich um sehr alte Lieblingsteile, die vererbt wurden und im Laufe der Zeit in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vor allem die Kinder freuen sich, wenn ihre Puppen, die sie von der Uroma oder Oma geschenkt bekommen haben, wieder anständig und schick gekleidet sind. Zudem beschäftigen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Lederarbeiten oder fertigen Bezüge zum Beispiel für Boote und Schiffe. Dabei arbeiten wir grundsätzlich mit sehr hochwertigen Industrienähmaschinen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass meine Kunden bald wieder mit einem Lächeln in den Augen und im Herzen meine kleine Schneiderei betreten und sich nicht mehr mit den Widrigkeiten der Pandemie beschäftigen müssen.